Wann fing der erste mit dem Gendern an, und warum?

5 Antworten

"Meine Damen und Herren" gibt es, solange es die deutsche Sprache gibt. Aus Respekt hat man immer schon Frauen und Männer gemeinsam genannt. Auch wenn der Bundespräsident sprach, hieß es immer schon "Liebe Bürgerinnen und Bürger!" Es ist ein Zeichen des Respekts und der Inklusion, schließlich sind Frauen Teil der Menschheit und nicht irgendetwas außerhalb.


Claud18  01.11.2023, 15:25

Das waren sie immer schon, auch als sie noch Zuschauer, Einwohner, Bürger und Kunden waren. Damals hat man keinen Unterschied gemacht zwischen Männern und Frauen, heute schon.

Angeregt wurde es von Frau Luise Pusch in den 80er Jahren. Sie meinte, Deutsch sei eine "Männersprache", weil viele Berufsbezeichnungen den männlichen Artikel hatten. Das hat uns (und im Osten schon gar nicht) aber nicht gestört, wir waren dann eben weibliche Facharbeiter, Ingenieure, Experten usw. Und mit "Zuschauer, Einwohner, Bürger" usw. fühlten wir uns alle angesprochen.

Es waren die Feministinnen, die uns dann belehrten, wir müssten uns das -in anhängen, um uns von den Männern zu unterscheiden (was das bringen sollte, leuchtet mir nicht ein - vor allem, da Frauen lange Zeit und zum Teil auch heute noch weniger Fachkompetenz zugetraut wurde bzw. wird als Männern). Angeblich würde bei einem männlichen Artikel jeder nur an Männer denken. Und dann fing man mit dem Binnen-I an, das aus dem Westen dann auch in den Osten überschwappte. Irgendwann wurden Sternchen und Doppelpunkt eingeführt, was mich anfangs nicht weiter störte, weil nur wenige Publikationen diese anwendeten. Diese konnte ich getrost unter Ulk verbuchen. Seit es jedoch regelmäßig im ÖRR zu hören und in Tageszeitungen zu lesen ist, regt es mich zusehends auf. Ich brauche keine Spracherziehung zur Stottersprache, ich weiß auch ohne diese, dass es kompetente Frauen gibt.

Übrigens: Frau Pusch ist jetzt ebenfalls gegen das angehängte -in, da es Frauen zu Anhängseln der Männer macht.

Das, was du nennst, ist ja nicht die einzige Form des Genderns. Eine weitere Möglichkeit wäre "Bürgerinnen und Bürger". "BürgerInnen" geht zum Beispiel auch. Beide von mir genannten Formen gibt es schon ziemlich lange.

Der Mehrwert ist offensichtlich: Frauen möchten oft nicht einfach nur implizit "mit gemeint" werden, sondern explizit mitgenannt. Du solltet dich fragen, warum es dich nervt, dass Frauen (und nicht-binäre Menschen) auch genannt werden möchten.


Aemkeyz  15.07.2023, 00:37

..weil es vermutlich eine Minderheit ist. Die meisten Frauen hatten nie und haben kein Problem damit. Noch nie hat eine Schülerin sich zuvor beschwert, dass die Mehrzahl Schüler heißt. Gleiches gilt bei Ärzten, Lehrer usw. Weißt du warum es die Frauen noch nie gestört hat? Weil hinter diesen Begriffen noch niemals in der Geschichte Frauenunterdrückung zum Ausdruck kommen sollte. Keine Zeitschrift die über Krebs oder sonst was geschrieben hat und im Artikel das Wort "Ärzte" verwendet hat, hat insgeheim gegen Frauen schießen wollen! Das wissen Frauen und deshalb sehen sie auch kein Problem darin.

Aber jetzt wird einer Minderheit die Plattform geboten und es wird in den Medien wahnsinnig aufgebauscht, so dass viele Unternehmen und Menschen das lesen und als politisch korrekt gelten möchten, um nicht negativ aufzufallen. Denn keine Meinung oder Haltung ist inzwischen Feindesmeinung. Total absurd aber leider wahr.

LeWe23  15.07.2023, 07:49
@Aemkeyz

Woher weißt du das? Hastvdu alle Frauen befragt?

Aemkeyz  15.07.2023, 10:35
@LeWe23

Hättest du vorher nach Umfragen gegoogelt, hätte sich deine Frage erübrigt. Denkst du wirklich die Mehrheit der Frauen fühlt sich von der aktuellen Sprache vernachlässigt oder gar unterdrückt? Wir leben schon in der gleichen Welt oder?

latricolore, UserMod Light  15.07.2023, 14:34
@Aemkeyz
Die meisten Frauen hatten nie und haben kein Problem damit.

Ganz genau.

Und vor allem auch die älteren, die in den 60er und 70er Jahren für Frauenrechte gekämpft haben und wussten, was wichtig war/ist.

verreisterNutzer  15.07.2023, 19:23
@Aemkeyz

Ich möchte eine Anmerkung dazu machen, ich hoffe ausreichend neutral (ich bin keine Frau, ich selber gendere nicht), aber über das Anliegen des genderns habe ich mir schon gedanken gemacht. Aber deinem Text: 

Keine Zeitschrift die über Krebs oder sonst was geschrieben hat und im Artikel das Wort "Ärzte" verwendet hat, hat insgeheim gegen Frauen schießen wollen!

