Meinung des Tages: Erneuter Prozess gegen Björn Höcke - fehlt der AfD ein kritischerer Umgang mit eigenen problematischen Politikern?

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke muss sich ein weiteres Mal wegen der Verwendung einer Nazi-Parole vor Gericht verantworten. Bereits im Mai wurde Höcke wegen der identischen Losung verurteilt. Fehlt der AfD ein kritischerer Umgang mit problematischen Personen in der eigenen Partei?

Schleppender Prozessauftakt

Der erneute Prozess gegen eines der wohl bekanntesten Gesichter der AfD am Landgericht Halle kommt derzeit nur schleppend in Gang. Die Strafverteidiger Björn Höckes stellten noch vor Verlesung der Anklageschrift mehrere Anträge, in denen sie die Zuständigkeit des Landgerichts anzweifelten. Weiterhin bezeichneten diese den Prozess hinsichtlich des öffentlichen Interesses als mediales "Trommelfeuer", das einen fairen und objektiven Prozess kaum noch möglich mache. Die beiden Verteidiger des 52-Jährigen plädierten dafür, das Verfahren einzustellen. Nach mehreren Unterbrechungen jedoch lehnte das Gericht die Forderung der Anwälte Höckes ab.

Das wird Björn Höcke vorgeworfen

Der Anklage zufolge soll Höcke im Dezember 2023 bei einem AfD-Stammtisch in Gera die Parole "Alles für Deutschland" angestimmt haben. Nachdem er die ersten beiden Worte ausgesprochen hat, soll er das Publikum mittels einer Handbewergung dazu animiert haben, die Parole zu vervollständigen.

Bei der Parole "Alles für Deutschland" handelt es sich um eine verbotene Losung der paramilitärischen Sturmabteilung (SA) der NSDAP. Rechtlich gesehen fällt die Losung unter Paragraf 86a des Strafgesetzbuchs (StGB). Dieser stellt das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen unter Strafe.

Vor wenigen Wochen erst wurde Höcke wegen dieser SA-Parole vom Landgericht Halle verurteilt, da er die Losung im Mai 2021 auf einer AfD-Wahlkampveranstaltung in Merseburg aussprach. Das Landgericht Halle verurteilte ihn zu einer Geldstrafe; da Höckes Verteidigung Revision einlegte, ist das frühere Urteil bislang nicht rechtskräftig.

Der ehemalige Geschichtslehrer allerdings gab im Mai vor Gericht an, die Losung nicht gekannt zu haben. Das Gericht hingegen sah den Sachverhalt anders und kam zu dem Schluss, dass der Politiker um die Bedeutung des Spruchs sehr wohl wisse und bewusst seine Grenzen austeste.

Reaktionen auf den Prozess

Sowohl in Interviews als auch vor Gericht gibt sich Höcke unschuldig. Er wisse, dass er verurteilt werden würde. Seiner Meinung nach fühle es sich für ihn jedoch nicht gerecht an. Mit Blick auf den Stammtisch sagte der AfD-Politiker, dass er nicht damit rechnen konnte, dass die fehlende Passage von den Anwesenden Gästen ausgesprochen werden würde. Weiterhin gibt sich Höcke hinsichtlich der Strafbarkeit der Parole, die "Allerweltsworte" beinhalte, mehr als überrascht.

Direkte Konsequenzen für seine Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl in Thüringen hatte das Mitte Mai gesprochene Urteil nicht. Im Falle einer Verurteilung im aktuellen Verfahren droht dem vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Politiker eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Seitens der AfD-Führung hält man sich mit zu klarer Kritik zum umstrittenen AfD-Spitzenpolitiker weiterhin bedeckt. AfD-Vorsitzende Alice Weidel erwähnte kürzlich lediglich in einem N-TV Interview, dass der gesamte Prozess "ein alberner Vorgang" sei und einzig dazu diene, den "Spitzenkandidaten [...] zu diskreditieren".

