Meinung des Tages: Gendern – was wäre die richtige Umsetzung?

Die Mitglieder des Rats für deutsche Rechtschreibung sind sich darüber einig, dass alle Menschen mit geschlechtergerechter Sprache angesprochen werden sollen. Doch die Frage dabei ist nach wie vor: Wie soll das umgesetzt werden?

Nach wie vor gibt es keine Empfehlung für Doppelpunkte oder Gendersternchen. Letzterer wird auch nach wie vor nicht offiziell anerkannt vom Rat für deutsche Rechtschreibung.

Nach langen Debatten konnte sich der Rat lediglich mit einer Zweidrittelmehrheit darauf einigen, dass die Sonderzeichen toleriert werden sollen.

Skeptiker sehen in den Sonderzeichen vor allem Probleme der Übersetzbarkeit und eine mögliche Beeinträchtigung der Grammatik und Satzbildung oder gar der Gruppenidentitäten.

So sieht Heinz Bouillon, der als Stellvertreter für die Deutsche Gemeinde Belgiens an den Diskussionen teilnahm, eine große Problematik mitunter in der Tatsache, dass beispielsweise entsprechende Sonderzeichen im Niederländischen und Französischen schlichtweg nicht existieren. Wie damit in Übersetzungen umgegangen werden soll, ist für ihn eine unbeantwortete Frage. Zudem befürchtet er, dass die Popularität von Deutsch als Fremdsprache rasant abnehmen würde, würden der Genderstern oder andere Sonderzeichen anerkannt werden.

Auch Sabine Krome, Geschäftsführerin des Rats für deutsche Rechtschreibung sieht in der Debatte mögliche Stolpersteine: So würde laut ihr beispielsweise durch die Wortzeichen im Wortinneren die Wortbildung gestört. Auch bei der Pluralbildung würde es Probleme geben.

Der Vorsitzende des Rats für deutsche Rechtschreibung, Josef Lange, befürchtet durch die Nutzung von Gendersprache sogar eine Aufspaltung des deutschen Sprachraums auf verschiedene Gruppenidentitäten.

Letztlich blieb der Rat also bei den Empfehlungen von 2021, die besagen, dass etwaige Sonderzeichen, die mehrgeschlechtliche Bezeichnungen im Wortinneren kennzeichnen, noch nicht in das amtliche Regelwerk aufgenommen werden sollen.

Der Rechtschreibrat schlägt aber vor, eine Ergänzung des Regelwerks im Abschnitt Sonderzeichen vorzunehmen, in dem auch die entsprechenden Probleme thematisiert werden.

Unsere Fragen an Euch: Was wäre die richtige Umsetzung von Gendersprache? Wo seht ihr Möglichkeiten, wo Hindernisse?

Wir freuen uns auf Eure Antworten!

Viele Grüße und einen guten Start in die Woche!

Euer gutefrage Team 

Quellen:

https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/genderzeichen-orthografie-102.html
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/genderzeichen-orthografie-100.html

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Warum gehen beim generischen Maskulinum die Ansichten so auseinander?

Liest man hier auf GF, scheint es vielen geradezu selbstverständlich zu sein, dass jeder das generische Maskulinum dekodieren könnte. Jedoch scheinen einige Studien nicht dazu zu passen:

"Lisa Irmen und Astrid Köhncke stellten 1996 in zwei Experimenten fest, dass nur 20 % beziehungsweise 49 % der Versuchspersonen verstanden, dass ein generisches Maskulinum sich auch auf weibliche Referenten beziehen kann.[82]

D.h viele verstanden eben nicht, dass "Geophysiker" auch Frauen bezeichnen kann.
Allerdings kommt man diesem Problem auch nicht mit Alternativformulierungen komplett bei:

"Allerdings konnte in keiner dieser Studien eine Alternativformulierung aufgewiesen werden, die zu einer vollständigen Ausgewogenheit weiblicher und männlicher Referenten geführt hat."

Man hat festgestellt, dass Frauen in einem Text mit "Geophysikern" seltener davon ausgingen, dass damit auch Frauen gemeint sein könnten, als in einem Text mit der Formulierung "Geophysikerinnen und Geophysikern". Bei Männern war dieser Unterschied geringer. Zudem hing es auch vom genannten Beruf ab, wie stark dieser Bias war. Bei "Diätassistent" wurde eher an Frauen gedacht als bei den "Geophysikern".

Witzig ist auch, dass manche selbst bei "Kölner Bürger/Bürgerinnen" davon ausgehen, dass Männer damit gemeint sind. Offenbar wird einiges einfach überlesen, und offenbar geschieht die Zuordnung zum männlichen Geschlecht manchmal "automatisch" und unabhängig vom genauen Wortlaut im Text.

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