Meinung des Tages: Wie bewertet Ihr die Ergebnisse der Europawahl in Deutschland und habt ihr diese verfolgt?

Das Ergebnis basiert auf 181 Abstimmungen

Ich habe die Ergebnisse mit Spannung verfolgt, weil ... 70%
Mich interessieren die Ergebnisse nicht so, denn ... 22%
Ich stehe anders dazu und zwar ... 9%

33 Antworten

Ich habe die Ergebnisse mit Spannung verfolgt, weil ...

Ich war am Wahlsonntag vor Ort wählen.

Die Ergebnisse haben mich interessiert.

Die Resultate haben mich überrascht.

Ich frage mich, wie viele der Wähler (alle Altersklassen) in die Parteiprogramme der Partei geschaut haben, die sie gewählt haben. Wahrscheinlich erschreckend wenige. Eine Partei ist meines Wissens sogar ohne Parteiprogramm zur Europawahl angetreten und wurde trotzdem von einigen gewählt. Das ist sehr strange.

Zu den starken Unterschieden im Wahlverhalten denke ich, dass viele junge Menschen sich über "Social Media Hypes" "informiert" haben und viele ältere "ihre Bestandspartei" gewählt haben (Wozu das Risiko von etwas Neuem eingehen, wenn man weiß, was man am Bisherigen hat"?).

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Ich habe die Ergebnisse mit Spannung verfolgt, weil ...

Ich war gegen 12 Uhr in meinem angestammten Wahllokal und es herrschte gähnende Leere. BSW war auf dem Stimmzettel schwer zu finden, die AfD hingegen unübersehbar. Umso mehr freut mich der raketenartige Start des BSW. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine so junge Partei ohne ausgebaute Strukturen und mit bundesweit bisher nur 650 Mitgliedern jemals geschafft hat aus dem Nichts 6,2% der Stimmen zu holen.

Ich habe dementsprechend die Hochrechnungen am gestrigen Wahlabend mit großer Spannung verfolgt.

Es gab für mich dabei enttäuschende Momente, denn meine ursprüngliche politische Heimat ist die SPD inklusive eines kurzen Ausfluges in Die Linke. Mich freut deren schlechtes Abschneiden demnach nicht - auch wenn ich es absolut nachvollziehen kann.

Gefreut hat mich hingegen der Absturz der Grünen, mit deren Politik ich bis auf das Deutschlandticket absolut nicht einverstanden bin.

Dass die AfD trotz der Skandale zulegen konnte war hingegen zu erwarten und es scheint weltweit in der DNS vieler Wähler rechtspopulistischer Parteien zu liegen, dass diesen Wählern Skandale schlicht egal sind.

Die FDP erzielt ein psychisch wichtiges Ergebnis von unter 5% - eine Strack-Zimmermann als Zugpferd fand ich auch eher abschreckend.

Am meisten wundert mich die Stabilität der Union. Wenn das so bleibt kann man fast schon fest damit rechnen, dass der nächste Bundeskanzler Friedrich Merz heißen wird. Söder forderte vor ein paar Stunden dann auch gleich Neuwahlen im Bund. Dazu wird es allerdings nicht kommen. Deutschland ist nicht Frankreich.

Zum Schluss möchte ich noch auf die Gründe eingehen warum BSW so viele Menschen angesprochen hat und warum ich mich klassisch in die beiden größten Gruppen der gewanderten Wähler einreihe - diese kommen nämlich von SPD und Linker.

Es hat tatsächlich hauptsächlich mit privater Ökonomie zu tun.

Auch die wirtschaftliche Situation spielt eine Rolle: Klarer Sieger scheinen hier die Grünen zu sein, wenn es um die finanzielle Situation der Wähler geht – 92 Prozent gaben an, eine gute wirtschaftliche Situation zu haben, acht Prozent eine schlechte. Ähnlich ist es bei der FDP: Hier ist das Verhältnis 91 zu neun Prozent. Es folgt die Union mit 90 zu neun Prozent, die Schlusslichter bilden BSW und AfD-Wähler mit Verhältnissen von 78 zu 21 Prozent (BSW) und 70 zu 29 Prozent (AfD).

Die Regierung meint sie habe die Krisen gut gemanaged. Aber die Stimmung ist mies und viele Menschen haben weniger Geld im Portemonnaie gemessen an der Kaufkraft. In dieser Situation auch noch mit z.B. Sanierungszwang von funktionierenden Heizungen zu kommen ist einfach unsensibel.