Jüngste Negativschlagzeilen wie z.B. die kritischen Spitzenkandidaten bei der Europawahl, die Niederlage gegen den Verfassungsschutz oder die Einstufung als rechtsextremer Verdachtsfall zumindest haben sich nicht negativ auf die Mitgliederzahlen ausgewirkt; im Gegenteil. Bei aktuell ca. 48.000 Mitgliedern rechnet die AfD-Spitze damit, schon recht bald ihr 50.000stes Parteimitglied beglückwünschen zu können.

Unsere Fragen an Euch:

  • Fehlt der AfD Eurer Meinung nach ein kritischerer Umgang mit problematischen Personen in der eigenen Partei?
  • Schaden Personen wie Höcke oder andere als rechtsextrem eingestufte Politiker der AfD auf lange Sicht?
  • Dient das öffentliche Interesse am Prozess am Ende dazu, die Grenzen des Sagbaren (Meinungsfreiheit vs. StGB) zu verschieben?
  • Sollte der Staat Personen mit klar antidemokratischen Positionen konsequenter bekämpfen und ggf. sogar von Wahlen ausschließen?
  • Wie erklärt Ihr Euch den Zusammenhang zwischen den zahlreichen Negativschlagzahlen sowie den immer weiter steigenden Mitgliederzahlen?

Wir freuen uns auf Eure Antworten.

Viele Grüße

Euer gutefrage Team

Quellen:

https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/hoecke-prozess-afd-ns-parole-halle-104.html

https://www.sueddeutsche.de/politik/rechtsextremismus-zweiter-prozess-wegen-nazi-parole-hoecke-beteuert-unschuld-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-240623-99-502734

https://www.sueddeutsche.de/politik/bjoern-hoecke-sa-parole-afd-prozess-halle-lux.PoBrfTv2KoR97pG7DBVnmo

https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-mitgliederzahl-100.html

https://www.n-tv.de/der_tag/Weidel-AfD-geht-gegen-albernes-Hoecke-Urteil-in-Berufung-article24945616.html

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Meinung des Tages: AfD im Bundestag beschäftigt mehr als 100 Rechtsextreme - wie bewertet Ihr die Recherche des BR und Faesers Appell?

Recherchen des Bayerischen Rundfunks ergaben, dass für die AfD-Bundestagsfraktion mehr als 100 Personen aus dem rechtsextremen Spektrum arbeiten. Dazu zählen beispielsweise Aktivisten, die aus dem Umfeld der "Identitären Bewegung" stammen, Vordenker aus der "Neuen Rechten" und auch mehrere Neonazis. Faeser plädiert deshalb für strengere Regeln im Bundestag.

Recherche des Bayerischen Rundfunks

Dem BR liegen interne Namenslisten des Bundestags vor. Das Rechercheteam konnte zudem die Mitarbeiterverzeichnisse der AfD-Fraktion einsehen. Mehr als 500 Leute wurden dadurch identifiziert, die derzeit für die AfD-Bundestagsfraktion oder die Abgeordneten arbeiten.
Unter diesen Mitarbeitern befinden sich Personen, die bereits namentlich in diversen Verfassungsschutzberichten erwähnt werden. Einige von ihnen haben zudem hohe Ränge in etwaigen beobachteten Organisationen. Ebenfalls sind Personen dabei, die im Zusammenhang mit den sogenannten "Reichsbürger"-Gruppierungen stehen. Auch gibt es der Recherche zufolge Verbindungen zur rechtsextremem Preppergruppe "Endkampf".
Mehr als 50 Prozent der AfD-Abgeordneten beschäftigen offenbar Personen, die in Verbindungen mit Organisationen stehen, welche der Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft.

