Wieso hat Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg kein Gebiet an die Juden abgetreten?

7 Antworten

Von Experte stufix2000 bestätigt

Weil es zwischen der Gründung Israels und dem Holocaust zwar eine zeitliche Nähe, aber keinen kausalen Zusammenhang gab.

Den Zionismus, also die jüdische Nationalbewegung, gab es bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts, also einige Jahrzehnte vor dem Aufstieg des Faschismus in Europa. Wo dieser jüdische Staat entstehen sollte, war zwar nicht von Anfang an festgeschrieben.

Theodor Herzl, der so etwas wie der Gründervater des Zionismus war, erwog auch Konzepte, einen jüdischen Staat in Argentinien oder im heutigen Uganda bzw. Kenia (damals britische Kolonien) zu gründen, diese wurden aber bereits 1903 endgültig verworfen, da man die religiösen und kulturellen Verbindungen zu Palästina als zu wichtig und identitätsstiftend erachtete (die Minderheit der Territorialisten, die dieser Argumentation nicht folgte, sonderte sich daraufhin ab).

Zionisten stellten bis zum Zweiten Weltkrieg nur eine Minderheit unter den europäischen Juden (viele waren sogar dezidiert antizionistisch), etablierten sich aber in Palästina zur britischen Mandatszeit als politischer Faktor, sie organisierten jüdische Einwanderung und Landkauf und gründeten politische Institutionen und paramilitärische Verbände, die sich auf die Verwaltung eines eigenständigen Staats vorbereiteten.

Die meisten politischen und militärischen Führungsfiguren zur Zeit der israelischen Staatsgründung lebten schon seit Jahren und Jahrzehnten in Palästina, z.b. David Ben-Gurion (erster Ministerpräsident), Moshe Sharett (erster Außenminister und zweiter Ministerpräsident), Chaim Weizmann (erster Staatpräsident), Golda Meir (vierte Ministerpräsidentin), Yithzhak Ben-Zvi (zweiter Staatspräsident), Elizier Kaplan (erster Finanzminister) uvm. Holocaustüberlebende, die während oder kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nach Palästina und später Israel kamen, hatten hingegen eine vergleichsweise unbedeutende Rolle.

Großbritannien war die wichtigste Schutzmacht des Zionismus und hatte sich mit der Balfour-Deklaration 1917 bereits über 30 Jahre vor dem Holocaust der Errichtung eines jüdischen Staats in Palästina verpflichtet. Die Motivation Großbritanniens war auf gar keinen Fall das Verständnis für die Lage der Juden als diskriminierte Minderheit - ganz im Gegenteil. Lord Balfour, nach dem die Deklaration benannt ist, war selbst Antisemit und wies beispielsweise jüdische Flüchtlinge aus dem russischen Zarenreich an den britischen Grenzen ab. Den Zionismus sah er als Möglichkeit, die jüdische Auswanderung aus Großbritannien und Europa zu fördern.

Palästina hatte für die britische Kolonialmacht außerdem strategische Bedeutung, da es erstens einen Brückenkopf im nahen Osten darstellt, der bedeutsam war für die Kontrolle über die umliegenden, teilweise aufständischen und auf Unabhängigkeit sinnenden arabischen Nationen, und zweitens in Nachbarschaft zum Suezkanal liegt, der die Lebensader des britischen Kolonialismus darstellte, u.a. als kürzester Seeweg nach Indien.

Eine aus Europa stammende, den Briten zugeneigte Bevölkerung wurde deshalb als Sicherheitsgarant für britische Interessen in der Region angesehen, selbst wenn sie aus von der britischen Oberschicht verschmähten Juden bestand. Diese Erwartungen erfüllte Israel 1956, als es sich am britisch-französischen Suezkrieg gegen das kurz zuvor unabhängig gewordene Ägypten beteiligte, das zuvor den Suezkanal verstaatlicht und damit britische Interessen gefährdet hatte.

Dass Deutschland Teile seines Territoriums an die Juden oder irgendeine andere Opfergruppe abtreten sollte, wurde niemals ernsthaft in Erwägung gezogen. Nach dem zweiten Weltkrieg war den Westmächten die Bekämpfung des Kommunismus wichtiger als die Aufarbeitung der Naziverbrechen. Nazioffiziere wurden reihenweise in die neugegründete NATO einbezogen, und Westdeutschland wurde als Bollwerk gegen den Ostblock wirtschaftlich und militärisch aufgerüstet. Westdeutschland weiter aufzuteilen, hätte dessen Kapazitäten geschwächt und auch seine Beziehungen zu den Westalliierten belastet.

