Hat die einseitige Berichterstattung über den israelischen Krieg gegen Gaza zur gesellschaftlichen Spaltung in Deutschland beigetragen?

Die Autorin und SPD-Politikerin Sawsan Chebli (Tochter von Palästinensern, die Zionisten aus Palästina vertrieben haben) hat in einem Interview erklärt, welche Konsequenzen die einseitige Berichterstattung in Deutschland hat (bitte kein Ad hominem):

„Ich war eine stolze Deutsche“
Die in Berlin aufgewachsene Autorin und SPD-Politikerin Sawsan Chebli ist palästinensischer Herkunft. Der Gaza-Krieg hat etwas in ihr zerbrochen.
wochentaz: Frau Chebli, wie geht es Ihnen angesichts des Kriegs in Gaza?
Sawsan Chebli: Es fühlt sich wie ein Albtraum an, da geht es mir wie Zehntausenden Palästinensern, Arabern und Muslimen. Wir wachen mit Bildern von toten und verstümmelten Kindern auf und gehen mit Bildern von toten und verstümmelten Kindern ins Bett. Und von der deutschen Öffentlichkeit erfahren wir kaum Empathie und Solidarität, sondern Ausgrenzung, Misstrauen und immer öfter puren Hass. Es tut auch weh zu sehen, dass so viele Menschen, die sonst laut sind, wenn es um Menschenrechte geht und darum, Grundrechte zu verteidigen, zu Gaza schweigen.
Wie verfolgen Sie die Entwicklungen in Gaza? Über soziale Medien?
Vor allem über US-amerikanische und britische Medien. Ich schaue auch, was die arabische Presse berichtet. Die deutschen Medien verfolge ich hauptsächlich, um die Debatte hier mitzubekommen.
Wie empfinden Sie die deutsche Debatte?
Ich denke mir oft: In welcher Parallelwelt leben wir in Deutschland eigentlich? Viele Nachrichten kommen hier schlicht nicht vor, vieles ist einseitig und verzerrt. Und natürlich verfolge ich auch soziale Medien. Viele Palästinenser aus Gaza, aber auch internationale Akteure mit großer Reichweite nutzen soziale Medien, um über die Lage in Gaza und in der Westbank zu berichten.
Liegen die unterschiedlichen Sichtweisen auf diesen Krieg auch daran, dass man in unterschiedlichen me­dialen Welten lebt?
Man muss schon sehr bewusst die Augen vor der Realität verschließen, um nicht zu sehen, dass das, was in Gaza und in der Westbank passiert, Verbrechen sind. Wer sehen will, der sieht das. Wer nicht sehen will, sieht nichts.
Sie kommentieren relativ viel auf Social Media. Hat der Hass im Netz seit dem 7. Oktober zugenommen?
Mit Sexismus und antimuslimischem Rassismus war ich vorher schon jeden Tag konfrontiert. Seit dem 7. Oktober hat der Hass auf Palästinenser aber eine völlig neue Dimension angenommen. In den Hassmails wird explizit meine palästinensische Identität adressiert. Mir wird Gewalt angedroht – dass man mit mir das Gleiche machen wolle, was das israelische Militär mit den Menschen in Gaza macht, und vieles mehr. Das gab es in dieser Brutalität vorher nicht.
Wollen Sie in Deutschland bleiben?
Es gibt in der Tat viele Menschen, die sich diese Frage stellen und mit dem Gedanken spielen, das Land zu verlassen. Auch ich stelle mir diese Frage. Zumindest habe ich noch nie so stark an meinem Deutschsein, an meiner Heimat und an der Frage, ob mich dieses Land will, gezweifelt wie jetzt. Mein Deutschsein hat schon durch Sarrazin, die NSU-Affäre, die Islam-Debatten und den Anschlag von Hanau immer wieder Schrammen bekommen. Inzwischen ist aus einer Schürfwunde eine tiefere Verletzung geworden.
Auf der Straße sieht man zugleich so viele Palästinensertücher wie nie.
Da, wo Menschen das Gefühl haben, etwas unterdrücken zu müssen, entsteht das Gegenteil – da entsteht Widerstand gegen empfundenes Unrecht. Es hat eine starke Renationalisierung stattgefunden. Ein Vater hat mir gesagt, dass seine Kinder, deren Mutter Deutsche ist, vorher nichts mit Palästina am Hut hatten. Jetzt tragen die Kinder das palästinensische Tuch, hören palästinensische Musik, befassen sich mit palästinensischer Dichtung und wollen mehr über ihre palästinensischen Wurzeln und das Land ihrer Eltern und Großeltern wissen.
Ist das bei Ihnen auch so?
Nein, weil ich diese Verbindung schon immer hatte. Was leider aber auch stimmt, ist, dass ich mich noch nie so einsam, so verdächtigt und unerwünscht gefühlt habe. Es ist mir noch nie so schwergefallen, mich als Deutsche zu fühlen.

https://taz.de/Sawsan-Chebli-ueber-den-Gaza-Krieg/!6017664/

Dieses Interview hat mich dazu gebracht, die Frage zu stellen, ob die Einseitigkeit in Deutschland, die nicht zu leugnen ist (zumindest was das Theme Nahostkonflikt angeht, selbst wenn man Deutschland mit anderen europäischen Ländern oder sogar mit den USA vergleicht), zu einer gesellschaftlichen Spaltung un Deutschland führt.

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