Man macht sich strafbar, wenn man sagt, Mohammed sei ein Pädophiler.


18.07.2024, 15:00

Was sagt ihr dazu?

8 Antworten

Gott bewahre, dass man das Urteil in einem Artikel über besagtes Urteil auch benennt, das wäre wohl zu saubere journalistische Arbeit. Der Artikel selbst ist polemisch und schlecht verfasst. Wer über das Urteil vernünftig nachlesen möchte, ist hier besser bedient: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/egmr-38450-12-oesterreich-mohammed-prophet-islam-kritik-strafe-gesellschaft/

Der EGMR prüft anhand der EMRK verstöße gegen Menschenrechte und nicht die Strafbarkeit einzelner Verhaltensweisen, das machen nationale Gerichte. Das nur vorweg.

Im vorliegenden Fall wurde in Art. 10 Abs. 1 EMRK (Meinungsfreiheit) eingegriffen, der in Abs. 2 Einschränkungen der Meinungsfreiheit zulässt, " die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale Sicherheit, die territoriale Unversehrtheit oder die öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral, zum Schutz des guten Rufes oder der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung vertraulicher Informationen oder zur Wahrung der Autorität und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung."

Der EGMR betont dabei, dass bezüglich der Notwendigkeit von Eingriffen "übereinstimmende europäische Auffassung dazu fehl(en), was der Schutz der Rechte anderer bei Angriffen gegen ihre religiösen Überzeugungen verlangt." Deshalb gibt er den Staaten einen weiten Ermessensspielraum und überprüft hier die Entscheidungen der nationalen Gerichte in erster Linie darauf, ob sie ob sie auf einer nachvollziehbaren Bewertung der maßgeblichen Tatsachen beruhen.

Die österreichischen Gerichte stellten darauf ab, dass Pädophile derart definiert sei, dass ein Mensch ein ausschließliches oder überwiegendes sexuelles Interesse an Kindern habe, die das pubertäre Alter noch nicht erreicht haben. Darauf könne man bei Mohammed aber deshalb nicht schließen, weil er mit Aischa bint Abi Bakr auch nach Volljährigkeit noch verheiratet war und auch andere Frauen hatte, die nicht minderjährig waren. Man könne aus dieser Ehe also kein ausschließendes oder überwiegendes sexuelles Interesse an Kindern folgern. Folglich entbehrre die Aussage Mohammed sei ein Pädophiler einer Faktenbasis. Der EGMR schloss sich dieser Argumentation an.

Weiter beachtete der EGMR, dass es die Antragstellerin schon regelmäßig Seminare zum Thema Islam gab und daher über diese Faktenbasis bescheid wissen konnte. Zusätzlich haben die nationalen Behörden Spielraum zu berurteilen, wie es um den religiösen Frieden im Land steht, die Stimmung war zu der Zeit in Österreich wohl als aufgeheizt wahrgenommen worden.

Soviel zum Urteil. Ich denke, man kann das so sehen, ich finde das Urteil ist allerdings kritikwürdig. Das Wort Pädophilie wird in der Alltagssprache häufig schon verwendet, wenn es um sexuelle Beziehungen zu Minderjährigen geht. Auch wenn die Nutzung des Wortes nach wissenschaftlicher Definition gegenüber Mohammed unangebracht ist, entbehrt es nicht jeder faktischen Grundlage, weil er ja eben mit einer Minderjährigen verheiratet war. Ich finde nicht, dass man Worte nur im strikten Wissenschaftlichen Sinne benutzen dürfen sollte, um seine Meinung kundzutun. The European Center for Law and Justice, das eine Stellungnahme gegenüber dem EGMR abgegeben hat, hat dies ebenfalls so gesehen und gefragt, ob strafrechtliche Sanktionen in so einem Kontext wirklich angebracht sind oder nicht schon zivilrechtliche Sanktionen genügen würden.

Auch fragt man sich, wie Satire gegenüber Religionen dann einzuordnen ist und ob nicht die öffentliche Debatte durch solch eine Entscheidung unnötig heruntergekühlt wird. Toleranz gilt nämlich auch gegenüber Religionskritikern. Auch schließe ich mich Prof. Dr. Andreas Th. Müller an, der hier betont:

 Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenze, wenn für religiösen Hass eingetreten oder zur Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgerufen wird. Jenseits dessen ist die Kriminalisierung bloßer Kritik an und Herabsetzung von religiösen Überzeugungen problematisch, auch wenn sie für gläubige Menschen schmerzhaft sein mag. Ansonsten muss man sich dem dornigen Problem stellen, wie sich eine Bestimmung wie § 188 StGB glaubwürdig von ansonsten gerne kritisierten Blasphemiegesetzen insbesondere muslimischer Staaten unterscheiden lässt.

