Hallo Stefannnnnnn,
Licht beaucht nicht zu "wissen", was Stillstand ist.
Sein Ausbreitungstempo c ergibt sich automatisch aus den Naturkonstanten der Elektrodynamik, ähnlich wie sich das Ausbreitungstempo von Schallwellen in einem Medium, automatisch aus der Steifigkeit dieses Mediums und, natürlich, aus dem Bewegungszustand dieses Mediums ergibt.
Man kann aber auch umgekehrt sagen, dass sich die Konstanten aus c ergeben und sich c selbst aus der Geometrie der Raumzeit ergibt. Was auch immer keine Masse bzw. Ruheenergie (im Grunde dasselbe, nur ggf. in anderen Maßeinheiten) besitzt, bewegt sich durch die Raumzeit auf sogenannten Nullgeodäten, d.h. entlang von Geodätischen Linien¹), entlang derer der raumzeitliche Abstand zwischen zwei Punkten gleich 0 ist.
Etwas Physikgeschichte
Für die Ausbreitung des Lichts gab es seit dem 17. Jahrhundert zwei konkurrierende Hypothesen:
- Licht besteht aus Korpuskeln, die sich mit c relativ zur Lichtquelle bewegen.
- Licht besteht aus Wellen, die sich in einer Supersubstanz namens Äther ausbreiten und sich relativ zu diesem mit c ausbreiten.
Im 19. Jahrhundert schien diese Debatte endgültig zugunsten der Ätherhypothese entschieden zu sein.
Etwa Mitte des Jahrhundert identifizierte MAXWELL Licht als elektromagnetische Wellen.
Allerdings schien sich dies nicht zu vertragen mit einem alten Prinzip der Klassischen Mechanik, nämlich GALILEIs Relativitätsprinzip (RP):
Wenn wir einen Körper B als ruhend betrachten und sich ein zweiter, B', mit konstanter 1D-Geschwindigkeit (in x-Richtung eines von B aus definierten raumzeitlichen Koordinatensystems Σ) v = βc bewegt, kann man ebensogut sagen, dass B' ruhe und sich B mit −v (gleiches Tempo, entgegengesetzte Richtung) bewegt, da die grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) in einem von B' aus definierten Koordinatensystem Σ' dieselbe Form haben wie in Σ.
In der NEWTONschen Mechanik (NM) wird zwischen Σ und Σ' mit der GALILEI- Transformation umgerechnet, die man als raumzeitliche Scherung bezeichnen kann. Sie lässt aber die elektromagnetische Wellengleichung und damit insgesamt die MAXWELLsche Elektrodynamik nicht invariant (unverändert). Dies könnte bedeuten, dass
- das RP nur näherungsweise im Grenzfall v<<c gilt und man, wenn man nur schnell genug ist, seine eigene Bewegung relativ zum Äther nachweisen könnte, indem man die Lichtgeschwindigkeit in verschiedene Richtungen miteinander vergleicht, oder
- die GALILEI- Transformationen stimmen nur näherungsweise für den Grenzfall v<<c und muss im Allgemeinen modifiziert werden.
In den 1880er Jahren haben MICHELSON und MORLEY versucht, die Bewegung der Erde interferometrisch nachzuweisen; immerhin wusste man schon, dass sich die Erde mit immerhin 10⁻⁴c relativ zum Sonnensystem bewegt. Allerdings konnten sie nicht die erwartete Abweichung vom RP feststellen.
Daraufhin entwickelten in den folgenden Jahrzehnten LORENTZ und Andere neue Transformationen, die tatsächlich die Lichtgeschwindigkeit invariant lassen. An der Ätherhypothese hielten sie dennoch fest, nur dass der Äther Uhren derart verlangsame (Zeitdilatation) und Maßstäbe in Bewegungsrichtung derart stauche (Längenkontraktion), dass auch ein relativ zum Äther bewegter Beobachter bei der Messung der Lichtgeschwindigkeit in jede Richtung auf c kommt.
Die LORENTZ- Transformation ist eine Art Drehung in der Raumzeit. Eine räumliche Drehung lässt das räumliche Abstandsquadrat
(1) Δs² := Δx² + Δy² + Δz² ≡ Δx°² + Δy°² + Δz°²
zwischen zwei Punkten im Raum mit den Koordinatendifferenzen Δx, Δy und Δz in Σ und den Koordinatendifferenzen Δx°, Δy° und Δz° in einem räumliche gegenüber Σ gedrehten Koordinatensystem Σ° invariant.
Eine LORENTZ- Transformation lässt das raumzeitliche Abstandsquadrat
(2.1) Δτ² = Δt² − Δs²⁄c² ≡ Δt'² − Δs²⁄c²
bzw.
(2.2) Δς² = Δs² − c²Δt² ≡ Δs'² − c²Δt'²
invariant. Dabei ist Δs wie in (1) und Δs' entsprechend definiert.
Abb. 1: Ein Vergleich zwischen räumlicher Drehung und LORENTZ- Transformation bzw einer räumlichen Ebene und einer raumzeitlichen Ebene.
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¹) Geodätische Linien sind die geradesten möglichen Linien innerhalb einer Fläche oder einer Verallgemeinerung davon, einer Mannigfaltigkeit. Geodätische in einer Kugelfläche sind Großkreise wie z.B. der Äquator oder die Längenkreise.