Wieso ist die 5% Hürde so wichtig?

RedPanther  23.08.2024, 19:28

Wie lange dauert es in der Schweiz, bis sich eine feste, handlungsfähige Koalition mit Stimmenmehrheit im Nationalrat gebildet hat?

Waterfight 
Beitragsersteller
 23.08.2024, 19:48

Am besten passiert das gar nicht und jede Fraktion entscheidet frei und noch besser jeder Abgeordnete entscheidet frei über den Antrag ohne Fraktionszwang

5 Antworten

Schlechte Erfahrungen während der Weimarer Republik.

Die Schweiz ist sowieso ein schlechter Vergleich, da das politische System vollkommen anders ist als in Deutschland.

(Siehe Antwort von Fontanefan).

Die Einführung der Fünf-Prozent-Hürde wurde in der Bundesrepublik Deutschland damit begründet, dass das Fehlen einer Sperrklausel in der Weimarer Republik die Zersplitterung gefördert habe.[13] Damals waren bis zu 17 Parteien im Reichstag vertreten.

Sperrklausel – Wikipedia

Auch die Schweiz kennt Sperrklauseln.

In der Schweiz gibt es bei Wahlen auf eidgenössischer Ebene (Nationalrat und Ständerat) keine Sperrklauseln. Allerdings kennen zehn der insgesamt 26 Schweizer Kantone Sperrklauseln in unterschiedlicher Höhe für die Wahl zum jeweiligen Kantonsparlament. Der Kanton Genf kennt eine Sieben-Prozent-Hürde, die Kantone Neuenburg und Graubünden eine Drei-Prozent-Hürde. Der Kanton Schwyz verwendet bei 100 zu vergebenden Mandaten eine Ein-Prozent-Hürde, es kann also nicht lediglich ein Restmandat erzielt werden. Genauso muss im Kanton Tessin bei 90 zu vergebenden Mandaten explizit mindestens 1/90 der Stimmen (Hare-Quote) erreicht werden.

Fast alle europäischen Staaten haben eine Sperrklausel.

Es gibt gute Gründe dafür.

Jede Partei bekommt staatliche Parteienfinanzierung ab 0,5% bei Bundestagswahl und 0,5% bei Europawahl. Zusätzlich dazu hat Partei auch Landesförderung, wenn man 1% Hürde im eigenen Bundesland schafft.

Das sind keine Unsummen, aber auch kein Kleingeld für eine Kleinpartei. So gesehen gibt es also Förderung, keine Diskrimination.

Da hat man aus der Geschichte gelernt:

Ziel der Hürde ist es, die Anzahl an im Parlament vertretenen Parteien möglichst übersichtlich zu halten. Dies verspricht stabile Mehrheiten und verhindert parlamentarisches Chaos. Das Fehlen einer solchen Beschränkung führte in der Weimarer Republik dazu, dass zeitweise 15 Parteien im Reichstag saßen (1928 und 1930). Eine dauerhaft funktionierende Regierung war unter diesen Umständen kaum möglich.

Die Schweiz hat für wesentliche Abstimmungen die Möglichkeit des Volksentscheids, und es gibt keine deutliche Trennung von Regierungsparteien und Opposition, da sind Splitterparteien, die in der Weimarer Republik Mehrheitsbildung erschwerten, unproblematischer.

"Die Schweiz ist damit eines der wenigen Länder der Welt, welches eine  Kollegialregierung kennt, in der alle Regierungsmitglieder gleichberechtigt sind und es keinen Regierungschef gibt. Die Stellung eines Mitglieds des Bundesrates ist deutlich stärker, als diejenige eines Ministers in den meisten anderen Ländern. Dies ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass die Mitglieder des Bundesrates zusammen für die gesamte Regierungsarbeit verantwortlich sind und nicht nur für ihr jeweiliges Ressort (Departement). Zum anderen sind die Bundesräte nicht von der Unterstützung eines Regierungschefs abhängig und können zudem während der Legislaturperiode nicht abgesetzt bzw. abgewählt werden.[6] Möglich, wenn auch sehr unüblich ist aber, dass ein Bundesrat bei der alle vier Jahre stattfindenden Gesamterneuerungswahl nicht wiedergewählt wird. Eine Nichtwiederwahl, welche umgangssprachlich zuweilen auch als «Abwahl» bezeichnet wird, kam seit Gründung des Bundesstaates im Jahr 1848 erst viermal vor (zuletzt 2007)." (Wikipedia)

Das sind ganz andere Verhältnisse.

Am besten passiert das gar nicht und jede Fraktion entscheidet frei

Eben. In der Schweiz gibt es keinerlei Notwendigkeit einer festen Koalition.

Wie du vielleicht auch schon gemerkt hast: Deutschland ist nicht die Schweiz ;)

Das System in Deutschland erfordert eine feste Mehrheit im Bundestag. Allein schon, um den Bundeskanzler wählen zu können und damit eine Regierung zu erhalten, ist eine Mehrheit im Bundestag notwendig. Und das lassen sich die unterstützenden Parteien natürlich damit vergelten, dass er ihnen die Umsetzung auch ihrer Anliegen verspricht. Damit das funktioniert, also damit die geplanten Gesetze auch in der Form beschlossen werden können und man kein Glücksspiel spielt ob sich eine Mehrheit findet oder nicht, muss der Bundeskanzler eben eine stabile Koalition hinter sich wissen, welche eine feste Mehrheit im Bundestag hat.

Dass für jede Gesetzesinitiative eine neue Mehrheit zusammengesucht wird, mal mit den Stimmen der einen und mal mit den Stimmen der anderen, passiert in Deutschland nicht. Wie soll der Bundeskanzler da seine Versprechungen gegenüber jenen Parteien einhalten, die ihn ins Amt gewählt haben?

So: Nun ist es teilweise schon schwierig, dass sich zwei Parteien auf ein gemeinsames Programm einigen, welches sie während ihrer Regierungszeit umsetzen wollen. Wir erleben in Deutschland gerade, dass es ziemlich schlecht funktioniert wenn man versucht, drei Parteien auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Wie soll es bitte gehen, wenn wir noch mehr Parteien im Bundestag haben, sodass alle Parteien deutlich kleiner sind und man vielleicht nichtmal mehr mit drei Parteien eine Mehrheit zusammen bekommt? Dass sich vier Parteien auf ein gemeinsames Programm einigen, wird unrealistisch sein.

Heißt: In dem Moment, in dem die Parteien so klein sind und mit so vielen anderen koalieren müssen, dass sich kein Bündnis zusammen findet, wird die Regierungsbildung quasi unmöglich und wenn nach ein paar Wahlgängen kein Bundeskanzler gewählt ist, muss der Bundestag neu gewählt werden.

Deshalb können wir es uns in Deutschland schlichtweg nicht leisten, dass zu viele Parteien im Bundestag sind.

Ein Lerneffekt aus der Weimarer Republik, in der genau das passiert ist: Zu viele Parteien, zu schwierige Koalitionsbildung, ständiges Auseinanderbrechen von Koalitionen die sich doch nicht so einig waren und daher ständige Neuwahlen.


Waterfight 
Beitragsersteller
 24.08.2024, 11:17

Okay ich gebe Dir Recht im deutschen System ist die 5% Hürde schon sinnvoll aber ich persönlich finde das Schweizer System besser.

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