Geht es jungen Menschen in der Pubertät heute besser als vor 20 Jahren?
19 Antworten
Vermutlich gleicht sich das in etwa aus und es kommt auch auf das Umfeld an - vor 20-25 Jahren war ich Jugendlicher und es war eine schöne Zeit, aber unsere Probleme hatten wir auch. Einerseits waren Jugendhaus, Tischtennis und Bolzplatz, Boccia und Fahrradfahren cool, andererseits ging es in den meisten Familien damals erdrückend schwer und spießig zu. Der Sexualkunde-Unterricht in Biologie war nur die Spitze des Eisbergs; der war Anfang der 2000er so verklemmt und peinlich, dass man sich eher drüber lustig gemacht hat als dass man es ernstnahm.
Was dazu kam: Wir waren irgendwie überall mehr oder weniger unerwünscht außer beim Pfarrer, der uns Asyl im Pfarrheim gab und das Jugendhaus mit uns einrichtete - und dafür auch angefeindet wurde. Alle anderen taten nur so, als würden sie uns verstehen, in Wahrheit wollten sie mit den Jugendlichen nix zu tun haben. Wir haben uns die Welt so schön gemacht, so schön es möglich war in einer tristen Vorstadt - wir hatten nicht viel und Möglichkeiten des Entrinnens gab es für mich frühestens, als ich den Führerschein und einen uralten Audi 100 hatte, aber wir haben immer das Bestmögliche draus gemacht, obwohl es mit uns kaum jemand gut gemeint hat. Eher haben sudetendeutsche Omas (die damals so 60-65 waren, wenn denn, aber sie hatten Ansichten wie Hundertjährige) böse Sprüche aus dem Fenster auf die Straße gebrüllt und uns als asozial beschimpft, wenn wir einfach so die Straße herab liefen oder haben sudetendeutsche Opas das Fenster ihres 190er-Mercedes oder BMW 520i runtergelassen und und uns beschimpft, wie wir rumlaufen würden und dass man die Hände aus der Hosentasche nehmen sollte und es unschicklich sei, wenn man eine Coladose in der Hand hat und überhaupt, wir würden ja nur "aggressive und englische und laute Musik" hören; kein Wunder, dass wir so blöd seien, wenn wir nur rumlaufen, Fahrrad fahren und Cola trinken.
Die ca. 55-jährigen Bürgermeister und Hauptsamtsleiter taten auch immer ach so nett und verständig in Sachen Jugendgemeinderat, wollten aber nur gut vor der Presse und der Landesregierung (Fördergelder!!) dastehen und haben uns sofort wieder getadelt, beschimpft und ausgelacht und für dumm verkauft und für unsere Kleidung und unsere Einstellung gerügt, so wie die Reporter weg waren. Erst recht, wenn man eventuell "Ossikind", "Russenbub" (90er-Nachwende) oder sonst wie "Ausländer" war und dann noch so ein bisschen emomäßig angehaucht und kein "doller strammer Fußballbursche mit einer dollen Frisur, so richtig wie ein Hitlerjunge, net" (dafür wurde mal ein Gleichaltriger ca. 2004 ernsthaft von einem Rentner gelobt, dass er sei ... das Zitat fand ich erschreckend 60 Jahre nach dem Krieg), war man Freiwild und wurde beleidigt und von Erwachsenen gedemütigt und keiner sagte was. Hätte man sich beklagt, hätte man rosenkranzartig nickend und säuselnd die Antwort bekommen, man sei "ja aber bestimmt auch wieder frech gewesen, net" und habe "aber bestimmt wieder net pariert, net".
Man wurde auf dem Postamt gepackt und weggezogen von Erwachsenen, die sich vordrängelten und keiner hat was gesagt; wenn irgendein Alter einem Fünfzehnjährigen auf die Backe gehauen hat, weil er das Gefühl hatte, man habe ihn "nicht freundlich genug gegrüßt" traute man sich nicht es zu sagen, weil der Papa daheim gleich wieder eine Ohrfeige gegeben und dabei gesagt hätte ... der hatte doch Recht, geh sofort zu ihm rüber und entschuldige dich und sei ja demütig und geduckt. Überhaupt: Vor 20 Jahren mussten Jugendliche geduckt und demütig sein, zumindest in meiner Heimat. Alles andere war unerwünscht. Es war grenzwertig. Uns wurde jegliches Selbstbewusstsein aberzogen - hat nicht bei jedem geklappt, manchmal aber schon und das teilweise mit tragischen Folgen, über die man an dieser Stelle nicht weiter ausführen muss.
