Haben selbständige Philosophen andere Denkweisen als akademische Philosophen?

4 Antworten

Philosophie oder Philosoph sind keine geschützen Bezeichnungen - man kann alles möglich darunter verstehen und jeder kann sich Philosoph nennen.

Das akademische Philosophieren unterscheidet sich vom alltäglichen Philosophieren nicht prinzipiell durch die Fragen, sondern eher durch den Rahmen – in der Regel die Universität – und durch bestimmte Formen der Aus- und Abgrenzung philosophischer Tätigkeit. Es gelten verschiedene Übereinkünfte über die Formen des Argumentierens und der wissenschaftlichen Publikation sowie die zugelassene Fachterminologie.

Deshalb macht man ihr auch den Vorwurf, sie sitze im Elfenbeinturm und ist weit von den Menschen entfernt - was auch zum Großteil stimmt. Es fehlt in der akademischen Philosophie immer noch der Bezug zu den konkreten Problemen, Anliegen, Sorgen Hoffnungen und Nöten der Menschen, die sich auch durch die Philosophie Hilfestellung und Orientierung in ihrem Leben erhoffen - es spielt sich meist auf völlig abstrakter Ebene ab, mit zudem einer unverständlichen formalen Sprache.

Man hat sich aber in den letzten Jahren auch den Bürgern und konkreten Lebensfragen geöffnet; immer mehr Professoren halten für das breite Publikum Vorträge, treten in den Medien auf und verfassen auch für Laien verständliche Bücher.

Ein Philosophiestudium kann einen schon desillusionieren, weil man andere Vorstellungen hat, was dort vermittelt wird - alleine die formale Logik ist ein Grauen - (ähnlich wie bei einem Jurastudium, wo viele mit einem Gerechtigkeitsideal hingehen, und merken, daß es sich aber im Studium um formales Recht und nicht um idealisierte Gerechtigkeit handelt).

Viele kämpfen sich durchs Studium, wollen aber keine Tätigkeit an einer Hochschule und auch nicht akademisch publizieren - aber ein Philosophieabschluß kann dazu beitragen, wenn man sich als Philosoph publizistisch selbständig macht, eine höhere Glaubwürdigkeit und Seriosität zu gewinnen.

Beispielhaft für den Unterschied :

  • Man vergleiche Schopenhauer + Hegel

Dann erhält man einen kleinen Einblick in den Unterschied, zwischen typischer akademischer und lebensnaher Philosophie - insbesondere auch in der Sprachform

Schopenhauer: klar und verständlich sowie alltagsbezogen und empirisch erfahrbar

Hegel: Seine Schriften sind großteils für die Menschen völlig unverständlich und nicht lesbar und irgendein "Weltgeist" wird beschworen

Deshalb hat Schopenhauer Hegel, und allgemein auch die akademische Philosophie, "niedergemacht" wo es nur ging ---> "Leeres Geschwätz"...

Heute ist Hegel immer noch ein "Star" im Studium während Schopenhauer von einem Großteil der akademischen Philosophie immer noch schief angeschaut wird, und nur am Rande behandelt wird.


Tonis9706  04.12.2021, 23:17

Ist es DemSchopenhauer nicht sowieso viel lieber, außerhalb des großen Schauspiels zu stehen? Ein erfreulicher Kommentar. LG

DerSchopenhauer  05.12.2021, 07:41
@Tonis9706
viel lieber außerhalb des großen Schauspiels zu stehen

Das Gegenteil ist der Fall.

Schopenhauer litt einen Großteil seines Lebens erheblich darunter, daß seine (und aus seiner Sicht die einzig wahre) Philosophie keine Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit bekam - er hatte sein Hauptwerk "Die Welt als Wille und Vorstellung" schon mit ca. 26 Jahren weitgehend abgeschlossen - aber kaum einen interessierte es - er beschuldigte laufend seinen Verleger Brockhaus, ihn zu betrügen, weil er kaum Tantiemen bekam (er war aber auf das Geld nicht angewiesen, weil er selbst vermögend war: "Ich lebe für die Philosophie und nicht von ihr" --> im Gegensatz zu seinem Lieblingsfeind Hegel, der in Preußen angestellter Staatsphilosoph war).

Erst über die Industrielle Revolution in England und nach der Revolution von 1848 kam seine Philosophie ca. 35 jahre nach Erscheinen, als Re-Import wieder nach Deutschland - und da wurde er auf einmal populär und man pilgerte förmlich zum "Buddha von Frankfurt".

DerSchopenhauer  05.12.2021, 08:01
@DerSchopenhauer

Nachtrag:

  • Schopenhauer über Hegel:

Hegel, ein platter, geistloser, ekelhaft-widerlicher, unwissender Scharlatan, der, mit beispielloser Frechheit, Aberwitz und Unsinn zusammenschmierte, hat den Verderb einer ganzen gelehrten Generation zur Folge.