Kaum Äußerungen zu den Enthüllungen von Seiten der AfD

Es gab mehrere Anfragen an die Fraktion, die Abgeordneten und auch deren Mitarbeiter. Stellungnahmen blieben überwiegend aus, einige Abgeordnete stellten die Unabhängigkeit von Verfassungsschutzämtern infrage.
Die Fraktion selbst erläuterte, dass aufgrund des Datenschutzes und der Wahrung der Persönlichkeitsrechte keine weiteren Angaben gemacht würden. Gleichzeitig wurde die Einstufung eines Verfassungsschutzes als eine "reine Maßnahme dieser jeweiligen Behörde" ohne automatische Folge von Rechtswirkungen, bezeichnet.

Nancy Faeser für strengere Regeln im Bundestag

Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat nach dem Bericht des BR für schärfere Regeln bei der Beschäftigung von Abgeordneten- und Fraktionsmitarbeitern plädieren. Ihrer Aussage zufolge müsse die wehrhafte Demokratie alle Mechanismen nutzen, um sich vor Feinden zu schützen.

In diesem Falle könne allerdings nur das Parlament selbst aktiv werden. Aufgrund der Gewaltenteilung habe die Regierung in solchen Fällen keine handhabe.

Faeser verwies zudem darauf, dass in Regierung und Behörden ausschließlich Personen beschäftigt werden dürfen, die "fest auf dem Boden des Grundgesetzes agieren". Es sei deshalb notwendig, etwaige Einbindungen der AfD in rechtsextremistische Netzwerke genaustens zu prüfen.

Fraktionsübergreifende Reaktionen und Appelle

Britta Haßelmann (Die Grüne), appellierte für ein Ende der Banalisierung und Verharmlosung der AfD. Es sei nötig, dass Innere des Parlaments zu schützen.

Auch Christian Dürr (FDP) fordert, dass öffentlich diskutiert wird, welche Personen die AfD mit Steuerzahlergeld finanziert.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) wurde von der Union zum Handeln aufgerufen. Thorsten Frei (CDU) forderte sie zu einer umgehenden Reaktion auf, sofern sich der Pressebericht bewahrheiten sollte.

Bas selbst schlägt neue gesetzliche Regelungen zum Schutz des Parlaments vor. Allerdings warnt sie im selben Zuge auch vor überstürzten Aktionen. Es solle vermieden werden, dass Extremisten im Bundestag ein und aus gehen, dafür müsse aber über weitere Regelungen nachgedacht werden.

Kritik am Bericht durch die AfD

Obwohl viele Stellungnahmen ausblieben, äußerte sich der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, eindeutig. Journalisten gegenüber erklärte er, dass an den Vorwürfen nichts dran sei. In Münster läuft derzeit eine Gerichtsverhandlung zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz. Für Baumann ist es kein Zufall, dass der Pressebericht an genau demselben Tag veröffentlicht wurde. Für ihn handelt es sich dabei um nebulöse Verdächtigungen. Zudem verwies er darauf, dass der Bundestag alle Mitarbeitenden von Abgeordneten überprüfen würde. Es bedarf eines Bundestagsausweises, um in Gebäuden des Bundestages zu arbeiten. Bevor dieser ausgestellt wird, wird eine Zuverlässigkeitsprüfung der Person durchgeführt, dafür werden Polizeidatenbanken genutzt. Bei begründeten Zweifeln wird der Antrag abgelehnt. Ebenso kann der Ausweis deshalb zu einem späteren Zeitpunkt eingezogen werden.

Unsere Fragen an Euch: Was denkt Ihr über die Recherche des BR? Sollten strengere Überprüfungen der Mitarbeiter gesetzlich geregelt werden? Sollte das Parlament selbst aktiv werden? Sollte genau offengelegt werden, wer mit Geldern des Steuerzahlers beschäftigt wird?

Wir freuen uns auf Eure Antworten!

Viele Grüße
Euer gutefrage Team

Quellen:

https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/reaktionen-rechtsextremisten-bundestag-100.html
https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/afd-bundestag-rechtsextreme-mitarbeiter-100.html
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/afd-bundestag-rechtsextreme-recherche-br-100.html

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Meinung des Tages: Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt: Der Verfassungsschutz hat die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft?

