Historiker-Kritik an SPD berechtigt?
In einem Brandbrief an den SPD-Parteivorstand haben mehrere Historiker um den Geschichtswissenschaftler Heinrich August Winkler die Positionierung der sozialdemokratischen Führung zum russischen Angriffskrieg scharf kritisiert. Die Äußerungen von Fraktion und Partei seien,,immer wieder willkürlich, erratisch und nicht selten faktisch falsch", heißt es in dem Brief.
Als besonders fatal wird die Äußerung von Fraktionschef Rolf Mützenich zum ,,Einfrieren" des Kriegs bezeichnet.Das würde faktisch eine Beendigung des Kriegs ,,zugunsten des Angreifers bedeuten", schrieben die fünf Professoren, die alle der SPD angehören.
Zudem fehle in der SPD ,,eine ehrliche Aufarbeitung der Fehler in der Russlandpolitik der letzten Jahrzehnte".Weder die Verstrickungen von SPD-Politikern mit Vertretern Russslands noch die fehlgeleitete Energiepolitik, die Deutschland in eine fatale Abhängigkeit von Moskau geführt habe, seien ernsthaft problematisiert worden.Vielmehr werde die Tradition der Außenpolitik im Sinne des SPD-Politikers Egon Bahr, der sich stets an Moskau orientierte ,,nach wie vor unkritisch und romantisierend als Markenzeichen der SPD hochgehalten".
Der Brief fällt zusammen mit der Ankündigung des SPD-Außenpolitikers Michael Roth, sich aus der Politik zurückzuziehen.Roth, ein überzeugter Untertützer der Ukraine, hatte von einer Entfremdung von Fraktion und Partei gesprochen.
aus ,,F.A.Z." 28.03.24 : ,,Historiker schreiben Brandbrief an die SPD "
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5 Antworten
die Kritik ist berechtigt. Wobei viele den Fehler machen und setzen die Sowjetunion der Nachkriegszeit mit dem heutigen Russland Putins gleich. Es gibt viele Beispiele für verlässliche Abstimmungen zwischen den beiden Supermächten trotz kaltem Krieg. Den damaligen Rationalismus kann ich heute bei Putin nicht erkennen. Der geht in seinem Größenwahn über Leichen und nach dem sein Ruf in der westlichen Welt nachhaltig ruiniert ist (Haftbefehl!) braucht er auch keine Rücksicht mehr zu nehmen.
Wenn heute immer noch der eine oder andere SPD-Politiker der alten Ostpolitik anhängt, dann ist das bodenlos naiv.
Grüß Dich lifefree
Ich glaube, das in erster Linie die nachlässige und mangelnde realistische Einschätzung Russlands im Zusammenhang mit der Außen,- und Wirtschaftspolitik zu Merkels Zeiten, die eigentliche gravierende Rolle spielt. Natürlich hätte da auch die SPD, was die Rolle Russlands angeht, schon zu ihrer Zeit in der Großen Koalition den Mund deutlicher aufmachen müssen. Aber als Juniorpartner will man ja nicht die Koalition und damit auch den eigenen Einfluss platzen lassen. Die Folgen wären nicht ausreichend überschaubar gewesen.
Die Zeit der Arbeiterklasse die die SPD groß machte, ist längst vorbei und den Zeitpunkt da inhaltlich abzuspringen und sich grundsätzlich im Wesentlichen neu zu orientieren, ist verpasst worden. Es reicht nicht mehr aus, das Herz links schlagen zu lassen, wie Oskar La Fontaine beim Austritt aus der SPD schlagzeilenbedeutsam formulierte. Im Übrigen gilt das auch für die anderen linksgerichteten Gruppierungen. Ich will damit nicht sagen, das die SPD putinfreundlich ist, aber es ist schwer für diese Partei, Reste alter Gesinnungstrukturen zu zerstören.
Ich bin der festen Überzeugung, das die Zerstörung alter politischer Wege nicht allein für diese Parteien gilt, sondern auch für die AfD, die sogar deutlich russlandfreundlich bzw. putinfreundlich auftritt.
Von allen Parteien, außer den Grünen die ja sowieso schon da sind wo es hingehen sollte, ist die SPD noch mit ihrem Potential zu einem begründeten Wandel, am Besten dran. Sie kann das schaffen. Aber sie muss es schnell tun und der Kanzler muss hier die Richtlinie vorgeben, also seine Richtlinienkompetenz stringend anwenden. Wenn er sich nicht verändert, dann wird es der Rest der Partei schwerer haben, ihm zu folgen.
Auch die CDU/CSU sollte einiges verinnerlichen. Sie ist zwar nicht putinfreundlich, aber behindert mit ihrer stockkonservativen Retroeinstellung das Vorankommen und hat nichts wirklich aufregend Neues vorzuschlagen. Ähnliches gilt auch für die FDP, die von alten Vorstellungen einer rein liberalen, sprich neoliberalen Wirtschaftspolitik die unzeitgemäß ist, lassen muss.
Wo aber wäre die Alternative? Der neue Weg für die Parteien?
Was wir brauchen ist eine strikt ganzheitlich ausgerichtete Politik.
Als ganzheitlich denkender Mensch bin ich dafür, das man konservativ sein sollte, um Progressivität möglich zu machen, denn es gilt auch das zu bewahren was sich im Leben bewährte. Und man ist progressiv, wenn man das wirklich Bewährte aufrechterhalten kann, was einen weiterbringt. Das ist immer wieder neu politisch und ethisch zu bewerten. Ich finde, das Eine ist ohne das Andere nicht denkbar. Wer das nicht verinnerlicht, hat dann kaum die Möglichkeit den dynamischen Prozess der Wandlung was Demokratie ausmacht, zu verinnerlichen. Es würde sonst Starrheit und Unbeweglichkeit bedeuten. Das aber wird dem Leben nicht gerecht.
