Kapitulation vor der Dummheit?


12.06.2024, 15:33

13 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Das Angebot der "Nachrichten in einfacher Sprache" ist ja ein Zusatzangebot und wird nicht zum Regelfall... Aus meiner Sicht möche man eher eine neue Zielgruppe erschließen - also Thema Inklusion.

Mit der Art der Sprache wird man weder "normale" Jugendliche erreichen (dafür ist die Aufmachung und Sprache zu langweilig: Es ist keine Konkurrenz zu Tiktok/Shorts), noch Menschen, die absolut keinen Wunsch nach öffentlich-rechtlichen Nachrichten haben. (Denen wird ja dadurch nichts "interessantes" geboten)

Erreicht werden aus meiner Sicht diejenigen, die sich zwar interessieren, für die es aber wirklich zu schwierig ist: Beginderte, Immigranten mit geringer Sprachkenntnis,...)

Aus dieser Sicht verstehe ich die meisten Antworten (zur Zeit) hier absolut nicht.

Eine bleibende Frage wäre, ob man für so etwas extra Geld ausgeben sollte. Aber ich denke, die öffentlich-rechtlichen Nachrichten sind ein hohes Gut, an anderer Stelle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird mehr Geld ausgegeben und ein gewisses Experimentieren mit neuen Ideen ist auch nie verkehrt.


vanOoijen 
Beitragsersteller
 13.06.2024, 09:13

Ich habe mir im WDR-Radio (wo es das schon seit langem gibt) auch schon manchmal zufällig Nachrichten in einfacher Sprache angehört.

Langsames Sprechtempo schön und gut (es gibt im WDR-Radio auch immer noch den Hinweis, dass es dieselben Nachrichten im Internet mit noch langsamerem Tempo gibt), aber warum muss in einer dreiminütigen Nachricht fünfmal oder öfter erwähnt werden, dass Russland ein Land ist?

Dieses Beispiel ist mir im Gedächtnis geblieben: "Russland ist ein Land, der Präsident von dem Land Russland hat gesagt er finde das nicht gut..."

Dass Russland ein Land und und der Präsident von dem Land Russland Wladimir Putin heißt wird dann noch fünfmal wiederholt.

Wenn ich jemanden fünfmal in drei Minuten erzählen muss dass Russland ein Land ist - was erwarte ich dann bleibt überhaupt von der Nachricht hängen?

Außerdem bin ich der Ansicht man sollte mit allen Leuten normal sprechen. Dann haben sie die Chance zu lernen. Nachrichten in einfacher Sprache sind schlimmer als ein Deutsch-Aufsatz in der dritten Grundschulklasse.

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Von Experte Udavu bestätigt

Es dürfte wenig darum gehen, komplexe Texte zu verstehen, als vielmehr um einen anderen Aspekt: In der heutigen "Informations" Zeit haben wir einfach die Problematik, dass wir Informationen und co wie Fast Food konsumieren: Möglichst viel und möglicht schnell.
Das führt dann dazu, dass man kaum die Möglichkeit hat, sich damit auseinanderzusetzen und z.b. selten sich die Zeit nimmt mehr als die Überschrift oder eine kurze Zusammenfassung zu lesen.

Medien und co passen sich da dann natürlich den Konsumenten an, um sich vermarkten zu können oder umgekerht manipulieren den Konsumenten, um eben ihre Ware besser anbieten zu können - Das ganze findet also in beiderlei Richtung statt. Andererseits ist es auch nicht immer einfach eine ansprechende Informationsaufarbeitung von einer starken Informationsvereinfachug unterscheiden zu können, denn der Unterschied ist da doch recht fließend.

Primär sehe ich da auch den Konsumenten in der Verantwortung, gerade beim Umgang mit digitalen Medien (Bei klassichen Medien ist das oft weniger ausgeprägt, da man da nicht einfach weiter klicken kann oder tausende Informationen gleichzeitig angezeigt bekommt).