Jedoch die größte Frechheit im Auftischen baren Unsinns, im Zusammenschmieren sinnleerer, rasender Wortgeflechte, wie man sie bis dahin nur in Tollhäusern vernommen hatte, trat endlich im Hegel auf und wurde das Werkzeug der plumpesten allgemeinen Mystifikation, die je gewesen, mit einem Erfolg, welcher der Nachwelt fabelhaft erscheint und ein Denkmal Deutscher Niaserie [Einfältigkeit, Dummheit] bleiben wird.

DerSchopenhauer  05.12.2021, 09:33
@Tonis9706

Ein Beispiel - Neid gegenüber Hegels Erfolg

Da Schopenhauers Werk sich nicht verkaufen ließ, dachte er sich, seine Philiosphie über die Universität bekannt zu machen - also beschloß er, zu lehren und ging an dieselbe Uni in Berlin, an welcher auch Hegel lehrte.

Er setzte seine Vorlesungen bewußt zu denselben Zeiten an, wie Hegel - erst kamen einige wenige zu ihm - später nemand mehr - bei Hegel platzte der Hörsaal dauerhaft aus allen Nähten - das brachte ihn auf die Palme und er gab seinen Posten beleidigt wieder auf - dann ging es mit den wüsten Beschimpfungen gegenüber Hegel erst einmal richtig los...

Tonis9706  05.12.2021, 09:38
@DerSchopenhauer

Ohhh Gott. Ein wenig wie ein besoffener 4-Jähriger.

Den Teil, mit dem automatisch entstehendem Nihilismus, sobald man wahrlich überlegen ist, hat Schopenhauer wohl nicht so recht verstanden. Traurig. Auch wenn ich viele "Beleidigungen" gegen Hegels "teile."

LG

Hallo Trialos,

man könnte meinen, dass akkademische Philosoph*innen sich an klassischen Philosoph*innen und deren Lehrmeinungen anhängen. Aber wir sehen in der ganzen Geschichte, dass solche Lehrmeinungen und Ansichten auch immer wieder in Frage gestellt wurden.

Vielleicht sind es genau die Autodidakt*innen, die sich mit solcher Geschichte unvorbelastet neben Akkademiker*innen an Dinge heranwagen und damit zu eigenen Erkenntnissen und Modellen kommen.

Die philosophische Denkweise darf heute wissenschaftlich sein: Bilden von Modellen, wobei die Modelle in ihren Wirkungen qualitatitv beobachtbar sein dürfen, diese Wirkungen dann beschreiben. Diese Vorgehensweise kennt auch die Physik, bei der die Beobachtungen nicht nur qualitätiv sondern gerade quantitativ sind.

Mit vielen lieben Grüßen
EarthCitizen

Woher ich das weiß:Hobby

Neld112  04.12.2021, 16:33

Also akademische Philosophie gehen meistens davon aus das die Informationen größer ist desto größer sie dargestellt wird

EarthCitizen20  04.12.2021, 16:41
@Neld112

Das mag ich so nicht sagen. Doch habe ich schon einige philosophische Artikel gelesen, denen es eher wenig gelungen ist, alle Zusammenhänge in einem großen Umfeld darzustellen und auch plausibel zu machen. Da mag viele implizit geblieben sein.

Man kann in der Philosophie ähnlich wie in der Physik sagen: keep it simple: einfache plausible und auch abstrakte Modellbildung, die sich dann aber in den Ausprägungen umfangreich und durchaus komplex auswirken kann. Dabei dürfen Dinge, die im Moment nicht beschrieben oder erklärt werden können, gerne außen vor und noch "ungelöst" bleiben - ohne nach irgendeiner Lösung "mit Gewalt" suchen zu müssen.

Wenn Philosophen nur Freunde der Weisheit sind, dann ist jede Hausfrau z.B. beim Treppenhaus-Tratsch ein kleiner Philosoph. Ihre Weisheit hat sie von irgendwo her, z.B. von ihren Eltern, von anderen Hausfrauen oder aus dem Goldenen Blatt.

Die akademischen Philosophen hingegen gehen meist etwas systematischer, d.h. wissenschaftlicher vor. Was Hausfrauen und das Goldene Blatt so denken, interessiert die nicht mal peripher. LOL!

Selbstständige Philosophen wollen an der Grenze der Gesellschaft sein um intelligenter zu werden

und akademische Philosophen wollen meistens in der Mitte der Gesellschaft sein um die Informationen filtern zu können


UbuRoi  04.12.2021, 16:29

Akademische Philosophen wollen einen Lehrstuhl. David Brecht will Öffentlichkeit.