Meinung des Tages: Sollten politische Ämter ausschließlich mit Fachkundigen besetzt werden?
In Deutschland werden wichtige politische Ämter auch ohne entsprechende Fachexpertise besetzt. Die Frage ist: Sollte eine fachliche Ausbildung / ein Studium zur Voraussetzung für ein politisches Amt werden?
"Fachfremde" Positionen in der Bundespolitik
Um ein fachspezifisches Ressort in der deutschen Politlandschaft besetzen zu können, wird i.d.R. kein Studium oder eine Ausbildung aus dem entsprechenden Bereich vorausgesetzt. Auch beim Blick auf Vita und Amt unserer aktuellen Bundesregierung wird deutlich, dass nicht jede Position zwingend mit einer Person mit deckungsgleichem fachlichen Hintergrund besetzt ist:
Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Studium der Literaturwissenschaft & Philosophie
Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung, Studium der Rechtswissenschaften
Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Diplom-Sozialpädagoge
Daneben gibt es derzeit andererseits einige Ämter (z.B. Bundesministerium des Auswärtigen, der Justiz, für Umwelt & Naturschutz oder Gesundheit), in denen jeweils Personen mit offenkundiger Fachkenntnis sitzen.
Ämterbesetzung nach Fachexpertise
Der Wunsch danach, ein wichtiges politisches Amt mit einer vermeintlich fachkundigen Person zu bekleiden, wurde nicht zuletzt bei den letzten beiden deutschen Verteidigungsministerinnen (Annegret Kramp-Karrenbauer, Politik- und Rechtswissenschaften & Christine Lambrecht, Rechtswissenschaften) laut. Selbstverständlich kann fachspezifisches (Vor-)Wissen aus den Bereichen (internationale) Politik, Jurisprudenz, Militär, Wirtschaft oder Umwelt bei der Bekleidung des jeweiligen Amtes durchaus Vorteile mit sich bringen, birgt in vielen Fällen allerdings auch das Problem der möglichen "Betriebsblindheit". Darüber hinaus gibt es in der facettenreichen politischen Landschaft des Landes schlichtweg auch Ämter, die hinsichtlich eines vorherigen Studiums kaum 1:1 besetzt werden können.
Unsere Fragen an Euch: Sollten politische Ämter ausschließlich mit fachkundigen Personen besetzt werden? Welche Vorteile bringt es, wenn ggf. "fachfremde" Personen ein Amt bekleiden? Sollte eine Mindestqualifikation (Studium / Abschluss) Voraussetzung sein oder wäre ein derart starres / undurchlässiges System eher problematisch?
Wir freuen uns auf Eure Antworten
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundeskabinett
337 Stimmen
88 Antworten
Es gibt da spekakuläre Fehlbesetzungen mit fachnahen Menschen, daher denke ich, man kann es nicht verallgemeinern. Die Person muss die Fähigkeit aufbringen, sich schnell einzuarbeiten. Alle Jobs aus dem Bereich kann man ja auch nicht können, d.h. Die Person muss in der Lage sein, Expert*innen zuzuhören und dann die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Nehmen wir z.B. einen Wissenschaftsminister, der eine Naturwissenschaft studiert hat. Der muss eventuell Verständnis aufbringen, wenn es in den Geisteswissenschaften und in den Sozialwissenschaften anders läuft. Dass ein Rezept was für den einen funktioniert, beim Anderen vielleicht falsch ist. So universell kann man gar nicht sein, dass Verständnis für Andere Welten keine Rolle spielt.
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Wenn derjenige auch tatsächlich die Arbeit machen muss, was z.B. auf Kommunalebene der Fall ist, dann ja - auf jeden Fall!
Auf Landes- und Bundesebene machen die Minister ja nicht die Facharbeit, sondern sie leiten das Ministerium und müssen nach innen und nach außen Forderungen, Gesetze und Regelungen umsetzen. Dazu braucht es keine Fachkenntnis.
Beispiele:
Im Bayerischen Innenministerium arbeiten über 600 Menschen, lauter Fachleute, die sicher gute Arbeit machen. Der bayerische Innenminister muss kein Fachmann sein, sondern nach außen vertreten, was ihm seine Mitarbeiter aufgeschrieben haben.
Unser Bundesverteidigungsminister hat 2.805 Mitarbeiter, die ihm zuarbeiten. Er muss nicht vom Fach sein, um sein Ministerium gut leiten zu können. Bei der Größe leitet er noch nicht mal, sondern hat seine Abteilungsleiter, die das für ihn machen. Er ist nur das Gesicht für das, was seine Fachleute ausgearbeitet haben. Er muss dieses Gesicht in die Kamera halten und es uns mit verständlichen Worten erklären. Und andersrum: was das Kabinett beschließt muss er in sein Ministerium bringen und denen dann erklären.