Heute ist eine ganz andere Generation von Erwachsenen am Zug, die nicht ganz so ablehnend ist gegenüber der Jugend und sich NIE das trauen würde, was diese Leute mit uns damals taten - die Generation nach den "Boomern", die so um 1970-1990 geboren ist, zu der ich auch gehöre und die nach und nach in hohe öffentliche Ämter kommt, hat einen anderen Draht und wir haben es nicht vergessen, wie distanziert man uns gegenüber stand, deswegen wollen wir es anders machen und ich glaube, es gelingt uns auch. Ich gehe mit Jugendlichen wertschätzend um und merke, es kommt was zurück - die vertrauen mir.
Ich glaube nicht, dass Jugendliche und junge Erwachsene heute noch genauso rumgeschubbst und für dumm gehalten werden wie wir damals - selbst auf dem Land dürfte man inzwischen weiter sein als ca. 1999-2007.
Ansonsten kann ich das nicht beurteilen, aber ich kann mir vorstellen, dass der Druck heute viel höher ist. Bei uns gab es kaum Internet, erst so in der späten Oberstufe setzten sich Internet, ICQ, Partyfans, Kwick und so was alles durch - die Zeit war um 2000-2005 rum eine andere. Es musste außerdem nicht jeder Abitur haben und wir waren total unpolitisch - Politik war allenfalls was für unfreundliche, humorlose Streber, die Klavier spielten und mit denen keiner was zu tun haben wollte, was auf Gegenseitigkeit beruht hat.
Irgendwie habe ich den Eindruck, dass wir gefestigter waren, womöglich durch die Biederkeit unseres Umfelds, die geerdet hat und weil wir uns permanent behaupten mussten. Beispiel: Meine jüngste Cousine ist Jahrgang 2001 und ich merke inzwischen deutlich, dass sie zwar auf cool und reif und selbstbewusst und auf Jura-Studentin macht, dass da aber nicht viel dahinter ist und sie eigentlich noch erschreckend kindlich und kindisch ist, sie wurde aber auch immer in Watte gepackt. Ich stelle das bei vielen fest, die 20-25 sind, am ehesten aber bei denen, die selbst studieren und nicht für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen.
Definitiv nicht.
Social Media erschwert der Gen Z einiges. Die Statistiken zu mentaler Krankheit sind so hoch wie noch nie, KJPs sind überfüllt, Therapeuten, Psychologen und Psychiater ausgebucht.
Durch Social Media bekommt man als junge Person keine Pause von den schrecklichen Dingen, die in der Welt passieren. Damals hat man seine Neuigkeiten in der Schule und der Zeitung mitbekommen, mittlerweile wird man davon Non-Stop geflutet. Die Zukunft für diese Generation sieht hoffnungslos aus, viele Kriege brechen momentan aus, der Klimawandel zerstört unsere Lebensgrundlage, durch Populismus (hauptsächlich Rechtspopulismus) radikalisiert sich unsere Gesellschaft. Man wird von der Politik kaum noch gehört, da man ja kein Wähler ist. Man bekommt durchgehend mit, wie diese Welt mehr oder weniger in den Abgrund stürzt.
Was Social Media auch begünstigt ist Mobbing. Damals war das Mobbing größtenteils vorbei, wenn man nach Hause kam. Mittlerweile ist das nicht mehr gegeben, das eigene Zuhause ist kein Safe Space mehr, um vor dem Mobbing zu flüchten.
Der Leistungsdruck in der Schule ist extrem gestiegen. Die Bildung wird immer besser, dadurch aber auch die Forderungen immer höher. Mehr und mehr Schüler erhoffen sich eine Flucht von diesem Stress durch Drogen, seien diese legal (wie Alkohol), als auch illegal. Es wird Perfektion in allen Fächern verlangt, man soll ein Sprachtalent haben, gleichzeitig gut in Mathe, an Geografie interessiert und exzellent in wirtschaftlichen Fächern sein. Das sind Forderungen, die es auch schon damals gab, allerdings ist der Stoff mittlerweile um einiges schwerer, und der Direktvergleich wird durch Social Media wieder gepusht.
Ich denke nicht.
Vor 20 Jahren wurde man nicht 10 Stunden pro Tag mit dem ach so perfekten Leben ach so perfekter Menschen zugeballert, mit dem Ansporn es ihnen genau so nachzumachen weil man ja sonst keine Likes bekommt und ohne Likes ist man ja völlig wertlos.
Hier auf GF gibt's ständig Fragen wie "ich hatte mit 13 noch nie eine Beziehung, was läuft falsch?". Ja eigentlich nichts, jedenfalls hätte man vor 20 Jahren einfach hingenommen, dass in dem Alter halt die meisten noch keine Beziehung haben und man selbst da keine Ausnahme ist. Heutzutage leben die Kids auf Social Media, wo sie ganz viele angeblich glückliche Paare gezeigt bekommen und glauben, dies sei der Normalfall. Das ist das, was falsch läuft.
