"Mittlerweile habe ich ja gelernt, dass man schauen muss, was der Klient eigentlich möchte, und nicht was man selbst denkt was der Klient möchte."
Das ist Unsinn und Selbstbetrug. Woher hast du das? Das ist eine Variante von kapitalistischem Marketing. Aber keine Sozialarbeit. Ein Sozialarbeiter ist kein Verkäufer. Dieser Serviceauftrag wird ihm vom Kostenträger auch nicht erteilt.
Damit würde der Klient so unselbständig bleiben wie er ist. Und niemals einen Fortschritt machen.
Man sollte sich selbstkritisch klar machen, dass Sozialpädagogik Erziehung ist. Von erwachsenen Menschen. So sehr der Begriff auch nicht so schön ist. Das bedeutet Pädagogik, wörtlich: Kinderführung.
Das ist unausweichlich Konflikt. Frieden, Freude, Eierkuchen kann da nicht sein.
Wer dem Klienten immer alles nachträgt und ausbügelt, lässt ihn verantwortungslos bleiben. Sozialarbeit soll ja theoretisch keine Elternschaft auf Dauer sein, sondern den anderen auch erwachsen werden lassen.
Am ehrlichsten und fairsten ist, dass man dem anderen auch Verantwortung überträgt. Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen, heisst, dass man auch deren Konsequenzen trägt.
Cave: Konsequenzen sind aber keine Strafen. Wie Pädagogen das Wort immer wieder allzu gerne deuten, weil sie das Wort Strafe nicht so gerne mögen und es durch ein anderes verkleiden wollen. Eine Strafe ist ein Leiden, das man dem anderen selbst auferlegt.
Echte Konsequenzen sind immer die Folgen, die ihm aus der Umwelt von Dritten entstehen.
In diesem Sinne macht man besser klar, wo die Grenzen des eigenen Ertragens dieser Klientenentscheidungen liegen. Also bis zu welchem Grade man die wieder ausbügelt.
Denk einfach an den Rousseau und das Kind im Turm, das die Scheibe zerstört. Hast du bestimmt schon mal gelesen, nehme ich an.
Der gute Erzieher von Rousseau bestraft das Kind nicht. Er tut ihm nichts Schmerzhaftes dafür an. Aber er lässt es die Folgen seines Handelns tragen. Die aus der Natur kommen. Indem es dann in einem unbeheizbaren Zimmer frieren muss.
Mitgefühl und Verantwortungsbewusstsein des Erziehers bewirken, dass er das irgendwann abbricht. Er will nicht, dass das Kind ernstlich erkrankt oder gar erfriert. Er könnte dem Kind aber auch dann z.B. vorschlagen, dass es unter Anleitung selbst das Fenster repariert, so gut es das kann. Oder Handwerkern dabei zur Hand geht.
Es ist generell der Spagat zwischen nötiger Härte beim Sehen des Leidens des anderen. Das ihn selbstverantwortlich werden lässt.
Und dem Mitgefühl, das nötig ist, weil er die Fähigkeiten, dazu noch nicht hat.