Die Politik ist ja gefährlicher als ein Haifischbecken. Die Akteure müssen einerseits bissig, andererseits aber auch ein gewisses Maß an Diplomatie (im Außenamt ein hohes Maß davon) mitbringen. Weiter ist ein gewisses Maß an Überheblichkeit, Selbstüberschätzung und die Ignoranz gegenüber anderen Meinungen erforderlich. Diese Zusammenstellung bringen Experten eher nicht mit. Sie sind, wenn sie aus der Wissenschaft kommen, teilweise auch noch selbstkritisch. Das passt natürlich absolut nicht. Im Grunde braucht es eine Doppelspitze. Ähnlich wie bei einer erfolgreichen Band, braucht es die Frontfrau/den Frontmann. Die alles verkaufen und vertreten und die im Haifischbecken die genügende Ausdauer haben. Zwingend ist aus meiner Sicht jedoch die gleichberechtigte Fachvertretung, welche auch entsprechend sachkundig die Fachbereiche des Ministeriums nutzen kann. Ansonsten kommt es zu Fehlbesetzungen/Karrierebesetzungen welche über viele Jahre hinaus nahezu irreparable Schäden anrichten …. Siehe aktueller Zustand der Bundeswehr oder des Innenministeriums….
das wäre doch besser, wenn Leute Politik machen, die selbstkritisch sind. Die ganzen Politiker, die an Selbstüberschätzung leiden, Ignorant und überheblich sind, sollten ausgetauscht werden. Diese Vollidioten machen eine gute Politik unmöglich. Momentan habe wir in Deutschland leider fast nur solche. Politiker sollten eigentlich Volksvertreter sein und keine Selbstdarsteller und Verbrecher, die sich an den Steuergeldern bereichern.
Sehr gut erklärt! 👍
Danke Dir dafür!
Genauso sehe ich es im Prinzip auch. Allerdings bin ich von einer "fachlich guten zweiten Reihe" hinter dem jeweiligen Minister im Ministerium ausgegangen.
PS:
Im Grunde beschreibst Du da gerade das Erfolgsrezept von Apple mit den Gründern Steve Jobs (Visionär + Verkäufer) und Steve Wozniak (technisch/fachlich exzellent).
Danke für die Rückmeldung…. Ja, ich bin auch sicher, dass da ein großer Expertenrat in den Ministerien existiert…. Und einer von denen sollte mit in die erste Reihe und auch nicht ständig gewechselt werden. Der eine so etwas wie eine CPS, ein Chief Politics Speaker… der kann ja auch Minister heißen, und der andere der CES, der Chief Expert Speaker. Wie man so etwas ohne Partei Proporz hin bekommt, weiß ich jedoch nicht. Wichtig aus meiner Sicht ist, dass die Schlüsselkompetenzen auf der Fachseite nicht mit jedem Regierungswechsel verloren gehen und der großen Parteilinie untergeordnet werden….
Dass jeder wichtige Teil des Staates inzwischen vor die Wand
gefahren wurde, lässt allerdings zwei Schlüsse zu:
- Es gibt diese fachlich gute zweiten Reihe nicht und/oder
- man hört nicht auf sie.
Ich sehe auch keinen Grund, warum die Politik das tun sollte.
Ich vermute, dass „Fehlbesetzungen“ zum Konzept einer Demokratie gehören. Positiv wird dargestellt, dass das „Volk“ vertreten ist.
Was nicht berichtet wird: Unwissende Politiker, die auch noch nach einigen Wahlperioden ausgetauscht werden, sind natürlich den Lobbyisten haushoch unterlegen. Lobbyisten machen das ein Berufsleben lang, also 40 - 45 Jahre.
„Wer das Sagen hat, ist nicht gewählt und wer gewählt ist, hat nichts zu sagen.“
Guten Abend.
Ich wollte zuerst mit JA stimmen. Habe mich dann aber umentschieden. Nur weil man ein guter Arzt ist heißt es noch lange nicht, daß man ein guter Bundesgesundheitsminister ist. Dafür braucht man nämlich viele Fähigkeiten. Man muß sich auch mit Wirtschaft, Finanzen, Jura usw auskennen. Natürlich kann das ein einziger Mensch nicht alleine. Dafür gibt es dann die Berater. Da wäre die nächste Sache, die er können muss. Nämlich ZUHÖREN.
Übrigens haben alle Busndesminister bereits viel Erfahrung in Politik und sind im Umgang mit Beratern und Mitarbeitern erfahren.
Mit freundlichen Grüßen.
Vielen Dank für diese sehr differenzierte Antwort zum Thema.