Wie konnten Frauen früher Sozialleistungen beziehen?

8 Antworten

Löhne und Gehälter wurden oft in bar ausgezahlt. Da brauchte man kein Konto, auch die Männer nicht. Natürlich konnten Frauen ein eigenes Konto haben, die brauchten die Unterschrift des Ehemannes, wobei Eheleute ja oft ein gemeinsames hatten. Rente wurde auch oft in bar ausgezahlt. Die brachte der örtliche Postbote direkt ins Haus oder man holte sie dort ab. Jedes Dorf hatte eine Post.

Damals wurde noch viel bar ausgezahlt. Mein Vater bekam auch am Monatsende seine Lohntüte mit dem Gehalt in Bar.

Außerdem wurde früh geheiratet. Frauen, die unverheiratet waren, waren i.d.R. berufstätig und lebten noch bei ihren Eltern

Anfangs bestanden die Sozialleistungen aus Lebensmittelkarten. Lebensmittel wurden nämlich zugewiesen. Und auch, wenn man uns immer suggerieren will, dass mit Einführung der DM alles wieder in Ordnung war - war es nicht! Lebensmittelkarten und damit die Rationalisierung von Lebensmittel ging teilweise bis 1950 (DDR sogar bis 1958, Kartoffeln bis 66).

Sprich: man wurde nicht nur mit Geld bezahlt (hätte eh nicht viel gebracht), sondern mit Lebensmittelrationen. Das war auch die Motivation der Trümmerfrauen, die neben den professionellen Bauunternehmern bei der Trümmerräumung geholfen haben: sie bekamen mehr zu essen.

Später dann wurde der Lohn bar ausgezahlt. Ich kenne das sogar noch (auch wenn ich das nicht selbst erlebt habe) von meinem Vater, der erzählte, jeden Freitag ging es ins Lohnbüro und er bekam seine Lohntüte (sowas wie einem Umschlag mit Geld drin). Erst im Laufe der 1960er wurde langsam auf Monatslohn und auf Überweisung umgestellt.
Wohl erst in dieser Zeit wird der Staat auch darüber nachgedacht haben, Sozialleistungen nicht mehr bar auszuzahlen, sondern ebenfalls zu überweisen.

Es wurde früher fast alles in Bar ein- und ausgezahlt, der Rentenbriefträger kam, die Lohntüte bei der Arbeit am Monatsende, die Miete in einem Mietbuch bestätigt, die Stempelgelder in bar beim Arbeitsamt. Da hatten Männer und Frauen beide keine Konten. Als dann die Arbeitgeber sich entschlossen, nur noch bargeldlos zu überweisen, bekamen die Arbeiter ein Schreiben mit dem sie zur Bank gingen um sich ein Girokonto einrichten zu lassen. Das galt dann für beide Geschlechter. Also Frauen bekamen dann auch ein Girokonto. Ein reines Sparkonto, das hatten sie auch meist schon vorher. Meine Mutter hatte seit 1966 ein eigenes Girokonto und meine nicht verheiratete Tante (Postbeamtin) hatte bereits schon seit 1950 eins.


Klaraaha  25.05.2024, 22:44

Kleine Anekdote am Rande. Mein Bruder 1961 geboren hatte wie ich und die anderen Geschwister auch bereits kurz nach der Geburt ein Sparbuch. Damals kamen die Bänker, kaum zu glauben, sogar persönlich regelmäßig alle vier Wochen ins Haus, haben Ein und Auszahlungen vorgenommen. Mein Bruder noch ein kleines Kind bekam mal eine Summe gutgeschrieben mit der er gar nichts zu tun hatte. Des Rätsels Lösung war, dass diese Summe für einen alten Mann, gleichen Namens, gleicher Ort, bestimmt war. Nun hatte der kein Konto, wollte auch keines und man hat das ganz unproblematisch gelöst. Bar ging scheinbar bei der Bank nicht, war wohl eine Auslandszahlung und so hob meine Mutter das Geld, es kam einmal jährlich drauf, einfach ab und brachte es dem alten Mann, auch mit dessem Einverständnis, der wollte ja kein Konto einrichten, vorbei.

Wenn ich den Geschichten glauben darf - waren am Tag der Lohnauszahlung oft die Mütter im Lohnbüro um sicher zu stellen, dass der Lohn auch noch zu Hause ankam.

Ansonsten war Frau zur Versorgung gezwungen zu heiraten. Ist mit ein Grund dafür, dass die Löhne in der Industrie immer noch über Gesundheitsbereich und Erziehung liegen. Der Mann war der Versorger der Familie. Arbeiten durfte die Frau nur mit Zustimmung des Mannes.

Die unverheirateten Frauen wurde noch von den Eltern versorgt oder haben gearbeitet.

Das Sozialversicherungen gibt es schon relativ lange, Sozialleistungen irgendwann Anfang 1960. - nur wie die aussah?


Klaraaha  17.05.2024, 18:14

Dafür waren meines Wissens die Gemeinden zuständig. Sozialleistungen bekamen nur die dort gemeldeten Einwohner und die holten das Geld von der Gemeinde ab. Obdachlose von außerhalb die sich meldeten bekamen auch einen bestimmten Tagessatz in bar, aber meines Wissens nur für einen Tag, ansonsten mussten sie jedesmal wieder kommen.

adelaide196970  25.05.2024, 22:16

ganz so wars nun doch nicht. Es gibt kein Gesetz, wo drinstand, dass Ehefrauen nur mit Zustimmung des Mannes arbeiten dürften. Solche Klagen gingen, wenn überhaupt, nur über das Vormundschaftsgericht.

Es gab tatsächlich Ehefrauen, die freitags den Lohn des Ehemannes abholten und der Chef hat diesen auch ausgehändigt, da er wusste, dass der Ehemann ihn ansonsten freitags in der Kneipe ließ.

Ehefrauen wollten gar nicht berufstätig sein, wenn doch, was selten war, dann konnte man ihnen das schlecht verbieten. Wie auch, man hätte sich ja trennen können.

Nur reiche Mädchen wurden von ihren Eltern versorgt, die anderen ergriffen sehr früh eine Lehre. In den 60er Jahren waren in der letzten Volksschulklasse bereits mehrere Berufsberater (auch weiblich), die dafür sorgten, dass die 14/15jähren Mädchen und Jungen eine Ausbildung bekamen. Weigerten sie sich, gingen diese zu den Eltern, um diese zu überreden.

kabbes69  25.05.2024, 22:42
@adelaide196970
Erst 1977 (1. Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts) wurde das BGB dahingehend geändert, dass Frauen auch ohne Erlaubnis ihres Ehemannes einer Arbeit nachgehen durften. Vorher durften Ehemänner sogar Arbeitsverträge ihrer Frauen kündigen und hatten das alleinige Bestimmungsrecht über Frau und Kinder.

https://www.juracademy.de/recht-interessant/article/gleichberechtigung-frauen-maennern

Dann müssen wir früher wohl näher im Datum bestimmen.

Meine Großtante geboren 1948 müsste sich noch entscheiden: heiraten oder weiter Grundschullehrerin zu sein.Und die Entscheidung lag nicht am Ehrmann, war ein Kündigungsgrund von Seiten des AG.