Mit IQ (der ohnehin einfach nur ein statistische Spielerei ist), Bildung oder co hat das alles im übrigen gar nichts zu tun, eher mit dem individuellen Umgang und dafür schützt weder Bildung noch sonstwas.
Und das Informationen für verschiedene Zielgruppen aufgearbeitet werden halte ich auch für wenig problematisch, ganz im Gegenteil.
Im Idealfall sollten diese dann zum selber nachdenken anregen, dem Gegenüber stehen dann wie gesagt aber wie gesagt unter andeem finanzielle Interessen.


kmkcl  13.06.2024, 09:13

Die Nachrichten in einfacher Sprache sind aber weder schnell, noch haben sie eine hohe Informations- oder Animationsdichte. Es ist auch nicht so ansprechend gestaltet wie z.B. Tiktoks/Shorts.

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Udavu  12.06.2024, 17:10

Die Aufmerksamkeitsspanne eines Jugendlichen beträgt acht Sekunden – dies wird fälschlicherweise häufig mit der Aufmerksamkeit eines Goldfisches verglichen. Es sind aber dennoch volle 4 Sekunden weniger als bei der Vorgänger-Generation.

Generation Z Marketing:

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Anastasia65  13.06.2024, 10:18
@Udavu

Das bedeutet, nach dem ersten gaaaanz langsam gesprochenen Wort hören Jugendliche bei diesen "Nachrichten in einfacher Sprache" nicht mehr zu - gut!

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Anastasia65  12.06.2024, 16:46

Ich habe mir das jetzt angeschaut, und es ist schon so: die Leute werden für dumm verkauft. Es wird nicht nur eine Nachricht in "einfacher Sprache" gebracht, sondern gleich auch die Einordnung und einzig richtige Deutung mitgeliefert.

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ThM3344  12.06.2024, 16:57
@Anastasia65

Ja, das sehe ich auch als sehr problematisch an. Eine Information z.b. in einfacher Sprache zu vermitteln ist nichts schlimmes, genausowenig wie eine medial ansprechende Aufarbeitung.
Das lässt sich aber auch umsetzen, ohne den Inhalt zu vereinfachen oder zu deuten.

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vanOoijen 
Beitragsersteller
 12.06.2024, 16:26

Dem stimme ich absolut zu.

Der IQ an sich bildet nicht an worum es hier geht. Und Textverständnis wird ja gat nicht abgefragt. Nur sprachliche Muster. Und die machen neben Mathematik und räumlichem Denken nur ein Drittel aus.

Ich halte da auch nicht soviel davon, auch wenn ich mit 14 beim Psychologen mit Stoppuhr 134 erreicht habe.

Aber wer nur einigermaßen intelligent ist braucht keine Nachrichten in einfacher Sprache.

17 Millionen Menschen von 84 Millionen Einwohnern die keine normalen Nachrichten verstehen können ist doch erschreckend. Als lebe man unter Gorillas.

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ThM3344  12.06.2024, 16:56
@vanOoijen

Die Frage ist halt: Braucht man das oder möchte man das?
Ich denke auch nicht, dass die meisten das brauchen aber vermutlich wollen es viele - wie gesagt: Wie Fastfood: schnell essen und dann ab zum nächsten.

Ich denke wir haben da ein stückweit auch verlernt uns Zeit zu lassen, aber genau das ist ja das Wesentliche: Die Information ist das eine, aber das wichtige ist ja, dass wir über diese Information nachdenken, uns ggf austauschen usw.

Umgekehrt kann ich aber auch die Tendenz dieser Menschen verstehen - die Versuchung ist halt zu verlockend. Ich habe mir da Abhilfe geschafft, in dem ich vermehrt "klassiche" Medien konsumiere und z.b. bei youtube ein Plugin nutze, dass Suchvorschläge usw deaktviert. Früher hab ich da nämlich auch sehr oft erlebt, dass ich da sinnfrei im quasi Zombiemodus konsumiert habe.

