Hattet Ihr jemals das Empfinden, im Leben gescheitert zu sein?

Ich (w/37) hatte bisher niemals ein einfaches Leben und keine Feierlichkeit in meinem Leben verlief je langfristig entspannt. Meine Schullaufbahn begann als reine Katastrophe. Die erste Hälfte meiner Schulzeit erscheint mir in meiner Erinnerung eher wie eine furchteinflößende Achterbahnfahrt. Ich war ein Kind, das keinerlei Freude am Lernen hatte, und so gelang es mir nur mit Mühe und Not, zunächst die Hauptschule und dann die Realschule zu absolvieren, um schließlich mit einem Abiturschnitt von gerade einmal 3,9 abzuschließen. Danach wusste ich überhaupt nicht, was ich damit anfangen sollte, und begann eine Ausbildung. 

Nach eineinhalb Jahren musste ich jedoch feststellen, dass diese Ausbildung nicht das Richtige für mich war, und ich brach sie ab. Daraufhin wechselte ich von einem Job zum nächsten, bis ich anderthalb Jahre später eine zweite Ausbildung zur Bürokauffrau begann. Leider brach ich auch diese Ausbildung kurz vor ihrem Abschluss ab. In meiner Verzweiflung beschloss ich, zunächst keine Ausbildung mehr in Erwägung zu ziehen und lediglich nach einem Job zu suchen. Ich fand eine Anstellung, die ich fast zwei Jahre ausübte, bis die Firma Insolvenz anmeldete. Der Job war zwar in Ordnung und auch gut bezahlt, doch plötzlich stand ich mit 27 Jahren wieder bei meinen Eltern und ohne jede Perspektive da.

Nach gründlicher Überlegung entschied ich mich schließlich, eine dritte Ausbildung zur Logistikkauffrau zu beginnen. Unter dem Druck, bereits zwei Ausbildungen abgebrochen zu haben, nahm ich mir fest vor, diese Ausbildung durchzuziehen, was mir sogar relativ gut gelang. Doch erneut hatte ich Pech: Die Firma beschloss ein halbes Jahr vor Ende meiner Ausbildung, dass niemand übernommen und keine neuen Mitarbeiter eingestellt würden. So war ich erneut arbeitslos.

Um meine Situation so schnell wie möglich zu verbessern, nahm ich die erstbeste Arbeitsstelle an und fand schließlich in meinem Berufsfeld Fuß. Es schien, als ob das Leben endlich einmal etwas Gutes für mich bereithielte. Die Firma, bei der ich nun arbeitete, war sehr gut, und die Arbeit bereitete mir viel Freude. In derselben Zeit lernte ich meinen ersten Freund kennen. 

Nach fast drei Jahren Beziehung musste ich jedoch feststellen, dass mein Freund mich mit meiner besten Freundin betrogen und in meinem Namen mehrere Betrugsfälle mit meinen Kontodaten verübt hatte. Dadurch entstand ein erheblicher Schuldenberg bei vielen verschiedenen Unternehmen, und ich machte erstmals Bekanntschaft mit Inkassounternehmen und Gerichtsvollziehern. Natürlich zeigte ich ihn an und trennte mich von ihm. Diese Erfahrung stürzte mich in ein tiefes Loch, und meine Arbeitsleistung litt so sehr darunter, dass auch mein Chef schließlich die Geduld verlor und mich entließ.

Heute bin ich 37 Jahre alt, habe sehr hohe Schulden und stehe wieder ohne jede Perspektive da. Trotz all meiner Bemühungen, in den letzten Monaten eine neue Arbeitsstelle zu finden, habe ich bisher nur Absagen erhalten. Ich muss auch gestehen, dass ich in eine Depression gefallen bin und mich momentan kaum zu etwas motivieren kann.

Hätte man mich vor 20 Jahren gefragt, wie ich mir mein Leben mit 37 vorstelle, hätte ich mir sicherlich etwas ganz anderes ausgemalt. Wenn ich sehe, was meine Freunde in meinem Alter erreicht haben, fühle ich mich, als wäre ich im Leben nie wirklich vorangekommen. Es ist, als ob ich immer eine Stufe hinaufgestiegen bin, nur um zugleich zehn Stufen hinabzufallen.

