Wie viel Individualismus, freie Entfaltung, Selbstfindung, Buntheit, Eigenwilligkeit und Vielfalt verträgt eine Gesellschaft?

8 Antworten

Es gibt da so ein tolles Buch „Haltung entscheidet“von Martin Permantier. Darin werden 6 Haltungen unterschieden:

Selbstorientiert-impulsiv

Gemeinschaftsbestimmt-konformistisch

Rationalistisch-Funktional

Eigenbestimmt-souverän

Relativierend-individualistisch

Systemisch-autonom

will sagen, es gibt nach der großen Selbstfindung noch weitere Stufen, die mehr auf Empathie und Gemeinschaftsbezug fokussiert sind. Wenn wir die erreichen, kann die Gesellschaft davon profitieren. Bleiben wir in Stufe 4 stecken, ist das sicher suboptimal.

Woher ich das weiß:Recherche

croissantcrepe 
Beitragsersteller
 19.08.2024, 08:53
Relativierend-individualistisch
Systemisch-autonom

Was ist damit gemeint?

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Moin,

ich versuche die Sollbruchstelle mal kurz mit Verweis auf Kant zu markieren:

>Kategorischer Imperativ<

Heißt: die sollbruchstelle ist dort, wo Individualität in Asozialität umschlägt - die Selbstentwicklung und -entfaltung zu einem Primat des Egoismus wird, der den Wert des anderen Menschen der eigenen Wertzumessung unterordnet und den Anderen zum zweckbezogen Mittel (zum Werkzeug) der eigenen Entfaltung macht.

Gruß

Wenn die Mehrheit der Gesellschaft bestimmte Dinge öffentlich tolerieren muss aber innerlich ablehnt kommt es zum Rückzug ins Private.

Öffentlich sagt man dann was politisch korrekt ist und verhält sich dementsprechend, bleibt aber professionell und geschäftsmäßig höflich. Privates oder die wirkliche Meinung wird öffentlich nicht mehr geäußert, so wie früher.

In einer weitgehend homogenen Gesellschaft wurde noch ehrlich beim Gespräch am Ladentisch oder in der Kneipe gesprochen. In einer diversen Gesellschaft birgt das hingegen Sprengstoff. Also lässt man es ganz.

Zum Grillabend zuhause wird dann der Muslim oder die Transperson nicht eingeladen. Eine Vermischung der gesellschaftlichen Gruppen im Privaten (wie so oft in Unterhaltungsformaten der öffentlich-rechtlichen Sender suggeriert) findet nicht statt. Privat bleibt jede Gruppe lieber unter ihresgleichen.

Somit wird der öffentliche Raum kühler und unpersönlicher. Kann man in Großstädten der USA schon lange beobachten. Warm, herzlich und unverkrampft ist es dann nur noch im privaten Freundeskreis.

Die Gesellschaft zerfällt nicht, aber ist keine Einheit mit gemeinsamen Interessen und Zielen mehr. Die wird aber im machiavellistischem Sinn eventuell sogar leichter regierbar. "Teile und herrsche." Was ich immer lieber mit "Spalte und herrsche." übersetze.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjährige Erfahrung in der Parteipolitik und als Reporter

croissantcrepe 
Beitragsersteller
 19.08.2024, 08:59
Wenn die Mehrheit der Gesellschaft bestimmte Dinge öffentlich tolerieren muss aber innerlich ablehnt kommt es zum Rückzug ins Private.
Öffentlich sagt man dann was politisch korrekt ist und verhält sich dementsprechend, bleibt aber professionell und geschäftsmäßig höflich.

Ja, stimmt.

In einer weitgehend homogenen Gesellschaft wurde noch ehrlich beim Gespräch am Ladentisch oder in der Kneipe gesprochen.

War die Gesellschaft wirklich jemals homogen und waren die Menschen wirklich ehrlich?

Mein Menschenbild ist generell nicht so gut. Ich denke, Menschen waren noch nie ehrlich und haben zuhause hinter verschlossenen Türen oft Dinge getan, von denen man anderen lieber nicht erzählte.

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vanOoijen  19.08.2024, 09:08
@croissantcrepe

Natürlich gab es immer gesellschaftliche Gruppen. Eine klassenlose Gesellschaft wie im Sozialismus gab es in der BRD nie. Ein selbständiger Hauseigentümer oder ein Bauer hatte wirtschaftlich andere Interessen als ein Arbeiter der zur Miete wohnt. Ein Universitätsprofessor hatte einen anderen Freundeskreis als ein Müllmann.

Aber in Punkto Werte gab es mehr Homogenität. Stichwort wären da sexuelle Identität, Herkunft, Religion und Familienentwurf.