Das wusste schon Heraklit mit seiner Flusslehre, ein antiker griechischer Philosoph. Er sagte:
Panta rhei (altgriechisch), was besagt:
„Alles fließt!"
Und das heißt, dass nichts bleibt wie es ist, es gibt nur ein ewiges Werden und Sichwandeln.
Und ich behaupte, nur das macht Leben aus und darauf müssen Politiker reagieren wenn sie unser Leben vernünftig gestalten und den Bürger mitnehmen und den Erfordernissen gerecht werden wollen. Nur durch Flexibilität, ohne das Leben in seiner Vielfalt zu verraten, kommen wir voran. Aber auch wir als Bürger müssen dies lernen und erkennen, denn auf diesem Weg müssen unangenehme Situationen bewältigt werden. Da aber liegt dennoch die Hoffnung auf bessere Zeiten, nirgendwo anders und dabei muss das Ziel klar formuliert, transparent gemacht und diese Hoffnung immer wieder neu formuliert werden.
Besonders letzteres brauchen wir wie die Luft zum Atmen! So sehe ich das!
Was den Brandbrief an den SPD-Parteivorstand mehrerer Historiker um den Geschichtswissenschaftler Heinrich August Winkler angeht, kann ich dem zustimmen. Aber die Kritik allein reicht meines Erachtens allein nicht aus. Das ist zu wenig! Ich vermisse da eine grundsätzlich zu fordernde Haltung, aus der heraus nicht nur das momentane Verhältnis zu Russland in diesem Krieg deutlicher realisiert wird, sondern die auch gleichzeitig die Grundlage bedeutet, die unser Leben wertemäßg in allen Bereichen unseres Lebens bestimmt.
Diese Haltung ist auf Europäische Union selbstverständlich auszudehnen.
Strichwort: wertebestimmte Außenpolitik.
Ich halte die für unverzichtbar, auch wenn sie nicht immer aus politischen Gründen durchsetzbar ist.
Alles hängt eben mit allem zusammen, das muss uns glasklar werden. Das ist Leben!
Herzlichen Gruß
Rüdiger
Mitglied bei Bündnis90/Die Grünen
Ich denke nicht, dass die Politik des Zugehens auf die Sowjetunion zur damaligen Zeit ein Fehler war. Das ist aber 50 Jahre her und lässt sich nicht auf die Gegenwart übertragen.
Viele Politiker, auch im rechten Spektrum, sind offensichtlich in einer Zeitschleife gefangen. Sie erkennen nicht, dass die Situation unter Putin eher der Stalin-Ära entspricht.
Ich sehe es ähnlich wie die Historiker. Die SPD hat, beispielsweise bezüglich von Frau Schwesig, ein klares Defizit bei der Bearbeitung der eigenen Russlandpolitik. Leute wie Mützenich halte ich für Ewiggestrige, die heute keine Verantwortung mehr tragen sollten.
Ehrlicherweise muss man sagen, ein "Einfrieren" des Krieges bei aktueller Front, wäre auch für die Ukraine nicht das Schlechteste. Nachschub organisieren, Truppen durchrotieren bzw. "Urlaub geben". Das hat nichts damit zu tun, Russland gewinnen zu lassen, sondern das ist die aktuelle Kriegslage, die auch damit zusammenhängt, dass die Äras Schröder und Merkel das gesamte Militär und die Rüstungsindustrie runtergewirtschaftet haben und so die milit. Versorgung der Ukraine einfach grottig läuft.
Zum Thema SPD - meiner Meinung nach muss ein echter SPDler spätestens mit Beginn der Ära Schröder mit der Partei fremdeln. Seitdem ist das keine Arbeiterpartei mehr, das ist eine reine Sozialismuspartei ähnlich der Linken.
Ein Historiker (leider weiß ich den Namen nicht mehr) hat vor zwei Wochen gesagt, dass es nach dem 2. Weltkrieg nur zwei Länder gab, wo der Krieg erfolgreich eingefroren wurde: Korea und Deutschland. In beiden Fällen ist das nur gelungen, weil der westliche Teil unter den Nuklearschirm der USA schlüpfen konnte. Dass es ohne nicht funktioniert, sieht man ja am Konflikt im Donbas.
Willst Du also ernsthaft, dass die Ukraine unter den Schutz der Atommächte in Europa und den USA gestellt wird, und dass die dort Atomwaffen aufstellen?
Ich habe meine Meinung zur Aussage von Mützenich abgegeben, nicht über die Chancen hierfür aktuell.
Langfristig will ich das tatsächlich, da es alternativlos ist. Ob man dort hierfür Atomwaffen stationieren muss? Eher nicht.
Durch Russlands Angriffskrieg ist die leider NATO alternativlos geworden, was Frieden in der Welt angeht. Man kann nur hoffen, dass die bzw. der Westen aus der Vergangenheit lernt und auf Augenhöhe mit anderen Ländern - so unterschiedlich sie sein mögen - umgeht.
Ja, durchaus:
Ich sehe in der SPD sogar eine politische Angleichung zur AfD, die besonders öffentlich mit Russland liebäugelt.
Aber Keiner sieht diese Gefahr oder nimmt sie ernst.
Sag lieber „bei der AFD!“ Die CDU ist nämlich schon viel weiter!