Leben, Angst, Depression, Psyche
Das Leben kickt, wünsche mir eure Ansichten und Meinungen

Ich bin 33 Jahre alt, und meine Lebensgeschichte ist alles andere als gewöhnlich. Während die meisten in meinem Alter Beziehungen, körperliche Nähe und all die Erfahrungen des Erwachsenseins längst gemacht haben, stehe ich noch immer am Anfang. Ich habe keine Beziehung gehabt, nie intime Momente erlebt, und auch sonst fehlt mir all das, was für andere so selbstverständlich scheint.

Das liegt nicht daran, dass ich es nicht will, sondern weil ich es nicht kann. Schwere Traumata aus meiner Vergangenheit haben tiefe Narben hinterlassen. Diese Wunden sitzen so tief, dass sie mein gesamtes Leben beeinflussen. Körperliche Nähe löst bei mir keine Geborgenheit aus, sondern Panik. Bisherige Berührungen endeten in Panikattacken, Übelkeit und dem dringenden Wunsch, einfach nur zu fliehen. Mein Körper reagiert, als wäre ich in Gefahr – auch wenn ich rational weiß, dass dem nicht so ist.

Eine kleine Sicherheit in dieser unsicheren Welt geben mir die Windeln, die ich trage. Es klingt vielleicht seltsam, aber sie sind wie ein Schutzschild für mich. In einer Welt, in der ich ständig das Gefühl habe, die Kontrolle zu verlieren, geben sie mir ein Stück davon zurück. Niemand weiß davon, abgesehen von einer Freundin, die mich so akzeptiert, wie ich bin.

Ich befinde mich schon lange in Therapie. Die Diagnosen lauten: Posttraumatische Belastungsstörung, depressive Episoden, Panikstörung, generalisierte Angststörung. Das sind Begriffe, die für viele abstrakt klingen, für mich aber den Alltag bestimmen. Jede Sitzung ist ein kleiner Schritt auf einem scheinbar endlosen Weg. Manchmal habe ich das Gefühl, voranzukommen, manchmal scheint es, als drehe ich mich nur im Kreis.

Seit Jahren mache ich Therapie – die Diagnosen sind zahlreich und schwerwiegend: Posttraumatische Belastungsstörung, depressive Episoden, Panikstörung, Angststörung. Jede dieser Diagnosen ist wie eine unsichtbare Last, die ich Tag für Tag mit mir trage. Trotz all der Bemühungen – ambulante Therapie, stationäre Aufenthalte, berufliche Wiedereingliederungsversuche – ging irgendwann nichts mehr. 2017, mit 26 Jahren, bin ich in Rente wegen voller Erwerbsminderung gegangen. Es war ein Punkt, an dem ich realisieren musste, dass ich den Anforderungen des Lebens, so wie sie in unserer Gesellschaft gestellt werden, nicht mehr gewachsen bin.

Aber selbst jetzt, Jahre später, bleibt die Frage: Endet das jemals?

Diese Frage beschäftigt mich täglich. Ich habe so viele Anläufe genommen, so viele Hoffnungen in Therapien und Behandlungsformen gesetzt, nur um am Ende wieder enttäuscht zu werden. Die Dunkelheit zieht mich immer wieder zurück, die Panik hält mich gefangen. Es fühlt sich oft an, als ob es keinen Ausweg gibt, als ob all das, was ich mir wünsche – ein normales Leben, Beziehungen, Nähe – für immer unerreichbar bleiben wird.

Es ist nicht leicht, diese Gedanken niederzuschreiben oder sie überhaupt zuzulassen. Es ist ein täglicher Kampf zwischen der Hoffnung, dass es doch noch besser wird, und der Angst, dass es niemals enden wird.

Und dann stelle ich mir auch die Frage: Endet das alles jemals? Gibt es einen Punkt, an dem ich mich so fühlen werde wie andere? Kann ich irgendwann eine Beziehung führen, ohne dass die Panik übernimmt? Kann ich jemals Intimität erleben, ohne dass die alten Dämonen die Kontrolle übernehmen?

Es gibt keine einfachen Antworten. Das Leben mit diesen Herausforderungen ist ein ständiger Kampf – gegen die Vergangenheit, gegen die Ängste, gegen das Gefühl, anders zu sein. Doch ich gebe nicht auf. Tief in mir hoffe ich, dass es eines Tages besser wird. Dass ich eines Tages frei bin von dem, was mich gefangen hält. Bis dahin gehe ich weiter Schritt für Schritt – in der Hoffnung, dass dieser Weg irgendwann ans Licht führt.

Angst, Depression, Psyche

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