Fast zwei Monate dauerte die Verhandlung, in der es darum ging, ob die AfD tatsächlich als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden darf. Das Urteil ist eine Niederlage für die AfD, die mit der Berufungsklage gegen das Urteil der Vorinstanz somit gescheitert ist. Eine Revision ist nicht zugelassen.

Die Kategorien zur Einstufung

Es gibt drei Stufen zur Einordnung möglicher Fälle verfassungsfeindlicher Bestrebungen.

Die erste Stufe ist das Anlegen eines Prüffalls. Geprüft wird hier, ob es genügend Anhaltspunkte gibt, um eine Beobachtung durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt darf der Verfassungsschutz dann nur Informationen aus offen zugänglichen Quellen sammeln. Dazu gehören beispielsweise Zeitungsartikel, Internetauftritte oder auch Fernsehbeiträge.

Wenn aus diesem ersten Schritt die Erkenntnis gewonnen wird, dass es Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche Bestrebung gibt, wird der Fall hochgestuft zum „Verdachtsfall“. Die betreffende Gruppierung zählt nun als „Beobachtungsobjekt“.

Die letzte Stufe nennt sich „gesichert extremistische Bestrebung“. Der Verdacht ist zu diesem Zeitpunkt verfestigt, es gibt keinen Zweifel mehr, dass extremistische Bestrebungen vorliegen.

Folgen der Einstufungen

Durch eine Einstufung wird eine Gruppierung nicht verboten. Es handelt sich lediglich um eine Maßnahme des Verfassungsschutzes. Vereinsverbote kann nur das Bundesinnenministerium aussprechen.

Konkret bedeutet das in diesem Fall, dass das Gericht dem Verfassungsschutz Recht gegeben hat. Die Einstufung war zulässig und der Verfassungsschutz hat korrekt gehandelt. Es ist möglich, dass sie sich durch das Urteil bestärkt sehen, die AfD nun weiter hochzustufen. Schon vor einiger Zeit gab es einen Bericht darüber, dass der Verfassungsschutz an einem Gutachten zur Hochstufung des Status der AfD arbeiten könnte. Diese würde dann als „gesichert rechtsextrem“ kategorisiert werden.

Das Gericht hat bei der Entscheidung allerdings auch eine Einschränkung getätigt: Obwohl demokratiefeindliche Bestrebungen bei der AfD zu finden seien, so das Gericht, seien diese nicht so stark ausgeprägt, wie der Verfassungsschutz behauptet.

Wie die AfD nun vorgehen könnte

Wenig überraschend kündigte die Partei bereits an, diesen Rechtsstreit vor das nächst höhere Gericht zu bringen. AfD-Vize Peter Boehringer sah im Verfahren eine „ungenügende Sachverhaltsaufklärung“. Die AfD stellte nämlich während der Verhandlung zahlreiche Befangenheitsanträge gegen die Richter – diese wurden allesamt abgelehnt.

Obwohl eine Revision ausgeschlossen wurde, könnte die AfD nun gegen die Nichtzulassung eine Beschwerde innerhalb eines Monats einlegen. Die Beschwerde geht direkt an das OVG selbst, wenn dies die eigene Entscheidung allerdings nicht ändert, kann wiederum das Bundesverwaltungsgericht die Revision doch noch zulassen. Dazu müssen bestimmte Voraussetzungen existieren – würde eine Revision letztlich doch zugelassen werden, so würde dann das Bundesverwaltungsgericht wiederum das Urteil aus Münster prüfen.

Unsere Fragen an Euch:

  • Wie bewertet Ihr die Entscheidung des Gerichts?
  • Sollte die AfD weiter hochgestuft werden?
  • Denkt Ihr, dass die Partei mit einem weiteren Antrag gegen das Urteil Erfolg haben könnte?
  • Wie wird sich diese Entscheidung auf die Europawahl auswirken?
  • Geht die AfD zu unkritisch mit klar rechtsextremistischen Personen / Aussagen innerhalb der Partei um? Inwieweit verstärkt
  • Schwächt die Entscheidung Euer Vertrauen in den Rechtsstaat und seine Organe?

