Meinung des Tages: Eine Falschmeldung führt zu Ausschreitungen in einem ganzen Land – wie kann so einer Situation vorgebeugt werden?
Ergänzung im Nachtrag:
Vielen Dank für die vielen guten Antworten. Das Thema Fake News beschäftigt uns bei gutefrage ebenfalls. Wir evaluieren momentan inwiefern wir sinnvoll gegen Falschinformationen vorgehen können.
Der ursprüngliche Tatort befindet sich in Southport, an der nordwestlichen Küste von England. Ein Angreifer stach während eines Tanzkurses auf die Teilnehmer ein – bei denen es sich um Kinder handelte. Es war ein Workshop, an dem Kinder teilnahmen, die lernen wollten, zu tanzen wie Taylor Swift. Drei Mädchen im Alter von sechs, sieben und neun Jahren verstarben, acht weitere Kinder sind schwer verletzt, ebenso wie zwei Frauen. Kurz darauf ging eine Nachricht über den Täter viral – und in England brachen Unruhen aus.
Fake News führen zu Ausschreitungen
Welcher Mensch sticht wehrlose Kinder bei einem Tanzkurs ab? Eine Frage, die sich im Zustand der völligen Sprachlosigkeit wohl viele Menschen nach der Tat gestellt haben. Es überrascht daher nicht, dass mögliche Erklärungen dankbar angenommen werden – auch, wenn diese womöglich gar nicht stimmen. Und genau so geschah es nun auch vergangene Woche in Großbritannien: Nutzer von sozialen Plattformen behaupteten, dass die Identität des Täters ermittelt wurde. Es handle sich dabei angeblich um einen 17-jährigen Muslim namens Ali Al-Shakati. Bei genauer Recherche fällt auf: Diese Meldung wird zwar teilweise bestätigt, allerdings durch überwiegend absolut unbekannte Quellen.
Auf X (ehem. Twitter) verfasste ein Nutzer einen Beitrag, in dem er erklärte, der Täter sei letztes Jahr mit einem Boot angekommen. In dieses Fuhrwasser reihte sich dann auch direkt Andrew Tate ein, gegen den übrigens wegen Menschenhandel und Vergewaltigung ermittelt wird. Er sagte, ein illegaler Migrant sei vor einem Monat mit einem Boot angekommen und habe sich dann dazu entschieden, auf Kinder einzustechen.
„Informationen“ führten zu (gewaltvollen) Protesten und Ausschreitungen
Aufgrund dieser Fake News, die sich in wie ein Lauffeuer verbreiteten, kam es postwendend zu nationalistischen und antimuslimischen Protesten in Großbritannien.
So gab es beispielsweise in Liverpool Ausschreitungen, bei denen Demonstranten Stühle, aber auch Ziegelsteine und Leuchtraketen auf Polizisten warfen. In Manchester kam es zu Handgemengen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. Weiter wurden in Hull Fensterscheiben eines Hotels eingeworfen – dieses wurde als Unterkunft für Asylsuchende genutzt. Weiter kam es auch in Belfast, Leeds und Notingham zu Auseinandersetzungen von Protestierenden und Gegendemonstranten. Inzwischen kam es zu mehr als 90 Festnahmen.
Das Thema „Flüchtlinge“ ist in Großbritannien stark politisch aufgeladen. So ergaben etwa Umfragen, dass 42% der Bürger sich wünschen würden, dass diejenigen Flüchtlinge, die mit Schlauchbooten über den Ärmelkanal kämen, des Landes verwiesen würden – und zwar ohne jegliche Möglichkeit, dagegen juristisch vorzugehen. Auch der ehemalige Premierminister Rishi Sunak warb mit dem Slogan „Stop the Boats“ und machte sich für eine härtere Asylpolitik stark.
Ultranationalisten protestieren nun entsprechend noch mehr gegen die aus ihrer Sicht zu hohe Migration. Sie werfen den Behörden vor, dass hier absichtlich etwas verschwiegen werden würde – nämlich die tatsächliche Identität des Messerangreifers.
Richtigstellung von Seiten der Polizei stoppt Unruhen nicht
Noch am vergangenen Montag selbst wurde von der Polizei dementiert, dass es sich beim Tatverdächtigen um einen Bootsflüchtling handle. Laut Polizei gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass die Religion des Täters bei seiner grauenvollen Tat eine Rolle gespielt hätte, auch ein terroristischer Hintergrund scheint Stand jetzt für die Polizei eher unwahrscheinlich.
Der Jugendliche wurde vor 17 Jahren in Cardiff, einer Hafenstadt an der Südküste von Wales, geboren. Seine Eltern waren davor von Ruanda nach Wales eingewandert.
Unsere Fragen an Euch:
- Wie kann konsequenter gegen Falschinformationen wie diese vorgegangen werden?
- Sollten diejenigen, die derartige Fake News teilen, dafür auch haftbar gemacht werden?
- Falls ja, welche Konsequenzen sollten an dieser Stelle folgen?
- Muss von Seiten der Polizei bereits zu Beginn vollumfänglich offengelegt werden, woher alle mutmaßlich Beteiligten stammen?
- Wo endet Eurer Meinung nach das Persönlichkeitsrecht und wo rechtfertigt ein allgemeines öffentliches Interesse eine Offenlegung von sensiblen persönlichen Daten?
- Wie könnte die zunehmende Radikalisierung und Verbreitung von Falschmeldungen im Netz eingedämmt werden?
- Fürchtet Ihr ähnliche Ausschreitungen auch in Deutschland?
- Wie sollte die Kommunikation und auch der Umgang mit der Flüchtlingspolitik langfristig (inter)national aussehen, sodass derartige Unruhen weniger werden?
Wir freuen uns auf Eure Antworten!Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.sueddeutsche.de/politik/southport-krawalle-fake-news-lux.NTEVFDDi3JLnqDBpU34FsG
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/mordvorwurf-southport-100.html