Man kann ja sagen wenn der Lebenszyklus der bisherigen Heizung am Ende ist muss sie durch eine Wärmepumpe ersetzt werden. Aber noch recht neue Gasheizugen zwangsweise ersetzen zu müssen und die Kosten dann auch noch auf die Mieter umlegen zu dürfen ist maximal rücksichtslos von den Grünen. Und das ist nur ein Beispiel von Vielen.

Die Inflation hätte sich angeblich abgeschwächt, aber davon merke ich im Supermarkt nichts. Die Preise bleiben so hoch und das ist mein Hauptärgernis bezüglich Ukraine.

Gegen die Wohnungsnot wird auch zu wenig unternommen während weiterhin Migranten als Konkurrenz einströmen.

All dieser Themen nimmt sich BSW hingegen an.

P.S. Den Aspekt: Unterschied zwischen Ost und West habe in meiner Antwort noch vergessen, weil für mich als Wessi die Stimmungslage der ostdeutschen Mitbürger ein Buch mit sieben Siegeln ist und ich deren Mentalität kaum verstehe.

Ich möchte aber noch zwei eindrucksvolle Grafiken posten, auch wenn diese während der gestrigen Hochrechnungen entstanden sind und nicht das Endergebnis widerspiegeln. Aber die Unterschiede werden eindrucksvoll dargestellt.

Warum das so ist mag jemand Anderer beantworten.

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Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjährige Erfahrung in der Parteipolitik und als Reporter
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Cringosaurusrex  10.06.2024, 12:53

Vielleicht würden die Rechten Wähler, die Skandale ja ernst nehmen wenn man nicht ständig künstlich welche erschaffen würde.

Immer dieses Argument... "öhhh sie werden ja vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft" ich kann es nicht mehr hören, als wäre der Verfassungsschutz eine unfehlbare unabhängige Behörde

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Interesierter  10.06.2024, 15:02

Im Osten spielen zwei Dinge eine große Rolle.

Zum einen ist da die klassische Parteibindung sehr viel geringer als im Westen. Das hat historische Gründe.

Zum anderen empfinden sich viele Menschen im Osten nach wie vor als Bürger zweiter Klasse. Daher ist dort das Protestpotenzial sehr viel größer als im Westen

BSW darf man nicht unbedingt als Parteineugründung ansehen. Mit Wagenknecht hat hier das Zugpferd der Linken einfach sein eigenes Ding gemacht und die Linke gespalten. Zudem war BSW auch ein Magnet für Unentschlossene, die ohne dieses Angebot die AfD gewählt hätten. Ohne BSW wäre die AfD sicherlich um ein paar Punkte stärker gewesen.

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vanOoijen  10.06.2024, 15:04
@Interesierter

Dem letzten Abschnitt Deines Kommentars steht die Wählerwanderung gegenüber.

Die meiste Wanderung zum BSW gab es von SPD und Linker

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Interesierter  10.06.2024, 15:11
@vanOoijen

Das ist wohl Definitionssache.

Die Menschen, die SPD und Linke nicht mehr gewählt haben, suchten sich andere Parteien.

Die AfD hat zugelegt. Und sie hätte wohl noch deutlich mehr zugelegt, wenn das BSW hier nicht so viele Stimmen eingesammelt hätte.

Diesen Punkt zeigt natürlich keine Wählerwanderung. Er ergibt sich aber logischerweise aus der Gesamtkonstellation.

Das BSW hat vielen Unzufriedenen eine Alternative zur AfD geboten.

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vanOoijen  10.06.2024, 15:15
@Interesierter

Angeblich sind 520.000 Wähler von der SPD zum BSW gewandert aber nur 140.000 von der AfD zum BSW.

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Interesierter  10.06.2024, 15:24
@vanOoijen

Das ist wohl korrekt.

Die Frage auf die ich hinaus will ist, wie viele der 520.000 Wähler tatsächlich bei der SPD abgesprungen wären und wie viele davon zur AfD gegangen wären, hätte sich das BSW nicht von der Linken abgespalten.

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vanOoijen  10.06.2024, 15:36
@Interesierter

Da kann ich natürlich nur für mich selbst sprechen und ich bin ein untypischer Westdeutscher, der nie Hemmungen vor PDS oder Linker hatte - wie Lafontaine.