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Dümmer werden die Leute objektiv nicht, aber sie werden denkfauler, passiver und arroganter. Viele wurden dermaßen auf Selbstbewusstsein hin erzogen, dass sie die Bodenhaftung verloren haben - und in bzw. aufgrund dieser Arroganz weigern sie sich, irgendwelche Regeln anzuerkennen oder sich Mühe zu geben. Sie sind passiv, desinteressiert und träge; nicht in der Lage, sich in Themen hinein zu arbeiten, denen sie intellektuell eigentlich dreimal gewachsen wären. Sicher hat das auch was mit der entlastenden Technik zu tun. Außerdem muss es für viele immer schnellschnellschnell gehen und selbst das ist vielen noch zu langsam.

Glücklicherweise betreue ich keine Praktikanten mehr bzw. nehmen wir hier gar keine mehr, weil das in den letzten Jahren immer schlimmer wurde und entweder "nix gemacht" wurde oder sie sich wie eine Art Vize-Chef aufführten.

Ist es also falsch Nachrichten für Menschen mit IQ 55 zu senden anstatt ihnen mehr zuzumuten? Mit Babys soll man ja auch ganz normal sprechen und nicht in Babysprache, damit sie lernen.

Es ist insofern falsch, weil es der eigentlichen Zielgruppe nicht hilft (die gucken keine Tagesschau, weil sie an Politik oft kein Interesse haben) und eher dazu beiträgt, dass die anderen noch denkfauler werden. Letztlich verschlingt so was auch Kosten, die der Gebührenzahler zu tragen hat.

Andererseits wäre ich mir nicht sicher, ob Babys wirklich gutes Deutsch anerzogen werden soll, wenn man sich die typische Namensgebung ansieht: Neulich hörte ich, dass jemand seinen Jungen "Nuno" nannte. Ich fragte mich ganz ehrlich, was das wieder für ein erfundenes Konstrukt ist - mitnichten, das geht auf einen portugiesischen Rufnamen zurück, ist aber wieder so ein Lallname, den schon ein Zweijähriger rausbringt - und das zeigt auf, was den Deutschen fehlt, womit man wieder bei Eckhardt, Engelbert, Fürchtegott und Heribald wäre, aber auch bei Issi, Anna-Lena und Melanie, du erinnerst dich bestimmt ... aber man wäre auch wieder bei dem Thema, dass es schnellschnellschnell gehen muss und selbst das zu langsam ist; man ist ja cool und dynamisch und modern - obwohl man de facto nur schnippisch und frech ist und alle Vernünftigen das auch so sehen und es ablehnen, während man sich wundert, warum die Leute so abweisend reagiere, obwohl man doch so cool und dynamisch ist und turboschnell noch zu lahm ist. Das müsste denen ja eigentlich imponieren: Herr, dein Wille geschehe - aber es geschieht nicht!

Link zur Tagesschau in einfacher Sprache:

Dort lese ich Folgendes und möchte zitieren...

"Viele Menschen finden Lernen nämlich schwer. Viele Menschen sprechen nicht so viel Deutsch ... die neue Sendung ist für alle."

...und komme bei diesem Satzgefüge auch auf den Gedanken, dass das wieder mit politischer Korrektheit zu tun hat und der Idee, dass Deutschland die Welt retten muss, bunt und modern ist und vor allem Randgruppen bevorzugt, dabei aber die breite Masse aus dem Blick verliert - weil man Angst hat, gebrandmarkt zu werden von irgendeinem wahrscheinlich Linksdenkenden bzw. Lifestyle-Linken (so nach dem Motto ... mit dem Sechsliter-Kompressor-Verbrenner SUV zu Alnatura; wir verstehen uns), der sich nicht entscheiden kann, ob er gegen alles oder doch dafür ist.

Für das selbsternannte Land der Dichter und Denker ist das eine Schande - ich habe neulich übrigens einen Essay zu dem Thema gefunden, den ich für eine Schülerzeitung schrieb, an der Maschine noch... der war gallig, aber er stieß nur auf Lob.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Erinnert ein wenig an die dystopische Komödie "Idiocracy".

