Der Verdächtige war Fahrer eines ge"carjackten" Fahrzeugs. Carjacking ist die Entwendung eines Fahrzeugs unter Androhung von (Waffen)Gewalt. Das wäre in Deutschland ein schwerer Raub nach §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1 lit a, Nr. 2 StGB (Beisichführen einer Waffe, Begehung als Bandenmitglied), jedenfalls aber ein Raub nach § 249 Abs. 1, oder eine räuberische Erpressung nach § 255, 249 Abs. 1 StGB. Egal was es nun war, auf jeden Fall war die Tat, deren der Fahrer des Fahrzeugs verdächtig war, ein Verbrechen (Mindeststrafe 1 Jahr Freiheitsstrafe).
In Deutschland gibt es klare Regeln dazu, wann die Schusswaffe gegen Personen eingesetzt werden darf. Für Vollzugsbeamte des Bundes (in erster Linie ist das die Bundespolizei) gibt es das Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG). Dort ist in § 10 geregelt, wann die Schusswaffe gegen eine Person eingesetzt werden darf. Einschlägig ist hier "(1) Schußwaffen dürfen gegen einzelne Personen nur gebraucht werden, [...] 2. um eine Person, die sich der Festnahme oder der Feststellung ihrer Person durch die Flucht zu entziehen versucht, anzuhalten, wenn sie [...] b. eines Verbrechens dringend verdächtig ist"
Für die Polizeikräfte der Länder gibt es Landespolizeigesetze, die inhaltlich im Wesentlichen mit § 10 UZwG identisch sind. Zum Beispiel in Baden-Württemberg § 68 PolG.
Der Gebrauch der Schusswaffe ist vorher anzudrohen, also das klassische "Stehenbleiben, oder ich schieße" (§ 13 UZwG). Und die Landesvorschriften sehen teilweise vor, dass mutmaßlich tödliche Schüsse nur abgegeben werden dürfen, "wenn [der Schuss] das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist." Das steht im Gesetz für die Bundesvollzugsbeamten nicht drin, aber die müssen trotzdem die Verhältnismäßigkeit wahren. Ein gezielter Kopfschuss, nur damit der Räuber nicht entkommt, darf also nicht abgegeben werden.
Also hätten auch deutsche Polizisten schießen dürfen - obwohl der Verdächtige seine Waffe über die Mauer geworfen hatte und damit keine unmittelbare Bedrohung für die Polizisten oder Dritte dargestellt hat - solange sie keine gezielten Todesschüsse abgeben und den Waffengebrauch vorher androhen. Die Polizisten im Video haben "nur" 4 Schüsse abgegeben. Für amerikanische Verhältnisse bedeutet das, dass sie ihm wirklich nicht ernsthaft ans Leben wollten. Das einzige was fehlt, ist hier also die Androhung des Schusswaffengebrauchs.
In Deutschland wäre hier mit großer Wahrscheinlichkeit aber kein polizeilicher Schuss abgegeben worden. Auch wenn Flüchtige mit der Schusswaffe aufgehalten werden dürfen, passiert das fast nie. Vielleicht mal wenn ein übermotivierter Polizist auf ein Fahrzeug schießt, das gerade eine Polizeikontrollstelle durchbrochen hat. Aber in der Regel schießen deutsche Polizisten wirklich nur, um sich oder Dritte vor einem Angriff zu verteidigen. Siehe Mannheim. Ein halbes Dutzend Polizisten vor Ort und ein Polizist feuert einen Schuss ab. In den USA hätten die alle ihre Magazine geleert, das Ersatzmagazin leergeschossen und mit dem geladenen zweiten Ersatzmagazin in der Waffe kann man dann mal schauen, ob der Verdächtige noch zappelt. So in etwa.