Trotzdem maße ich mir nicht an Ostdeutsche zu verstehen.

Aber die AfD käme aus velerlei Gründen nicht für mich infrage. Bevor es BSW gab habe ich die woken Kröten der westdeutschen Linken eben mitgeschluckt und bei der Bundestagswahl immer Erststimme SPD, Zweitstimme die Linke gewählt.

Die Zweitstimme wird künftig durch BSW ersetzt. Weitere Änderung gibt es nicht.

Ich bin da wie ein FDP-Wähler. Ich wähle egoistisch nach meiner wirtschaftlichen Situation. Und da ich nicht auf der Sonnenseite stehe und trotzdem nicht dumm bin kommen Afd, Union, FDP und Grüne für mich eh nicht infrage.

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Interesierter  10.06.2024, 15:49
@vanOoijen

Ich habe jahrelang im Osten gelebt und habe auch Verwandtschaft dort. Ich kenne daher die Sichtweisen recht gut.

Im Osten hat ein starker Staat der alles regelt, einen hohen Stellenwert.

Im Osten wurde seinerzeit der Westen mitunter als Bedrohung wahrgenommen. Daher erklärt sich auch die klassisch starke Position der Linken.

Vor allem das Thema Migration treibt die Menschen im Osten um. Sie sehen diese in mehrfacher Weise als Bedrohung. Die einzige Partei, die wirklich gegen Migration ist, war bisher die AfD. Mit dem BSW ist hier eine Partei aufgetaucht, die Migration ebenfalls kritisch sieht.

Damit wurde Wagenknecht eine Alternative für Menschen, die Migration kritisch sehen aber eigentlich mit den Rechten um Höcke und Co ein Problem haben.

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FernandoGF  10.06.2024, 15:19

BSW ist natürlich vom Start weg gut, weil sie der Linken Stimmen abnahm, aber auch der AfD als Protestpartei gegen unkontrollierte Immigration. Bei Wagenknecht weiß man grob, was man wählt. Sie ist sympathisch und verbiegt ihre Meinung nicht nach dem Wind. Boris Palmer hätte Ähnliches geschafft.

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vanOoijen  10.06.2024, 15:27
@FernandoGF

Sie ist nicht volkstümlich und über sympathisch lässt sich auch streiten, aber sie ist authentisch und ich kenne sie nicht erst seit gestern, zudem mit Lafontaine verheiratet, den ich noch mehr schätze als Wagenknecht.

Ich bin alter Sozialdemokrat und schon 99 gegen die Bundeswehrbeteiligung am Krieg im Kosovo gewesen sowie gegen die neoliberale Agenda.

Für mich ist BSW aus meiner politischen Biographie und Meinung schlüssig und keine Eintagsfliege und ich gehöre zu den 51% Überzeugten.

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vanOoijen  11.06.2024, 09:33
@vanOoijen

P.S. Sie könnte sich auch Sahra Lafontaine nennen, das wäre noch näher an Rosa Luxemburg, aber widdrspräche wohl ihrer vernünftig-feministischen Einstellung.

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MaxIpsum  11.06.2024, 06:38

Ich bin mir nicht sicher, ob man die BSW wirklich als stabil einstufen kann. Sie erinnert mich ein bisschen an die Piratenpartei und dient vermutlich nur als Sprungbrett für Wechselwähler bzw Fremdgeher.

Es könnte jedoch auch sein, dass diese Partei mehr Aufmerksamkeit bekommt und ihren Mundwerk entwickelt. Darum geht es den deutschen Wählern: um viel Propaganda und viel Gosh. Das war schon immer so und wird nie anders sein.

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vanOoijen  11.06.2024, 08:28
@MaxIpsum

Die Piraten haben doch einige Zeit länger gebraucht um bekannt zu werden. Vor dem Hype existierten si ein paar Jahre als 2%-Partei.

Und dann war es plötzlich hip Mitglied zu sein, weil man bei denen online abstimmen konnte.

Sie sind dann an eigenen Skandalen kaputtgegangen. Im heutigen rmedialen Umfeld wären die Grünen, wie sie bei der Gründung waren genauso gescheitert wie die Piraten. Die hatten nur Glück, dass das Medienumfeld Anfang der 80er anders war als heute. Es ist ein Naturgesetz, dass neu gegründete Parteien Irre und Querulanten anziehen. Daran sind die Piraten kaputtgegangen.

