Nicht arbeiten?
Wieso kommt man in vielen europäischen Ländern so leicht davon einfach nicht zu arbeiten?
Das gibt doch den Leuten gar keine Motivation wenn sie das gleiche oder fast mehr bekommen fürs nix tun, und wenn nix tun belohnt wird.
Wenn das eine Leistungsgesellschaft sein soll, warum wird Leistung nicht belohnt?
7 Antworten
Ja, du hast durchaus Recht. Ich frage mich auch immer, warum man nicht endlich mal saftigere Erbschaftssteuern erheben kann.
Aber ich vermute, darum geht es in deiner Frage nicht.
Europa ist eine Region auf der Welt, die in den letzten Jahrhunderten sehr wohlhabend geworden ist. Es leistet sich vielerorts den Luxus sozialer Systeme. Diese sind darauf ausgelegt, den Menschen ein gewisses Minimum an Bedürfnissen zu erfüllen. Staaten können sich das dann leisten, wenn sie mehr Wertschöpfung betreiben als nötig wäre, um allen das gleiche Level an Bedürfnissen zu erfüllen. Dann nämlich kann der Staat mithilfe einer Sozialversicherung finanzielle Mittel zur Bedürfnisbefriedigung umverteilen. Ob ein Staat so etwas tun will oder nicht, hängt davon ab, was er für ein Menschenbild hat. Staaten aus dem 17. Jahrhundert etwa, vor der Formulierung der Menschenrechte, hatten es nicht nötig, soziale Sicherungssysteme zu unterhalten, weil Menschenleben unterschiedlich viel Wert waren und man es sich leistete, Menschen aus einer Schicht sterben zu lassen, während Menschen aus einer anderen Schicht prunkvolle Feste feierten. Mit der Formulierung der Menschenrechte hat sich das geändert, weil das alle Menschen auf eine gemeinsame moralische Ebene gestellt hat. Gesellschaften haben sich dazu verpflichtet, untereinander ein Minimum an Bedürfnisbefriedigung zu garantieren.
Wie hoch dieses Minimum ist, ist zu jeder Zeit, seit es soziale Systeme gibt, ein Politikum. Ich würde mich da an der Maslowschen Bedürfnishierarchie orientieren (nicht etwa, weil ich in letzter Konsequenz glaube, dass diese Abstufung richtig ist sondern einfach, weil es das einzige Modell ist, das ich als bescheidener Laie in diesem zusammenhang kenne). In diesem Modell heißt es, dass ein Mensch eine höhere Stufe der Bedürfnispyramide betritt, wenn "wichtigere" Bedürfnisse darunter vollständig erfüllt sind. Beispielsweise kann ich erst, wenn ich genug Nahrung, Kälteschutz und Schlaf finde, beginnen, diese Güter gegen äußere Einflüsse zu sichern und mir bspw. Waffen und Festungen bauen. Und erst, wenn das erfüllt ist, kann ich anfangen Kunst und Kultur zu schaffen und ausgelassen zu genießen, etc. Und ich denke, dass wir als menschenrechtliche Gesellschaft unseren Leistungswettbewerb immer nur auf einer Stufe dieser Bedürfnishierarchie austragen sollten. Wir sollten also beispielsweise das Bedürfnis der Sicherheit durch eine Armee und eine Polizei erfüllen, die für alle Mitglieder unser Gesellschaft zur Verfügung steht und sich einsetzt. Wir sollten die Bedürfnisse des Überlebens, Nahrung, Wärme und Schlaf allen Mitgliedern unserer Gesellschaft garantieren, indem wir ihnen etwas Geld geben, um sich täglich was zum Essen zu kaufen und ein beheiztes Dach über dem Kopf zu haben.
Zunächst einmal sollten wir uns also darüber einig sein, auf welcher Stufe wir uns denn als Gesellschaft befinden? Welche Stufe können wir jedem Mitglied unserer Gesellschaft garantieren? Das Überleben (Nahrung, Wärme, Schlaf)? Sicherheit? Sozialer Anschluss (Freundschaften, Vereine, ...)? Individualbedürfnisse (Prestige, wichtig sein, Macht, Unabhängigkeit)? Selbstverwirklichung? Für mich scheint es so, als könnten wir es uns in Europa durchaus leisten, Menschen neben dem Überleben und der Sicherheit auch einen gewissen sozialen Anschluss zu ermöglichen.