Dass die jüdischen Holocaustüberlebenden ohnehin größtenteils nicht mehr unter rehabilitierten Nazis und Nazikollaborateuren leben wollten und Europa in Richtung Palästina/Israel oder USA verließen, kommt noch obendrauf.


Na, die hätten sich bedankt, auf dem Gebiet eines Landes leben zu müssen, in dem sie gerade umgebracht wurden!

Würdest Du gerne in der Wohnung des Mörders Deines Vaters wohnen, selbst wenn es als Täter-Opfer-Ausgleich gemeint wäre? Ich glaube nicht.

Israel ist das ihnen verheißene Land.


PixelManuel  11.06.2024, 21:57
Würdest Du gerne in der Wohnung des Mörders Deines Vaters wohnen, selbst wenn es als Täter-Opfer-Ausgleich gemeint wäre? Ich glaube nicht.

Zumal der Mörder und dessen Angehörige noch in der Wohnung nebenan wohnen würden.

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Was sagt ihr? Wieso hat man damals nicht Deutschland dazu gezwungen, Gebiet für Israel abzugeben?

  1. Weil es Israel 1945 noch nicht gab
  2. Weil die Überlebenden das nicht so wollten
  3. Weil es mit der Balfour Deklaration bereits seit 1917 das Vorhaben eines jüdischen Staates in Palästina gab.

Deutschland ist extrem dicht besiedelt ein extrem dichtes Land, im vergleich dazu war Palästina vor 1900 ein extrem dünn bevölkertes Land ca. 200.000 Menschen, heute sind es glaub ich sogar über 15 Millionen. Damals war die Region extrem vernachlässigt gewesen und es gab nicht mal Bäume, weil sie alle abgeholzt wurden und das meiste war entweder Wüste oder mosquitoverseuchter Sumpf

Es geht ja nicht darum, dass der neue Staat der Juden dort steht, wo er vor tausend Jahren stand.

doch doch, das war den Juden wichtig

wenn es D getroffen hätte mit Gebietsverlust, dann wäre das Jahrzehnte vor meiner Geburt passiert und somit bereits Realität gewesen.


Kultgruende 
Beitragsersteller
 11.06.2024, 21:55

Und wenn wir mit unserem Wissen von heute auf die Situation gucken. Hat es sich deiner Meinung nach gelohnt? Hat es sich gelohnt, diesen Wunsch der Juden zu erfüllen? Oder hätte man lieber Deutschland zur Rechenschaft ziehen sollen deiner Meinung nach?

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Ranzino  11.06.2024, 22:00
@Kultgruende

oooh nein, hat sich nicht gelohnt. den Teilungsplan einseitig umzusetzen war jedenfalls strunzdämlich

bei der deutschen Lösung käme es drauf an, wo der Staat denn entstanden wäre.

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tanztrainer1  12.06.2024, 08:14
@Ranzino

Das war doch eher die Schuld derer, die den Teilungsplan ablehnten, und zwar, weil sie alles wollten.

Irgendwo eine Region in Deutschland hätte doch keinen Sinn gemacht. Es war doch immer gewünscht, wieder in der Region zu leben, in der man schon vor 2.000 Jahren lebte.

Außerdem gab es den ganzen Zeitraum über dort eine jüdische Minderheit. Zum Ende des Osmanischen Reiches wurden zusätzlich Juden eingeladen, in die Heimat der Vorfahren zurückzukehren.

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tanztrainer1  12.06.2024, 09:56
@Ranzino

Außerdem hätte es schon auf der Friedenskonverenz in Paris nach dem WK1 mit dem Faisal-Weizmann-Abkommen eine wahrscheinlich gut funktionierende Zwei-Staaten-Lösung geben können, die damals durch die Briten verbockt wurde. Dadurch trat dieses Abkommen leider nie in Kraft.

Spätestens seit dem Münchner Abkommen hätte man kapieren können, was Hitler wirklich vorhat, und dann die Appeasement-Politik abrupt beenden sollen.

Eventuell wäre es dann erst gar nicht zum Holocaust gekommen, oder höchstens zu einem wesentlich geringeren Ausmaß.

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Skywalker17  12.06.2024, 13:16
@Kultgruende

Liebe Kunigunde, es sollte dir bekannt sein, dass Deutschland nach den zweiten Weltkrieg hart bestraft wurde und wir ausserdem grosse Gebiete abgeben mussten.

Die Juden wollten bereits seit langem in ihr angestammtes Gebiet zurückkehren. aber es wurde ihnen immer verwehrt.

Im übrigen lebten in Palästina immer Juden es ist also nicht zwangsläufig das Gebiet der PAlästinenser, nur weil die da lebten. auch Juden lebten dort.

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