Ich bin also der Meinung, es hätte hier zugunsten der Antragstellerin und damit der Meinungsfreiheit entschieden werden müssen. Der EGMR hätte sich, trotz Spielraum der Nationalstaaten, mehr mit der Legitimität des § 188 österrStGB auseinandersetzen müssen.


IchinderStadt 
Beitragsersteller
 18.07.2024, 17:13

Sehr vielen Dank!

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Da macht man sich nicht strafbar und auch der religiöse Frieden ist dadurch nicht bedroht.

Schließlich steht es ja so im Koran, weshalb jeder Muslim die pädophile Neigung seine Propheten zu verteidigen und nicht zu leugnen hat.

Der Konflikt besteht erst dann, wenn sich ein Muslim so weit vom Koran entfernt hat, dass er selbst Pädophilie entgegen seines Propheten verurteilt – ein moralischer Konflikt, in dem die Vernunft einen Propheten die Stirn bietet.

Das würde wohl jeder vernünftige Richter eher als Akt der Aufklärung deuten und nicht als Unfrieden...

freiewelt.net

Na wenn das mal nicht eine seriöse Quelle ist! /s

Diese Seite wird von dem Ehemann von Beatrix von Storch betrieben und ist bekannt für Rechtspopulismus. Das Urteil, auf das sich vermeintlich bezogen wird, wird im Beitrag natürlich nicht genannt.

Man macht sich strafbar, wenn man sagt, Mohammed sei ein Pädophiler

Eine Strafbarkeit kann im Einzelfall auf Grundlage von § 166 StGB geprüft werden. Dafür müsste aber eine entsprechende Äußerung öffentlich getätigt werden und zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet sein. Außerdem ist ein Beschimpfen, nicht bloß eine Abwertung (vgl. Fischer StGB § 166 Rn. 12) notwendig; denkbar wäre dies bspw. wenn der Begriff Pädophil hier vorsätzlich falsch verwendet und nicht im historischen Kontext gesehen wird.

LG


IchinderStadt 
Beitragsersteller
 18.07.2024, 15:42

Mein Gott, dann frag da selber nach beim EGMR:

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)

Council of Europe

67075 Strasbourg-Cedex

Tel.: (0033) 388 41 20 18

Fax: (0033) 388 41 27 30

Bitte Kontaktformular der Internetseite verwenden (Englisch)

http://www.coe.int/de/web/portal/gerichtshof-fur-menschenrechte

 (Urteil v. 25.10.2018, Az. 38450/12). 

Wenn einer aus der Bild zitiert, dass die Erde eine Kugel ist, dann ist das bei dir wohl auch unglaubwürdig?

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ruhrgur  18.07.2024, 16:10
@IchinderStadt
Mein Gott, dann frag da selber nach beim EGMR

Die Quelle würde mir schon reichen, die hier ganz bewusst weggelassen wurde.

 Urteil v. 25.10.2018, Az. 38450/12

Da sieht man schon einmal direkt: Um die Frage der Strafbarkeit geht es überhaupt nicht (logischerweise, denn dafür wäre ein europäisches Gericht auch nicht zuständig).

Geklagt wurde hier, weil die strafrechtliche Verurteilung vermeintlich das Menschenrecht der Meinungsfreiheit verletzen würde. Dies ist offenkundig nicht der Fall, da es sich um keine Meinung sondern eine Tatsachenbehauptung handelt. Dafür muss ich mir noch nicht einmal die Urteilsbegründung durchlesen...

Wenn einer aus der Bild zitiert, dass die Erde eine Kugel ist, dann ist das bei dir wohl auch unglaubwürdig?

https://yourlogicalfallacyis.com/de/strohmann

Dass die Erde keine Scheibe ist (eine Kugel ist sie im Übrigen auch nicht, sondern ein Ellipsoid), ist ein allgemein bekannter Fakt und bedarf keiner Anführung einer Quelle.

In diesem Fall reden wir von einem Urteil, auf das ohne Nennung desselbigen Bezug genommen wird, wodurch sich der Inhalt des Artikels auch entsprechend nicht auf seine Glaubwürdigkeit hin überprüfen lässt.

Im Übrigen ist sogar die Bild seriöser als das Käseblatt, das du hier angeführt hast.