Gleichzeitig ständiger Krisenmodus. Klimawandel okay. Dann Corona, wo für viele Jugendliche das letzte Bisschen realen Soziallebens zusammenbrach. Dann ein großer Krieg in nicht allzu großer Entfernung, mit gefühlt immer aufgeheizterer Stimmung und immer schlimmer werdender Kompromisslosigkeit im Land wer denn schuld an der ganzen Misere sei.
Ich würde meinen, es ist ungefähr gleich geblieben. Der Wohlstand, das Gesund- und Sozialwesen sowie das Schulsystem haben sich in den letzten 20 Jahren kaum oder nur minimal verändert.
Maßgeblich verändert hat sich der technologische Fortschritt: 2004 gab es keine sozialen Medien, das Internet wurde großteils nur für E-Mails und zum Abrufen von Informationen verwendet. Der Durchschnittsbürger hatte eine Röhren-TV-Kiste im Wohnzimmer stehen, Filme wurden auf DVD gekauft, ausgeliehen, oder im analogen Free-TV angeschaut. Musik hat man im Freundeskreis ausgetauscht, indem man CD's brannte. Handy hatte zu dieser Zeit schon jeder Jugendliche, allerdings war es nicht so verbreitet wie heute, dass man sich ständig gegenseitig anruft oder Nachrichten hin und her schickt. Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob es 2004 schon Flatrate-Tarife gab und wie sehr die verbreitet waren, man musste also für jede Minute telefonieren und jede SMS extra bezahlen. Zum Zocken hat man sich eine Konsole gekauft oder einen Gaming-PC, die Spiele wurden ebenfalls gekauft, auf CD's oder später DVD's. Multiplayer-Spiele hat man gespielt, indem man seine Freunde besucht oder eingeladen hat. Onlinehandel gab es so gut wie gar nicht und das Angebot war da noch recht überschaubar. Wenn man etwas kaufte, ging man praktisch immer in den Einzelhandel. Essen hat man ab und zu telefonisch bestellt.
Generell war das Leben im Jahr 2004 schon sehr schnelllebig und nicht mehr so "gemütlich" wie in den 1990er-Jahren, allerdings finde ich, dass es sich bis heute noch einmal sehr beschleunigt hat. Das ist jedoch nur mein subjektiver Eindruck.
Das glaube ich nicht.
Alles ist immer reglementierter. Freiräume werden weniger. Man muss auf seine Sprache achten um nicht anzuecken.
Und um die Lockdowns während Corona, die die Jugendlichen am stärksten betroffen haben, beneide ich diese Generation am allerwenigsten.
Zudem müssen die sich heute Selbstzweifeln bezüglich ihrer Geschlechtsidentität stellen. Solche Fragen hat sich vor 20 Jahren kaum ein Jugendlicher gestellt.
Ich finde die Welt ist komplizierter, weniger locker und spaßfreier geworden. Ich wäre heute nicht gerne jung.
Man kann in NRW und Bayern nicht mal mehr an der Theke rauchen.
Auch Altersgrenzen für den Erwerb von Tabak und Alkohol wurden teilweise angehoben und auch tatsächlich eingehalten.
Mich hattest Du allerdings eher nach dem Unterschied zwischen heute und vor 30 Jahren fragen müssen.
Helikoptereltern und Elterntaxi zur Schule gab es damals nicht. Und mit 15 bekam ich Zigaretten in jedem Supermarkt, obwohl die ab 16 waren. Heute ab 18.
Als ich an Silvester vor ein paar Jahren nochmal in dem Kino mit angeschlossener Bar war, dass früher mein Stammladen war, legte ich zu fortgeschrittener Stunde um 4 Uhr Nachts, die Füße hoch auf einen Sessel.
Dann kam ein Jugendlicher und fragte, ob er diesen Sessel haben könnte.
Ich sagte ihm, dass 2m entfernt noch 30 solche Sessel stehen und er sich davon einen nehmen soll. Er antwortete: "Aber da ist ne Kordel." 😄😄😄
Weißt Du was uns damals eine lächerliche Absperrkordel interessiert hätte?
Dann kam ein Jugendlicher und fragte, ob er diesen Sessel haben könnte.
Ich sagte ihm, dass 2m entfernt noch 30 solche Sessel stehen und er sich davon einen nehmen soll. Er antwortete: "Aber da ist ne Kordel." 😄😄😄
Sehr wohlerzogener Junge!
Die Gruppe an halbstarken Jungs auf dem Bahnsteig letztens mit den Nikesocken in Badelatschen war auch sehr höflich: Man bat mit als erste in die Bahn einzusteigen.
Jaja, du hast einen ganz schlechten Einfluss! 🥸
Wirklich?
Gerade im Internet sind Jugendliche oft ziemlich unreguliert unterwegs.
Wenn man sich die Fragen auf GF ansieht, haben viele Jugendliche Liebesbeziehungen inklusive sexueller Erfahrungen, Hobbys, Erfahrungen mit Alkohol, Vapes, Zigaretten, Drogen, Partys usw.