Wir freuen uns auf Eure Antworten!
Viele Grüße
Euer gutefrage Team

Quellen:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-ovg-verdachtsfall-100.html
https://www.tagesschau.de/inland/afd-verfassungsschutz-verdachtsfall-gerichtsurteil-100.html
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/afd-verfassungsschutz-oberverwaltungsgericht-urteil-100.html
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/afd-verfassungsschutz-gutachten-extremistisch-skepsis-100.html

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Ich finde die Entscheidung gut, da ... 66%
Ich finde die Entscheidung nicht gut, weil ... 28%
Ich habe eine andere Meinung und zwar ... 6%
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Meinung des Tages: Sollte der Anspruch auf Pflichtverteidigung ausgeweitet werden?

Immer wieder gibt es Angeklagte, die sich keinen Anwalt leisten können und unter anderem deshalb mit Gefängnisstrafen rechnen müssen.

Es ist keine Seltenheit, dass Angeklagte aus finanziellen Gründen auf anwaltlichen Beistand verzichten müssen und entsprechend auch häufig nicht in der Lage sind, auferlegte Geldstrafen zu begleichen. In solchen Fällen droht die Ersatzfreiheitsstrafe.

Auch besteht zuweilen nicht immer der Anspruch auf einen Pflichtverteidiger. Dieser besteht teils nur, wenn mit Strafen von mehr als einem Jahr Gefängnis gerechnet wird oder der Angeklagte etwaige Einschränkungen hat.

Armut ist in diesen Fällen der springende Punkt, denn viele der Angeklagten verschweigen ihre Armut aus Scham, etwa bei Fällen von Lebensmitteldiebstahl durch Rentner. Hier beginnt dann der Teufelskreis: Die Armut wird verschwiegen, es steht kein Anwalt bereit, der durch Argumentation und Verteidigung eine mildere Strafe bewirken könnte und die Angeklagten werden zu teils hohen Tagessätzen verurteilt, die sie sich nicht leisten können, da die tatsächliche finanzielle Lage aus Scham nicht offengelegt wurde.

Inzwischen gibt es immer mehr Urteile ohne eine Verteidigung und ohne Verhandlung. Zugestellt werden diese Stafbefehle dann per Post. Sofern rechtzeitig auf anwaltliche Hilfe zurückgegriffen und Widerspruch eingelegt wird, werden diese Strafbefehle häufig korrigiert. Doch eben das können sich viele nicht leisten – und sobald die Zahlungsfrist überschritten ist, wird die Geld- in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt.

Doch auch hier gilt zu bedenken: Auch Haftplätze kosten Geld. Je nach Bundesland kostet ein Haftplatz bis zu 175 Euro pro Tag. Werden alle Ersatzfreiheitsstrafen summiert, so kosten diese die Steuerzahlenden jährlich 200 Millionen Euro.

Marco Buschmann spricht sich aufgrund dieser Situation dafür aus, dass die Pflichtverteidigung ausgeweitet werden soll.Unsere Frage an Euch: Findet ihr, dass die Pflichtverteidigung ausgeweitet werden sollte, sodass im Bestfall bei jedem Verfahren ein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht?

Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/justiz-gerechtigkeit-100.html

Rechtsanwalt, Deutschland, Politik, Anwalt, Gesetz, Gerichtsverhandlung, Jura, Justiz, Strafrecht, Meinung des Tages
Meinung des Tages: Wie bewertet Ihr Tools wie den "Wahl-O-Mat" und nutzt Ihr so etwas vielleicht sogar selbst?

Viele kennen ihn, irgendwo ploppt regelmäßig vor anstehenden Wahlen die orangene Seite auf. Der Wahl-O-Mat wird seit 2002 betrieben und zwar von der Bundeszentrale für politische Bildung. In Deutschland kann die Wahlentscheidungshilfe für anstehende Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen genutzt werden.