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NotoriousOwl  18.07.2024, 16:20
@ruhrgur
Dies ist offenkundig nicht der Fall, da es sich um keine Meinung sondern eine Tatsachenbehauptung handelt. Dafür muss ich mir noch nicht einmal die Urteilsbegründung durchlesen..

Tatsächlich haben die österreichischen Gerichte die Äußerung als Werturteil eingeordnet und der EGMR hat dem zugestimmt (Rn. 54 des Urteils):

The Court notes that the domestic courts qualified the impugned statements as value judgments, based on a detailed analysis of the wording of the statements made (see, in particular, paragraph 18 above). They found that the applicant had subjectively labelled Muhammad with paedophilia as his general sexual preference, and that she failed to neutrally inform her audience of the historical background, which consequently did not allow for a serious debate on that issue (see paragraphs 14-15 and 17-18 above). The Court therefore agrees with the domestic courts that the impugned statements can be classified as value judgments without sufficient factual basis. Even if they were to be classified as factual statements, which the applicant insisted, she has failed to adduce any evidence to that end, both during the domestic proceedings and before the Court.
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Interessante Frage. Macht man sich strafbar, wenn man die Wahrheit sagt, so lange es weder ein Geheimnis ist, erst recht kein Betriebsgeheimnis, sondern eine durch religionseigene Quellen nachvollziehbare Aussage? (Ich hätte fast Tatsache geschrieben, aber ob es tatsächlich so war, dass Mohammed mit Aisha die Ehe vollzogen hatte, als sie gerade erst 9 Jahre alt war, kann und will ich nicht bewerten.)


Ursusmaritimus  18.07.2024, 15:03

Da der Vollzug der Ehe erst mit Menstruation üblich war dürfte man nicht einmal von Pädophilie sprechen sondern höchstens von Hebephilie.

Auch stellt sich mir die Frage ob die Eltern von Aisha überhaupt einen Kalender führten und so der Geburt der Tochter eindeutig festzulegen wäre. Das hat man früher weniger eng gesehen......

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JTKirk2000  18.07.2024, 15:13
@Ursusmaritimus
Da der Vollzug der Ehe erst mit Menstruation üblich war dürfte man nicht einmal von Pädophilie sprechen sondern höchstens von Hebephilie.

Haarspalterei. Bei Wikipedia kann man nachlesen, dass der Vollzug mit 9 oder höchstens 10 Jahren erfolgte:

Im islamischen Schrifttum wird Aischas Alter bei der Eheschließung mehrheitlich mit sechs bzw. sieben Jahren, beim Vollzug der Ehe mit neun bzw. zehn Jahren verzeichnet.[6][7] Der Historiker Muhammad ibn Saʿd († 845 in Bagdad) überliefert in seinem Klassenbuch die eigene Aussage von Aischa, die gesagt haben soll:
„Der Gesandte Gottes heiratete mich im Monat Schawwal im zehnten Jahr der Prophetie, drei Jahre vor der Auswanderung, als ich sechs Jahre alt war. Der Gesandte Gottes wanderte aus und kam in Medina am Montag, den 12. Rabīʿ al-awwal, an und veranstaltete mit mir die Hochzeit im Monat Schawwal, acht Monate nach seinem Auszug. Die Ehe vollzog er mit mir, als ich neun Jahre alt war.“

Und das mit der Pubertät bzw. ersten Menstruation geschieht normalerweise laut dieser Seite ab etwa 11 Jahren. Und 9 Jahre alt ist man für gewöhnlich etwas früher, also doch pädophil.

Auch stellt sich mir die Frage ob die Eltern von Aisha überhaupt einen Kalender führten und so der Geburt der Tochter eindeutig festzulegen wäre. Das hat man früher weniger eng gesehen......

Das dürfte der Grund sein, weshalb im Wikipediaartikel etwas von 9 oder 10 Jahren zum Vollzug der Ehe steht. Denn egal ob man einen Kalender führt oder nicht und daher zwar das Geburtsdatum damals nicht unbedingt festgehalten hat, aber Jahre zählen kann man trotzdem aufgrund dem Wandel der Jahreszeiten.

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> Was sagt ihr dazu?

Dass die Geschichte erstens uralt ist, und dass zweitens der EuGH nicht entscheidet, ob etwas strafbar ist, sondern ob eine - in diesem Fall österreichische - Regelung mit europäischem Recht vereinbar ist.

Um mehr als Formales sagen zu können, musste man die österreichische Strafnorm und den konkreten Fall kennen. Das zu recherchieren übernehme ich gern - aber nur gegen entsprechendes Honorar.