Erstmal ist es super, dass du dich mit Marx beschäftigen willst! Ein gutes Verständnis des Marxismus ist die Grundlage dafür, das aktuelle Weltgeschehen zu verstehen und eine politische Praxis zu finden, die auf die Überwindung von Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg und Umweltzerstörung zielt.
Das Kapital gilt zu Recht als Marx' Hauptwerk und enthält die geschichtliche Herleitung, Analyse und Kritik des Kapitalismus. Allerdings kann der trockene Stil und Umfang der drei Bände auch recht entmutigend sein. Meine Empfehlung wäre es, erstmal mit einer Zusammenfassung zu beginnen, z.B."Das Kapital" kompakt von Georg Fülberth (Fülberth, Georg: »Das Kapital« kompakt - PapyRossa Verlag | Shop). Alternativ kann man sich dem Kapital auch über frühere Texte von Marx nähern, in denen er seine Grundthesen leichter verständlich, aber eben auch weniger tiefgehend darstellt, z.B. in Lohn, Preis und Profit, das ursprünglich ein Vortrag vor Arbeitern war.
Die Lektüre von Marx sollte dabei kein Selbstzweck sein, sondern die Grundlage für eine politische Praxis, die die Welt verändert. Marx selbst hat nie eine Trennung zwischen Denken und Handeln gezogen. Hast du schon daran gedacht, dich für die Lektüre mit anderen zusammenzusetzen, z.B. in einem Lesekreis oder direkt in einer sozialistischen Gruppe? Gerade beim Einstieg in den Marxismus und bei Unsicherheiten hilft es enorm, gemeinsam zu lesen, Fragen zu stellen und sich gegenseitig zu unterstützen.
Und noch ein Hinweis: Von Marx stammen noch zahlreiche weitere Werke, die sich wirklich lohnen, darum gebe ich hier einen kurzen Überblick über die wichtigsten:
Das Kommunistische Manifest ist ein knapper Programmtext und eine der frühen Schriften von Marx, die aber ebenso bekannt ist wie das Kapital. Es taugt als Einführung, um sich einen Überblick und ersten Eindruck von Marx' Gedankenwelt zu verschaffen, aber wichtige Aspekte werden nur gestreift oder später von Marx selbst überarbeitet, und Teile des Textes beziehen sich auf die zeitgeschichtliche Literatur und politische Kämpfe und sind daher nicht aktuell. Eine gute Ergänzung zum Manifest sind die Grundsätze des Kommunismus von Friedrich Engels, in der die wichtigsten Begriffe und Thesen in einem Frage-Antwort-Schema erklärt werden.
Marx hat eben auch eine ganze Philosophie ausgearbeitet, den historischen Materialismus, und dieser liefert die Methoden, mit denen er seine Kapitalismuskritik erarbeitet hat. Diese Philosophie hat er vor allem in Auseinandersetzung mit seinen Zeitgenossen in Werken wie Die Deutsche Ideologie, Die heilige Familie, Thesen über Feuerbach und Das Elend der Philosophie erarbeitet. Wenn man, wie die meisten Leute heutzutage, die Personen nicht kennt, über die sich Marx hier auslässt, ist die Lektüre recht müßig. Stattdessen kann man als ideales Einstiegswerk Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft von Friedrich Engels lesen oder insbesondere das Vorwort von Zur Kritik der politischen Ökonomie von Marx, um zu verstehen, worum es beim historischen Materialismus geht.
Wie man den historischen Materialismus dann auf konkrete geschichtliche Ereignisse anwendet und daraus politische Forderungen und Möglichkeiten ableitet, hat Marx dann in seinem Achtzehnten Brumaire des Louis Napoleon gezeigt, wo er den Aufstieg von Napoleon III. in Frankreich untersucht. Ein weiterer wichtiger Beitrag zu zeitgenössischen politischen Ereignissen ist noch Der Bürgerkrieg in Frankreich, in dem er die Pariser Kommune von 1871 betrachtet, den ersten Versuch einer proletarischen Machtergreifung. Zuletzt ist noch die Kritik des Gothaer Programms zu nennen. Hier benennt er Fehler im Programm der Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, der auch viele erklärte Anhänger, aber eben auch Gegner von Marx angehören. Der Text ist hilfreich, um wirklich zu verstehen, wie sich der Marxismus von anderen Richtungen des Sozialismus abhebt.
Die meisten von mir genannten Texte findest du übrigens hier:
MIA - Deutsch: Karl Marx u. Friedrich Engels