Ambulanz mit Blaulicht an roter Ampel?

9 Antworten

Von Experte PolNRW93 bestätigt

Das Recht, bei Rot über die Ampel zu fahren, ergibt sich nicht aus dem eingeschalteten Blaulicht, sondern aus § 35 StVO:

(1) Von den Vorschriften dieser Verordnung sind die Bundeswehr, die Bundespolizei, die Feuerwehr, der Katastrophenschutz, die Polizei und der Zolldienst befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.
(5a) Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.

Andere Verkehrsteilnehmer können nicht erkennen, ob ein Fahrzeug gerade diese Sonderrechte in Anspruch nimmt. Daher sollte man in der Regel davon ausgehen, dass es einen guten Grund hat, wenn Einsatzfahrzeuge gegen Verkehrsregeln verstoßen.

Dass andere Verkehrsteilnehmer warten müssen bzw. Platz schaffen müssen, um einem Einsatzfahrzeug das Weiterfahren zu ermöglichen, ergibt sich aus § 38 StVO und gilt nur, wenn Blaulicht und Einsatzhorn zusammen verwendet werden:

(1) Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn darf nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten.
Es ordnet an: "Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen"

Blaues Blinktlicht allein ordnet also nicht an, Platz zu schaffen. Aber oft macht es trotzdem Sinn, das zu tun. Denn Einsatzfahrzeuge haben manchmal einen guten Grund auf das Einsatzhorn zu verzichten, z.B. bei Annäherung an einen Einsatzort oder schlicht um die Nachtruhe möglichst nicht zu stören. Wenn ich erkenne, dass ein Rettungswagen nur mit Blaulicht über eine Rote Ampel fährt, würde ich trotzdem warten, auch wenn das Gesetz es nicht fordert.

Blaues Blinktlicht allein dient ansonsten folgenden, ebenfalls in § 38 StVO genannten Zwecken:

(2) Blaues Blinklicht allein darf nur von den damit ausgerüsteten Fahrzeugen und nur zur Warnung an Unfall- oder sonstigen Einsatzstellen, bei Einsatzfahrten oder bei der Begleitung von Fahrzeugen oder von geschlossenen Verbänden verwendet werden.

PolNRW93  12.08.2024, 23:38

eine sehr ausführliche und zudem hundert prozent richtige Antwort. Sowas liest man in Bezug auf dieses Thema selten. Vielen Dank! 🙏🏼

Die Ambulanz darf nicht "einfach" durchfahren, sondern muss besonders stark darauf achtgeben, ob das gefahrlos möglich ist, sie also bemerkt wurde, die anderen PKWs also ihre Wartepflicht einhalten, und darf dann mit angemessener Geschwindigkeit auch bei Rot über die Kreuzung.


HobbyTfz  13.08.2024, 08:24

Genauso ist es

Die Ambulanz darf mit gegebener Vorsicht die Kreuzung bei Rot passieren, sie müssen halt mit rechnen, dass jemand der grün hat, nicht anhält.

Alle anderen müssen eigentlich anhalten und die Ambulanz vorbeilassen. Falls man nicht zur Seite fahren kann und sonst keine Möglichkeit gegeben ist, die Ambulanz passieren zu lassen, darf man auch mit entsprechender Vorsicht bei Rot die Kreuzung passieren um anschließend Platz zu machen.


HobbyTfz  13.08.2024, 08:25

Genauso ist es

Comp4ny  12.08.2024, 19:26
Alle anderen müssen eigentlich anhalten und die Ambulanz vorbeilassen. 

ALLE müssen den Weg frei machen, wenn §35 UND §38 StVO benutzt werden.
Nutzt man nur § 35 StVO, muss niemand freie Bahn schaffen.

Ein Rettungswagen, der mit Blaulicht fährt, nimmt offensichtlich Sonderrechte in Anspruch. Diese erlauben es ihm, unter gebührender Vorsicht, rote Ampeln zu überfahren.

Die Verpflichtung, freie Bahn zu schaffen, umgangssprachlich auch "Wegerechte" genannt, besteht in Deutschland nur, sofern auch das Einsatzhorn ("Tatütata") eingeschaltet ist. Aber ja, wenn sich ein Fahrzeug mit Blaulicht und Horn nähert, müssen alle anderen Verkehrsteilnehmer freie Bahn schaffen. Heißt auch, dass ab einer grünen Ampel notfalls gewartet werden muss, wenn das nötig ist, um den Rettungswagen das schnelle Durchkommen zu ermöglichen.


HobbyTfz  13.08.2024, 08:26

Genauso ist es

Wenn jetzt eine Ambulanz mit Blaulicht durchfährt und an einer Ampel rot ist, kann die Ambulanz einfach durchfahren?

Nein.
Sonder- und Wegerechte hast du nur, wenn du Blaues Blinklicht UND Martinshorn in Verbindung benutzt.