Das sind so Aussagen, die nicht belegbar sind. Es dürfte sogar falsch sein, wie meist wenn es um Begriffe geht wie "niemals" oder "immer" eben hier "keine" 

Aber angenommen deine Aussage ist absolut wahrhaftig,: Soweit ich das nachvollziehen kann, wird gendern jedoch damit begründet, dass Frauen dadurch, auch in Fachzeitschriften, mehr sichtbar sind. Es gibt sogar Untersuchungen dazu, dass mit der Wortwahl ein bestimmtes Image transportiert wird und menschen bei "Ärtze" eben hauptsächlich an männliche Ärzte denken als (auch) bei der Verwendung von "Ärztinnen".

Weißt du warum es die Frauen noch nie gestört hat? Weil hinter diesen Begriffen noch niemals in der Geschichte Frauenunterdrückung zum Ausdruck kommen sollte.

Auch wenn bisher "niemals... Frauenunterdrückung zum Ausdruck kommen sollte" und es bisher nie gestört hat, dann delegitimiert ein bisheriges Verhalten bereits ein künftiges? Was bisher nicht gestört hat, darf auch künftig nicht stören?

Du musst ja nicht gendern, du kannst auch dagegen sein, aber deine Argumentation erscheint mit eher nicht sachlich begründet.

LeWe23  16.07.2023, 09:13
@Aemkeyz

Auch Umfragen sagen nichts darüber aus, was alles Frauen auf der Welt möglicherweise denken.

Claud18  10.12.2023, 14:15
@LeWe23

Wenn es darum geht, dass alle einzeln genannt werden, muss man auch Schwarze, Asiaten, getrennt nach Männern und Frauen, Blinde, Taube, Gehbehinderte usw.einzeln berücksichtigen. Wo soll das enden? Ich fühle mich als Frau mit dem generischen ausreichend angesprochen und brauche keine Extrawurst. Im Gegenteil: Wenn ich zuerst Frau sein soll und erst danach Mensch, fühle ich mich ausgegrenzt.

LeWe23  10.12.2023, 15:50
@Claud18

Du kannst das so empfinden, da sist völlig in Ordnung. Andere Fraien legen aber eben Wer darauf, explizit angesprochen zu werden.

Mit alternativen Sprachformen experimentierten neue soziale Bewegungen rund um die Grünen ab den 1980er Jahren. Die erste mir bekannte war, dass in Worten wie "Bürgerinnen" das i in der Mitte gross geschrieben wurde: BürgerInnen.

Dabei ging es um Männer und Frauen. Dass es angeblich noch 70 andere Geschlechter geben soll und die auch berücksichtigt werden sollen, davon weiss ich erst seit weniger als 10 Jahren.

Seit der Regierung Schröder-Fischer, in der SPD und Grüne als traditionell "linke" Parteien eine sehr prokapitalistische Politik gegen die ganz kleinen Leute machen, was bis dato immer konservativ gewesen war, hat die politische Linke das Problem, dass sie nicht mehr so recht weiss, wofür sie eigentlich da ist. Denn man muss ja was anders machen als das andere politische Lager, um ein anderes zu sein.

Seit der Zeit eskalieren sie dieses Gendergedöns als Inhalt ihrer Selbstdefinition und eine angeblich gerechtere Sprachreform jagt die nächste, so dass keiner mehr mitkommen kann.


Claud18  10.12.2023, 14:17

Und die Sprachform allein schafft noch keine Gerechtigkeit...

Gott schuf den Menschen männlich weiblich. Seither wird in unterschiedlicher Weise gegendert, oft patriarchal geprägt mit männlicher Dominanz, dann mit Rücksicht auch auf Frauen, heute mit Rücksicht auf alle Menschen. Dass es manchmal auch Leute nervt, wenn plötzlich nicht-männliche Menschen respektiert werden, kann schon sein.


Machtnix53  15.07.2023, 20:45

Respektieren hat nichts mit der -innerei zu tun. Es gibt eine Form, die für alle gilt, und die jetzt als Maskulinum interpretiert wird. Da Frauen jeden Beruf und jede Funktion genauso gut oder schlecht ausführen können, gibt es keinen Grund, sprachlich nach Geschlecht zu unterscheiden.

Claud18  23.02.2024, 01:06
@Jolle2004

Ich habe mich als Frau jahrzehntelang durch das generische Maskulinum respektiert und gleichberechtigt gefühlt, aber durch das Gendern nicht mehr. Denn dadurch wird mir ständig aufs Butterbrot geschmiert, dass ich ja nur eine Frau und damit Mensch 2. Klasse bin. Die weibliche Form entstand in der historischen Sprachentwicklung erst später als die sogenannte männliche Form, für mich ein Zeichen, dass man Frauen in der männlichen Gesellschaft nicht haben wollte und ihnen daher ein -in anhängte. Einer Schweizerin, die sich im 19. Jahrhundert auf den Artikel der Verfassung "Alle Schweizer sind gleichberechtigt" berief und beruflich den Männern gleichgestellt werden wollte, wurde beschieden, das gelte nicht für sie, sie sei nur Schweizerin. Nachdem wir Frauen nun jahrzehntelang Bürger, Mieter, Kunden usw. sein durften wie die Männer, soll uns dieses Recht nun wieder genommen werden.

Andererseits: Unter Kolleg*innen kann ich mir beim besten Willen keine Männer vorstellen. Für mich sind das alles Frauen, und das Sternchen störendes Beiwerk.