Das weiß Wagenknecht auch und deshalb sind die 650 Mitglieder handverlesen. Die führen monatelange Hintergrundchecks durch um - so wird es ganz offiziell gesagt, keine Nazis oder gescheiterte Existenzen aufzunehmen. Und das funktioniert scheinbar gut. Den Wählern ist es wohl egal ob eine Partei 200.000, 800.000 oder nur 650 Mitglieder hat.

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Mondrago  11.06.2024, 12:18
@MaxIpsum

Zumindest eins kann man sagen: BSW ist die Partei mit der differenziertesten Herangehensweise!

Wer von den Politikern kann einer Sarah Wagenknecht schon intellektuell das Wasser reichen?

Viele denken das beste was man tun kann ist sich einseitig ideologisch zu positionieren! Leben, Natur ist aber ein Balanceakt.

Aber das ist auch dass was viele verunsichert wenn sie verzweifelt eine Schublade suchen aber keine finden!

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vanOoijen  11.06.2024, 12:20
@Mondrago

Das sehe ich auch so. Gegen Wagenknecht ist Baerbock ein intellektueller Tiefflieger und die Ukraine-Politik der Bundesregierung unterstütze ich absolut nicht.

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isilang  11.06.2024, 09:22

Ich finde deinen Beitrag sehr gut! Ich kann jede Silbe unterstreichen.

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Mich interessieren die Ergebnisse nicht so, denn ...

Die Bundestagswahlen sind für mich das wichtigste, danach die Landtagswahlen und irgendwo unten sind die EU Wahlen.

Ich finde für DE hat diese EU Wahl nicht für das innere in DE zu tun, das ist keine Beurteilung der aktuellen Bewertung unserer Regierung oder Parteien, das konnte man dich klar erkennen.

Im vergleich zur BT 2021: Die Nichtwähler sind doch um über 9 Mio. gestiegen, die Wahlbeteiligung ist um Millionen gesunken.

EU und DE Politik sind zwei Welten, wir in DE sind nicht die EU, wir gehören dazu.

Woher ich das weiß:Recherche
Ich habe die Ergebnisse mit Spannung verfolgt, weil ...
Wart Ihr gestern wählen oder bevorzugt Ihr Briefwahl?

natürlich war ich wählen. Die wenigen Möglichkeiten die man hat, sollte man dann auch nutzen.

Habt Ihr die Ergebnisse verfolgt?

Das vorläufige Ergebnis habe ich verfolgt.

Überraschen Euch die Resultate?

Ja und Nein. Es war absehbar, dass die Ampel "abgewählt" wird.

Sehr erfreulich war, dass die Grünen so stark verloren haben.

Spannend war, dass die AfD trotz des schwierigen Wahlkampfes, den es so für eine Partei wohl noch nie gegeben hat, so ein starkes Ergebnis hatte und mit der CDU zusammen bei den Jungen Wählern massiv punkten konnte. Die Medien wollten immer den Eindruck vermitteln, dass "die Jugend" von Friday for Future und ihren "Ikonen" dargestellt wird. Das stimmt ja jetzt nachweislich überhaupt nicht.

Für die SPD bleibt zu sagen, dass man lediglich mit dem "Kampf gegen Rechts" keine Wahlen gewinnen kann. Ein anderes Thema hatten sie ja nicht.

Ich lebe seit 5 Jahren in Spanien und kann die Deutschen und die Franzosen sehr gut verstehen.

Ohne die EU - sprich Deutschland - läuft hierzulande absolut nichts. Da fragen sich die Deutschen natürlich: Wie kann es sein, dass wir unser Geld ins Ausland schleusen, währenddem unsere Rentner nach einem arbeitsreichen Leben kaum über die Runden kommen?

Ich finde das eine berechtigte Kritik am Konstrukt "EU".

Ob die AfD auf lange Sicht tatsächlich eine valide Alternative ist, wage ich zwar zu bezweifeln, aber Tatsache ist: Deutschland kann locker ohne die EU weiterbestehen. Frankreich ebenso. Für die anderen derzeitigen EU-Länder sieht die Zukunft düster aus, wenn diese zwei Wirtschaftsmächte nicht mehr zahlen und die EU sich auflöst.

Darauf läuft es aber letztendlich hinaus. Zurück zu den Nationalstaaten und jeder muss dann halt selbst gucken, wo er bleibt.