Gott bewahre, dass man das Urteil in einem Artikel über besagtes Urteil auch benennt, das wäre wohl zu saubere journalistische Arbeit. Der Artikel selbst ist polemisch und schlecht verfasst. Wer über das Urteil vernünftig nachlesen möchte, ist hier besser bedient: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/egmr-38450-12-oesterreich-mohammed-prophet-islam-kritik-strafe-gesellschaft/
Der EGMR prüft anhand der EMRK verstöße gegen Menschenrechte und nicht die Strafbarkeit einzelner Verhaltensweisen, das machen nationale Gerichte. Das nur vorweg.
Im vorliegenden Fall wurde in Art. 10 Abs. 1 EMRK (Meinungsfreiheit) eingegriffen, der in Abs. 2 Einschränkungen der Meinungsfreiheit zulässt, " die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung."
Der EGMR betont dabei, dass bezüglich der Notwendigkeit von Eingriffen "übereinstimmende europäische Auffassung dazu fehl(en), was der Schutz der Rechte anderer bei Angriffen gegen ihre religiösen Überzeugungen verlangt." Deshalb gibt er den Staaten einen weiten Ermessensspielraum und überprüft hier die Entscheidungen der nationalen Gerichte in erster Linie darauf, ob sie ob sie auf einer nachvollziehbaren Bewertung der maßgeblichen Tatsachen beruhen.
Die österreichischen Gerichte stellten darauf ab, dass Pädophile derart definiert sei, dass ein Mensch ein ausschließliches oder überwiegendes sexuelles Interesse an Kindern habe, die das pubertäre Alter noch nicht erreicht haben. Darauf könne man bei Mohammed aber deshalb nicht schließen, weil er mit Aischa bint Abi Bakr auch nach Volljährigkeit noch verheiratet war und auch andere Frauen hatte, die nicht minderjährig waren. Man könne aus dieser Ehe also kein ausschließendes oder überwiegendes sexuelles Interesse an Kindern folgern. Folglich entbehrre die Aussage Mohammed sei ein Pädophiler einer Faktenbasis. Der EGMR schloss sich dieser Argumentation an.
Weiter beachtete der EGMR, dass es die Antragstellerin schon regelmäßig Seminare zum Thema Islam gab und daher über diese Faktenbasis bescheid wissen konnte. Zusätzlich haben die nationalen Behörden Spielraum zu berurteilen, wie es um den religiösen Frieden im Land steht, die Stimmung war zu der Zeit in Österreich wohl als aufgeheizt wahrgenommen worden.
Soviel zum Urteil. Ich denke, man kann das so sehen, ich finde das Urteil ist allerdings kritikwürdig. Das Wort Pädophilie wird in der Alltagssprache häufig schon verwendet, wenn es um sexuelle Beziehungen zu Minderjährigen geht. Auch wenn die Nutzung des Wortes nach wissenschaftlicher Definition gegenüber Mohammed unangebracht ist, entbehrt es nicht jeder faktischen Grundlage, weil er ja eben mit einer Minderjährigen verheiratet war. Ich finde nicht, dass man Worte nur im strikten Wissenschaftlichen Sinne benutzen dürfen sollte, um seine Meinung kundzutun. The European Center for Law and Justice, das eine Stellungnahme gegenüber dem EGMR abgegeben hat, hat dies ebenfalls so gesehen und gefragt, ob strafrechtliche Sanktionen in so einem Kontext wirklich angebracht sind oder nicht schon zivilrechtliche Sanktionen genügen würden.
Auch fragt man sich, wie Satire gegenüber Religionen dann einzuordnen ist und ob nicht die öffentliche Debatte durch solch eine Entscheidung unnötig heruntergekühlt wird. Toleranz gilt nämlich auch gegenüber Religionskritikern. Auch schließe ich mich Prof. Dr. Andreas Th. Müller an, der hier betont:
Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenze, wenn für religiösen Hass eingetreten oder zur Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgerufen wird. Jenseits dessen ist die Kriminalisierung bloßer Kritik an und Herabsetzung von religiösen Überzeugungen problematisch, auch wenn sie für gläubige Menschen schmerzhaft sein mag. Ansonsten muss man sich dem dornigen Problem stellen, wie sich eine Bestimmung wie § 188 StGB glaubwürdig von ansonsten gerne kritisierten Blasphemiegesetzen insbesondere muslimischer Staaten unterscheiden lässt.
Ich bin also der Meinung, es hätte hier zugunsten der Antragstellerin und damit der Meinungsfreiheit entschieden werden müssen. Der EGMR hätte sich, trotz Spielraum der Nationalstaaten, mehr mit der Legitimität des § 188 österrStGB auseinandersetzen müssen.