So funktioniert der Wahl-O-Mat

Nutzen wir als exemplarisches Beispiel die anstehenden Europawahlen. Der Wahl-O-Mat stellt dem Anwender 38 Fragen quer durch das politische Spektrum. Beantwortet werden können die Fragen mit „stimme zu“, „neutral“ und „stimme nicht zu“. Wer keine Meinung zum Thema hat, kann die These allerdings auch überspringen. Am Ende der 38 Fragen können die für den Nutzer besonders wichtigen Themen außerdem doppelt gewichtet werden. Anhand der Auswahl und der Gewichtung wird dann die eigene Stellungnahme mit denen der antretenden Parteien vergleichen. Ein Balkendiagramm zeigt dem Anwender dann, zu wie viel Prozent seine Auswahl mit welcher Partei übereinstimmt. Für mehr Transparenz ist die Berechnungsvorschrift übrigens auch öffentlich einsehbar.

Kritik am Wahl-O-Mat

Die Parteien können die verschiedenen Thesen, die im Durchlauf des Programms erscheinen, mit Selbstauskünften beantworten. Kritisiert wird entsprechend oft der Wahrheitsgehalt der von den Parteien gegebenen Antworten. Nicht selten kam es bereits vor, dass beispielsweise zu einem Thema „neutral“ angegeben wurde, obwohl die entsprechende Partei eine wesentlich konkretere Stellung zum Thema hatte. Dies könnte nachgelesen werden, wenn der Anwender sich das komplette Statement der Parteien dazu durchliest. Doch es stellt sich die Frage, welcher Nutzer dies bei 38 Fragen tatsächlich macht.

Kritisiert wurde in der Vergangenheit auch von einigen Parteien, dass Abfragen nicht übereinstimmen würden mit den Wahlprogrammen und auch schlichtweg nicht so einfach zu beantworten seien, wie es beim Wahl-O-Mat vorgegeben ist.

Weiter stand die Wahlentscheidungshilfe vor einigen Jahren in der Kritik, da anfangs nur größere Parteien berücksichtigt wurden. Per Eilentscheidung wurde dies allerdings im Jahr 2008 vom Verwaltungsgericht München untersagt.

Auch, dass bis vor einigen Jahren nur acht Parteien verglichen werden konnte, wurde mehrfach als negativ dargestellt. Darunter würden Kleinparteien leiden, da die wenigsten Nutzer mehrere Durchläufe tätigen würden, um alle Parteien zu vergleichen und sich deren Statements durchzulesen. Die Partei Volt klagte im Zuge der Europawahl 2019 gegen die Bundeszentrale für politische Bildung wegen Missachtung der Chancengleichheit. Die Entscheidung des Gerichts fiel positiv für die klagende Partei aus. Noch im Mai wurde daraufhin das Angebot des Wahl-O-Mats zur Europawahl abgeschaltet.

Die Betreiber der Wahlentscheidungshilfe gaben zwar erst an, dass ein Vergleich mit mehr als acht Parteien technisch nicht möglich sei, einen Tag nach der Urteilsverkündung veröffentlichte allerdings „DIE PARTEI“ den „Partei-O-Mat“ , eine Kopie des „Wahl-O-Mat“, bei dem die Beschränkung auf die acht Parteien entfiel.

Die Bundeszentrale für politische Bildung sagte im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung zu, eine Möglichkeit einzubauen, sodass ab den Landtagswahlen im September 2019 alle Parteien miteinander verglichen werden können. Aufgrund dieser Einigung ging der „Wahl-O-Mat“ bereits am 23. Mai, also drei Tage nach der Abschaltung, wieder online.

Dieses Jahr dürfen bei der Europawahl auch Wähler ab dem Alter von 16 Jahren teilnehmen. Viele Jungwähler setzen auf Entscheidungshilfen wie den „Wahl-O-Mat“ oder auch alternative Angebote wie „DeinWal“, „Klimawahlcheck“ oder „Wahlkompass“.