Die meisten Menschen stammten aus Deutschland, waren entweder katholisch oder evangelisch, niemand offen homosexuell und es gab weniger Singles. Auch aßen die meisten Menschen die gleichen Dinge. Vegetarier waren eine Minderheit, Veganer unbekannt.

Gesellschaftliche Milieus gab es trotzdem, aber die hassten sich untereinander nicht und es war nachvollziehbar wer warum wie dachte und wählte.

Der katholische Bauer in Westfalen wählte CDU, der evangelische Arbeiter im Ruhrgebiet wählte SPD. Aber die beiden konnten trotzdem ein Bierchen miteinander trinken und sich über Politik streiten ohne dass daraus ein Drama oder Strafanzeigen wegen Diskriminierung wurde.

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croissantcrepe 
Beitragsersteller
 19.08.2024, 09:14
@vanOoijen
 niemand offen homosexuell und es gab weniger Singles. 

Alles hat seinen Preis: Z.B. unglückliche Homosexuelle in erzwungenen Heterobeziehungen, eventuell heimliche Homobeziehungen neben der Ehe, unglückliche, verheiratete Frauen, die finanziell abhängig vom Mann waren, eventuell körperlich, psychisch und sexuell misshandelt wurden vom Ehemann.

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croissantcrepe 
Beitragsersteller
 19.08.2024, 09:26
@vanOoijen

Ja, das ist die Frage!

Was ist besser und wie wollen wir leben?

Aktuell geht es zu sehr in die LGBT-Richtung und einsame Incel-Männer beschweren sich über zu emanzipierte Frauen.

Auf einen extremen Pendelausschlag in eine Richtung in Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklungen folgt dann in der Regel ein extremer Pendelausschlag in die andere Richtung. Eventuell pendelt es sich dann irgendwann in der Mitte ein.

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vanOoijen  19.08.2024, 09:30
@croissantcrepe

Es darf halt nicht so weit gehen wie an so mancher US-Universität wo Männer Angst haben Frauen die Tür aufzuhalten weil sie dann wegen sexueller Belästigung angezeigt werden.

Den Fall habe ich mir übrigens nicht ausgedacht.

Der Professor der das getan hat musste tatsächlich disziplinarische Folgen tragen.

Sowas tötet jede Höflichkeit und jede Lockerheit im Umgang miteinander.

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croissantcrepe 
Beitragsersteller
 19.08.2024, 09:33
@vanOoijen
an so mancher US-Universität wo Männer Angst haben Frauen die Tür aufzuhalten weil sie dann wegen sexueller Belästigung angezeigt werden.

😅

Diese perversen Schweine...

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Skyler0003  19.08.2024, 09:36
@vanOoijen
Den Fall habe ich mir übrigens nicht ausgedacht.

An welcher Uni ist das denn passiert?

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vanOoijen  19.08.2024, 09:37
@croissantcrepe

Radikal-Feministinnen haben halt manchmal einen an der Waffel, wie alle Extremisten.

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Die Gesellschaft verträgt noch viel mehr.

Wichtig dabei ist, als Geschöpf, das meint Gehirn zu haben das sich von anderen Wesen stark unterscheidet, das meint schlauer zu sein als andere Lebewesen, sollte in der Lage sein, trotz allem Individualismus, trotz Eigenwilligkeit, ein Miteinander, Neeneinander zu ermöglichen.
Wenn nicht, sind wir nicht besser als ein Wurm, und ich bezweifel dann, das wir angeblich höher entwickelt sind, das wir mehr Verstand haben.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Eine Gesellschaft braucht für mein Dafürhalten ein übergeordnetes Ziel. Etwas, dass die Menschen verbindet. Demokratien basierten bisher immer auf dem klassischen Nationalismus. Ohne Nationalismus ist bisher also noch keine Demokratie entstanden. Allerdings sehen wir, dass auch andere verbindende Gedanken existieren. Seien sie nun eher Konservativ oder Progressiv.

Für mich steht das in keinem Widerspruch zu Individualität, Entfaltung, Selbstfindung, Buntheit oder Vielfalt.

Solange es einen verbindenden Gedanken gibt, den alle Teilen, setzen sich Menschen füreinander ein und kämpfen für ihre gegenseitigen Rechte.


Merlynn  19.08.2024, 01:54

Es gibt aber auch ganz schlimme verbindende Gedanken z.B. „Wachstum“ als übergeordnetes Ziel nicht loslassen zu dürfen

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FlimmerFox  19.08.2024, 01:57
@Merlynn

Ja, sicher. Es gibt sehr schlimme übergeordnete Gedanken.

Aber ohne übergeordneten Gedanken, würde ich es halt nicht Gesellschaft nennen.

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