Das, worüber wir dann noch streiten, sind Detailfragen: Wie groß muss dieses besagte Dach über dem Kopf sein, dass man darin schlafen, sich waschen, kochen und essen kann? Wie viel Geld braucht man, um jeden Tag ausgewogen zu essen? Wie warm muss die Wohnung sein, dass man darin nicht erfriert? Wie viel Kleidung benötigt man, um auch außerhalb der Wohnung nicht zu erfrieren? Wie oft soll man mit Freunden einen Kaffee trinken gehen oder ins Theater gehen können? ...
Ob es dann aber wirklich "leicht" ist, nicht zu arbeiten? Uns werden einige Bedürfnisse erfüllt, aber die Leistung lockt mit der Erfüllung weiterer Bedürfnisse. Wenn ich mit Neoliberalen darüber spreche, höre ich oft das Argument, die Not solle die Menschen in die Arbeit treiben. Aber wie viel und welche Not ist zumutbar? Wollen wir Menschen in den Hunger treiben, um arbeiten zu gehen? Oder wollen wir Menschen das Versprechen machen, sich für ihre Arbeit Sportgeräte, Möbel, schicke Kleidung, ... leisten zu können? Dann ist es vielleicht leicht, nicht zu arbeiten, wenn man sonst nichts vom Leben will.
Wenn das eine Leistungsgesellschaft sein soll, warum wird Leistung nicht belohnt?
Da hast du recht.. inzwischen kann ich es nachvollziehen wenn Niedriglöhner das Bürgergeld beziehen. Anstelle die Arbeiter zu entlasten (z.B. Anhebung des Grundfreibetrags, damit diese nicht von ihren paar Kröten noch über 1000 € an den gierigen Staat abdrücken müssen), werden wohl bald die Sozialversicherungsbeiträge erhöht.
Widerlicher ist nur noch das künftige Vorhaben der Ampel-Parteien:
Das ist aber Geld, das der Regierung so eigentlich gar nicht zusteht. Schließlich sind das die Beiträge von Arbeitnehmer und Arbeitgeber für die Arbeitslosenversicherung – nicht zur Stopfung eines Finanzlochs der Ampel-Koalition .
Alternativ kann die Ampel-Regierung die Vermögenden stärker besteuern, nachdem SPD und Grüne (vornehmlich die Grünen), diese bei ihrer letzten Regierungsbeteiligung ganz schön entlastet hat.
[...] Die Differenz beim Spitzensteuersatz zwischen SPD-Wahlprogramm und Koalitionsvertrag ist auf die Grünen zurückzuführen, die sich für einen niedrigeren Spitzensteuersatz eingesetzt hatten [...] Eine Analyse des DIW kam zu dem Ergebnis, dass die Reform die Einkommensungleichheit in Deutschland verschärfte. In den Jahren 2001 bis 2005 kam es zwar im Rahmen der Reform zu massiven Steuersenkungen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, gleichzeitig wurden aber indirekte Steuern erhöht. Dadurch verschob sich massiv die Steuerbelastung von 1998 bis 2015 weg von reichen privaten Haushalten hin zu den armen Haushalten. Im Durchschnitt über alle Einkommensgruppen stieg von 1998 bis 2015 die Steuerbelastung um 0,1 %, speziell für die untersten 10 % der Einkommen um 5,4 %, für die obersten 10 % sank sie um 2,3 %, für das Top 1 % der Einkommen sank die Steuerbelastung um 4,8 %
https://de.wikipedia.org/wiki/Steuerreform_2000_in_Deutschland
Gruß, JB
Wenn du auf ALG2 oder BG anspielst, dann stimmt das auch nicht so ganz:
Leistungsminderungen bis maximal 30 Prozent
Und wenn jemand bereits genug Geld hat (Erbe, Vermögen, Lotto -was-weiß-ich) warum nicht :)
Wieso kommt man in vielen europäischen Ländern so leicht davon einfach nicht zu arbeiten?
Das wäre mir völlig neu.
Bitte bedenke jedoch, daß es Menschen gibt, die nicht oder nut wenig arbeiten müssen, da sie vermögend genug sind.
Jeder hat das Recht, sein Leben selbst zu gestalten. Die Zeiten, wo man zur Arbeit gezwungen wurde (Arbeitslager) die gehören ins Dritte Reich.
Naja der Bürger macht es ja mit. Die meisten Leute lassen sich einfach leicht ausnutzen.
Ja aber kann doh nicht sein das Arbeiten sich nicht lohnt.
Aber nicht auf anderer Leute Kosten.