Hier ist §35 und § 38 StVO zu benennen.


PolNRW93  12.08.2024, 23:55

Wegerechte hat man nur, wenn beides genutzt wird.

Sonderrechte sind bei der Polizei und der Feuerwehr personengebunden. Nicht fahrzeuggebunden.

Ich kann also z. B. als Polizist auch mit meinem Privatfahrzeug über rote Ampeln fahren. Ein Blaulicht brauche ich dafür nicht bzw. darf es sogar an meinem Auto auch gar nicht benutzen.

Ich kann dann nur nicht erwarten, dass andere Verkehrsteilnehmer für mich Platz schaffen. Das wäre dann das Wegerecht.

Comp4ny  13.08.2024, 00:15
@PolNRW93
Wegerechte hat man nur, wenn beides genutzt wird.

Korrekt. Habe ich auch geschrieben.

Ich kann also z. B. als Polizist auch mit meinem Privatfahrzeug über rote Ampeln fahren. Ein Blaulicht brauche ich dafür nicht bzw. darf es sogar an meinem Auto auch gar nicht benutzen.

Das geht aus § 35 StVO nicht hervor.

Ein Blaulicht brauche ich dafür nicht bzw. darf es sogar an meinem Auto auch gar nicht benutzen.

Korrekt.



PolNRW93  13.08.2024, 00:38
@Comp4ny
Habe ich auch geschrieben.

Du hast „Sonder- und Wegerechte“ geschrieben. Zwischen den beiden muss allerdings unterschieden werden. Sie sind an unterschiedliche rechtliche Vorgaben gebunden.

Das geht aus § 35 StVO nicht hervor.

Tatsächlich doch, und zwar durch die Bezeichnungen in Abs. 1 Satz 1. Hier ist, anders als z. B. in Abs. 5a („Fahrzeuge des Rettungssienstes) nicht von Fahrzeugen die Rede. Stattdessen heißt es: „die Bundeswehr, die Bundespolizei […]“.

Mit anderen Worten: Polizeibeamte, Zollbeamte etc. haben Sonderrechte aufgrund des Amtes, das sie innehaben. Nicht aufgrund irgendwelcher Fahrzeuge oder Signalanlagen.

Wie sollte es auch anders sein?

Sowohl Polizisten als auch Mitarbeiter der Feuerwehr müssen in gewissen Situationen in der Lage sein, unter Inanspruchnahme von Sonderrechten ihre Dienststelle oder einen Einsatzort aufzusuchen. Dies betrifft bei der Polizei insbesondere Mitglieder von Spezialeinheiten, die im Rahmen ihrer Rufbereitschaft von zuhause aus zu einem Einsatz gerufen werden. Genau so Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr.

Comp4ny  13.08.2024, 01:28
@PolNRW93
Du hast „Sonder- und Wegerechte“ geschrieben. Zwischen den beiden muss allerdings unterschieden werden. Sie sind an unterschiedliche rechtliche Vorgaben gebunden.

Auch das habe ich bereits geschrieben.

Genau so Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr.

Schwieriges Thema... eine Endlos Diskussion seit Jahren.
Es ist zwar richtig dass Mitglieder der FFW Sonderechte in Anspruch nehmen KÖNNEN, aber nicht immer dürfen aufgrund der hohen Gefahr der Eigen- und Fremdgefährdung.

Ausschlaggebend ist der Einsatzbefehl der eine "dringende Eile" hervorhebt.

Die Fahrt zu einem TH, DZF, BMA, AUSN als Beispiel zählen hier fast nie zu.
Es gibt effektiv vll. 1-2 "reale" Ausnahmefälle die erlaubt Sonderrechte in Anspruch nehmen zu können. Ein Recht auf freie Bahn hat kein FF`ler auf dem Weg zum Gerätehaus. Dafür fehlt immer die Grundvoraussetzung.

Mit anderen Worten: Polizeibeamte, Zollbeamte etc. haben Sonderrechte aufgrund des Amtes

Korrekt. Beamte sind immer im Dienst und erfüllen in den meisten Fällen hoheitliche Aufgaben die ggf. dringende Eile bedarf.

Die Polizei braucht auch nur einen "willen" Sonder- und Wegerechte in Anspruch nehmen zu können (wenn das Fahrzeug die Ausstattung dazu hat). Die macht bekanntlich was und wie sie will.

HobbyTfz  13.08.2024, 08:27

Auch mit Martinshorn darf ein Einsatzfahrzeug nicht durchfahren, es muss sich langsam in die Kreuzung vortasten und beobachten ob er vom Querverkehr erkannt wird

Comp4ny  13.08.2024, 22:03
@HobbyTfz

Das sollte selbstverständlich und logisch sein.
Niemand hat was anderes behauptet.