Unsere Fragen an Euch:

  • Wie steht Ihr zu onlinebasierten Wahlentscheidungshilfen?
  • Setzt Ihr Vertrauen in Tools wie den „Wahl-O-Mat“?
  • Habt Ihr diesen bereits genutzt oder habt es vielleicht noch vor?
  • Wie informiert Ihr Euch über die Stellungnahmen der Parteien zu den für Euch relevanten Themen?
  • Welche Gefahren seht Ihr in der Nutzung solcher Anwendungen? 

Wir freuen uns auf Eure Antworten!

Viele Grüße
Euer gutefrage Team

Quellen:

https://www.bpb.de/themen/wahl-o-mat/177432/die-wirkung-des-wahl-o-mat/
https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlomat-bundestagswahl-alternativen-1.5404896
https://www.heise.de/news/Wahl-O-Mat-macht-Politiker-nervoes-130421.html
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/cdu-und-wahl-o-mat-du-sollst-nicht-flunkern-a-650321.html

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Ich finde Tools wie den "Wahl-O-Mat" gut, weil ... 65%
Ich halte von Anwendungen wie dem "Wahl-O-Mat" nichts, denn ... 21%
Ich habe eine andere Meinung dazu und zwar ... 15%
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Bleibt die gesamte AfD ein rechtsextremer Verdachtsfall?

Wenn wir uns lieb verhalten hätten, wären wir jetzt schon verurteilt", sagte der AfD-Vertreter in dem Prozess, Roman Reusch, vor Journalisten.

Worum geht es?

In Münster geht heute das Verfahren darum weiter, ob die AfD als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft werden könnte. Die Partei versucht, die Abläufe zu verschleppen - womöglich bis nach der Europawahl. 

Die AfD wehrt sich in drei Fällen gegen Einstufungen des Bundesamtes für Verfassungsschutzes. Neben der Einschätzung als rechtsextremer Verdachtsfall wird auch darüber verhandelt, ob die Nachwuchsorganisation "Junge Alternative" (JA) ein Verdachtsfall ist. Hinzu kommen die Bewertungen des inzwischen aufgelösten sogenannten "Flügel" um den thüringischen Landeschef Björn Höcke, der zum Schluss sogar als "gesicherte rechtsextreme Bestrebung" bewertet wurde.

Dass die AfD auf Zeit spielt, hängt auch mit der Europawahl zusammen - man versucht, eine mögliche Entscheidung bis nach der Abstimmung im Juni hinauszuzögern. In der Partei wird befürchtet, dass eine mögliche Bestätigung als Verdachtsfall im Westen Stimmen kosten könne.

Die Taktik der AfD bestand in dem angelaufenen Berufungsverfahren in einer gewissen Verschleppung der Abläufe. So kündigten ihre Anwälte zunächst über 200 neue Beweisanträge an, inzwischen ist die Zahl laut Gericht auf 457 angewachsen. Außerdem gab es mehrere Befangenheitsanträge gegen die Richter des Senats - allesamt wurden diese als "rechtsmissbräuchlich" abgelehnt.

Denen im Osten ist es dagegen egal, was der Verfassungsschutz macht", sagt ein hochrangiger Funktionär eines westdeutschen Landesverbandes dagegen mit Blick auf die im Herbst stattfindenden Landtagswahlen im Osten. Im Gegensatz zur Europawahl befürchtet man im Osten keine Konsequenzen aus der Beobachtung der Partei.

Quellen:

https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-verdachtsfall-berufung-100.html

https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/afd-verfassungsschutz-200.html

  • Wie wird das Gericht in Münster entscheiden?
  • Findet Ihr es gut, dass die AfD als Bundespartei seit 2022 als rechtsextremer Verdachtsfall gilt und somit mit geheimdienstlichen Methoden vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf?
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AfD soll weiterhin als rechtsextremer Verdachtsfall gelten. 71%
Richter sollen der Berufung der AfD stattgeben. 29%
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