Dass im Bildungssystem was nicht stimmt, sieht man auch an 50.000 Schülern, die jedes Jahr die Schule ohne Abschluss verlassen.

Und selbst viele, die einen Abschluss haben, werden von Handwerken und Ausbildern als nicht ausbildungsfähig bezeichnet, weil ihnen die elementarsten Grundkenntnisse fehlen. Mal ganz abgesehen von sozialen Fähigkeiten, bzw. Defiziten.


vanOoijen 
Beitragsersteller
 13.06.2024, 08:21

Danke dass Du mich an den Titel erinnerst. Der fiel mir nicht mehr ein, aber an diesen Film habe ich beim Erstellen der Frage auch gedacht aber mangels Titel keinen Trailer oder Szene gefunden.

Ja, der Film ist schon dystopisch-visionär. Die USA sind uns in einigen gesellschaftlichen Entwicklungen ja immer ein paar Jahre voraus.

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Nofear20  13.06.2024, 08:22
@vanOoijen
Die USA sind uns in einigen gesellschaftlichen Entwicklungen ja immer ein paar Jahre voraus.

Aber hoffentlich in dem Fall mal nicht.😉

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Ich finde es in Ordnung, niemanden aufgrund von Sprachverständnisproblemen auszugrenzen.

Solange "Nachrichten in einfacher Sprache" nicht "Nachrichten in 'normaler' Sprache" ersetzen, kann man das schon machen. Ähnlich wie es mit der Gebärdensprache bei der Tagesschau gehandhabt wird. Deswegen können denke ich immer noch nicht mehr Menschen die Gebärdensprache anwenden oder verstehen, aber die Zielgruppe hat einen tatsächlichen Nutzen davon, dass es in Gebärdensprache ausgestrahlt wird.

Allerdings birgt so etwas auch immer die Gefahr, erst recht "Gräben" zu ziehen, die Gesellschaft zu spalten, die Zielgruppen in "Blicker" und "Nichtblicker", in "Dumme" und "Schlaue" zu unterteilen.

Und: Die Natur der Vereinfachung birgt die Gefahr, dass es schnell mal "falsch" werden kann. Passt man nicht auf, kann gut Gemeintes problematisch werden.

Gibt man jegliche Infos nur in "einer" Sprache aus, wird zumindest sprachlich niemand diskriminiert. Alle sind dann gleich dumm und gleich schlau. Das finde ich besser. Wer im Einzelfall etwas nicht versteht, fragt nach. Macht ein Kind auch, das einen Begriff zum Beispiel noch nicht kennt. Ist richtig und wichtig. So funktioniert lernen. Das schützt vor Verdummung.

Ich würde neulich schräg angeschaut, wie ich mich mit einem nicht heimatlich Deutschsprechenden unterhielt. Ich redete, wie ich mit "Meinesgleichen" reden würde, also "wie mir der Schnabel gewachsen ist". Er antwortete in seinem "ich haben nicht verstanden"-Deutsch. Wir haben uns gegenseitig gut verstanden, bei Bedarf nachgefragt, wie es gemeint ist und alles war gut. Bis auf die erwähnten schrägen Blicke von links und rechts aus der Gesellschaft auf uns. Die "sagten": "Er nix verstehen, du mit ihm reden muss wie nix verstehen, verstehen?"

Der Geist braucht Nahrung, um zu gedeihen. Daraus wächst das, was wir "Kultur" nennen. Eine "Hochkultur" wird allgemein hin als eine bezeichnet, deren geistige Entwicklung ein gewisses "Hoch" erreicht hat. Damit liegt es an uns, was später in den Geschichtsbüchern über "unsere Kultur" zu lesen sein wird 😉

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

vanOoijen 
Beitragsersteller
 13.06.2024, 09:04

Das sehe ich ganz ähnlich.

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