Hey Leute,
ich bin vorhin auf eine interessante Quelle aus dem Jahr 1631 gestoßen. Das darin enthaltene Lied ist allerdings wirklich ausgesprochen blumig (teils buchstäblich), weswegen ich bis auf ein paar Anspielungen nur Bahnhof verstehe.
Hier ist ein bisschen Kontext: Es geht um die Magdeburger Hochzeit (Dreißigjähriger Krieg), bei der die protestantische Hochburg von katholischen Truppen (unter Tylli und Pappenheim) angegriffen wurde mit dem Ziel, sie zu erobern.
Wichtig für das Verständnis des Liedes sind meines Erachtens zwei Fakten: Im Zuge der Plünderungen und Morde durch schlecht bezahlte Soldaten wurden auch Feuer gelegt, die die ganze Stadt zerstörten. Allerdings ist ungeklärt, wie genau diese Feuer entstanden und vor allem durch wen. Die protestantische und die katholische Seite wiesen sich damals gegenseitig die Schuld zu - angeblich hatte Oberst Falkenberg aus Magdeburg die Stadt nicht in heilem Zustand der Gegenseite überlassen wollen und sie deshalb niedergebrannt. Ich gehe stark davon aus, dass der Dichter des Liedes darauf anspielt, wenn er von den äußeren Feinden und den inneren Freunden spricht und den letzteren noch viel mehr Schuld zuweist.
Die zweite Tatsache ist die, dass die protestantischen Truppen Gustav Adolfs der Stadt nicht zur Hilfe eilten, weil sie ohnehin schon geschwächt waren. Ich habe das Gefühl, dass der Autor darauf in den letzten beiden Strophen anspielt, aber ich bin mir nicht ganz sicher.
Einen Teil der Natursymbolik erklärt der Prosa-Text, der vor dem Lied in demselben Druck steht: Auch hier betont der Autor (ich nehme an, es ist derselbe) die Verbundenheit der Stadt Magdeburg zur Natur. Im Wesentlichen etabliert er das alte Magdeburg als "Naturgewalt", weil sogar die Wälle der Stadt buchstäblich fest verwurzelt sind. Das könnte einige der etwas merkwürdigen Metaphern in diesem Lied erklären.
Aber genug Vorrede, hier ist der Text. Vielleicht kann ja jemand von euch mehr damit anfangen.
„ Folget ein Klagelied der
Stadt Magdeburg
I.
(J)R Dryaden/ ach lasset doch die blůmlein stehen
Die ich wol sonsten pflag mit Freuden anzu=
sehen
Brecht darvor Rosen ab/
Vnd Streut zum letzten willen Sie
Vff Eurer Schwester Grab.
II.
Raumbt meine Myrthen weg von allen gruͤnen
Plaͤtzen
Vnd thut an derer Stell Cypressen Baͤume setzen
Zum Zeugnuß meines Todts
Auff daß der Wandersman noch sprech:
Der Seelen Gnade Gott.
III.
Jhr Pfeiffer wartet nur/ jetzt wirdt man mich
außtragen/
Dem Außwendigen feind zum lust vnd wohlbehagen/
Dem jnnern Freund zu spott
Der mich vielmehr als jener hat
Gebracht in diese Noth.
IIII.
Hoͤr wann mein Kraͤntzlein hin/ vnd ich nun vn=
tergangen/
Meinst du mein Vngluͤck wird an dich gar nicht ge=
O bilde dirs‘ nicht ein/ (langen/
Dann pfleget nicht gemeiner Fall
Eins jeden mit zu seyn.
V.
Wie daß du dann nicht wilt/ was Zwytracht sey
verstehen?
Thu doch etwas zu ruck der zeiten laͤufft besehen
Dann darauß wird erkandt
Daß nichts dann entliche Ruin/
Verursacht Mißverstand.
VI.
Warumb bleibt jhr zurück/ solt jhr mir nicht bey=
springen
Jetzund nach meinem Fall muͤst jhr gleichs Liedlein
singen/
Alß ich gesungen hab/
Darumb so war jhr Nymphen seit
Solt nicht gehetzt han ab.
VII.
Da jhr doch ausser dem/ daß jhr mich Schwester
nennet/
Mein Hauß so in der naͤh/ sollt retten weil es brennet/
Dann ein so naher Brandt
Kan leicht nicht ohne groß Gefahr
Anstecken Euer Wand/ rc.
ENDE.“
Quelle: https://opendata2.uni-halle.de/explore?bitstream_id=c96324d7-c8a0-42db-8606-629fab95d77f&handle=1516514412012/29168&provider=iiif-image