Was ist Zeit?
Welches Problem wird in diesem Zitat von Augustinus von Hippo benannt bzw. was ist damit genau gemeint:
„Was ist also Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es. Wenn ich es jemanden auf eine Frage hin erklären will, weiß ich es nicht.“
Und stimmt ihr seiner Aussage zu? Warum?
9 Antworten
Und stimmt ihr seiner Aussage zu? Warum?
Nein. Ich halte es mit Einstein. Zeit ist was man von der Uhr abliest.
Ich sehe einen Luftballon zerplatzen und höre gleichzeitig das entsprechende Geräusch. Das Ereignis des zerplatzenden Luftballons führt bei mir zu zwei zusammenfallenden (koinzidierenden) Erlebnissen. Ich kann mich auch an diese Situation erinnern und auch eine Erinnerung ist ein Erlebnis. Ich kann aber Erinnerungen von Erlebnissen, die keine Erinnerungen sind, unterscheiden. Fällt ein Erlebnis, das keine Erinnerung ist, mit einer Erinnerung zusammen, dann sagen wir, dass das Erlebnis, das die Erinnerung erzeugt hat, vor dem Erlebnis stattfand, das dem gerade abgelaufenem Ereignis entspricht. Auf diese Weise ergibt sich der individuelle Zeitbegriff. Meine Fähigkeit zwischen den verschiedenen Arten von Erlebnissen zu unterscheiden ist auf diese Weise meine individuelle Uhr (entsprechend der Antwort von Hologence).
Nachtrag: Die zeitliche Reihenfolge der Ereignisse kann natürlich von der zeitlichen Reihenfolge der Erlebnisse durchaus verschieden sein.
Mir scheinen viele Antworten hier stark dem Stand der newtonschen Physik des 17. Jahrhunderts verhaftet. Wichtige Einsichten der Erkenntnistheorie von Immanuel Kant oder Einsteins Relativitätstheorie werden nicht einbezogen.
Kant hat bekanntlich Raum und Zeit als Formen der Anschauung, also Eigenschaften unserer Wahrnehmung erkannt. Wenn man also Raum und seiner durch Euklid beschriebene Dreidimensionalität mehr Realität zuspricht als Zeit, nur weil ersterer mit unseren Sinnesorganen konkreter erfasst wird als letztere, muss man das als erkenntnistheoretische Naivität bezeichnen.
Einstein hat entgegen Kant Raum und Zeit als Eigenschaften der äußeren Dinge, also der Dinge an sich, betrachtet:
Dieser Argumentation liegen aber die Raum- und Zeitbegriffe der Physik zu Grunde, deren Erkenntnisse Kant als empirisch auffasste, während er sich in der transzendentalen Ästhetik auf den Raum und die Zeit des visuellen, menschlichen Vorstellungsvermögens als Teil des Verstandes bezog. Dass letzteres dreidimensional euklidisch mit einer davon unabhängigen, linearen Zeit ist, dürfte auch nach modernen Erkenntnissen kaum zu bezweifeln sein. Wenn man die (dreidimensionale) euklidische Geometrie wie Kant als Konsequenz dieses Vorstellungsvermögens ansieht, muss man deren Lehrsätze, wie von Kant explizit ausgeführt, als synthetische Erkenntnisse a priori verstehen.
Einstein stand damit aber nicht wirklich im Widerspruch zu Kant, denn
Dass man davon ausgehend, analytisch/algebraisch eine nicht-euklidische Geometrie im Sinne von Gauss und Riemann (und noch abstrakter im Sinne von Grothendieck u. a.) konstruieren kann, die sich im Allgemeinen dem visuellen Vorstellungsvermögen entzieht und den physikalischen Modellvorstellung der Raumzeit zu Grunde liegt, die primär von Einstein entwickelt wurden, steht [nicht] im Widerspruch zu Kants Thesen[.]
In diesem Sinne ist Stingraylps Antwort ("Zeit ist eine Dimension durch die wir uns bewegen, wie durch den Raum.") m.E. auf der Höhe der Relativitätstheorie:
Raumzeit oder Raum-Zeit-Kontinuum bezeichnet die gemeinsame Darstellung des dreidimensionalen Raums und der eindimensionalen Zeit in einer vierdimensionalen mathematischen Struktur. Diese Darstellung wird in der Relativitätstheorie benutzt.
Zeit ist ein Konstrukt des Menschen, weil sein Leben endlich ist und er es sinnvoll planen muss. In der Natur existiert keine Zeit.
Was der Mensch als Zeit bezeichnet, das ist vor allem der Ablauf physikalischer Vorgänge, die allerdings abhängig sind von der Gravitation, so dass sich schon innerhalb eines Gravitationssystems verschiedene Zeiten ergeben und sich erst recht in unterschiedlichen Gravitationssystemen unterschiedlichste Zeiten ergeben, so dass das Konstrukt als solches deutlich wird.
Wer Zeit in der Natur vermutet, muss dann sagen, dass sie relativ nur sein kann. Existierte Zeit in der Natur, wäre sie das einzige immaterielle Phänomen aber das widerspräche dem physikalischen Prinzip von der Erhaltung der Energie.
Zeit ist wirklich bloß der Ablauf natürlicher Vorgänge.
Im Alltag ist der Zeitbegriff sehr präsent. Sätze wie: „Ich habe keine Zeit“, „Es ist an der Zeit für…“, „Jetzt beginnt eine schöne Zeit“ … bringt jeder mal über die Lippen, ohne konkret über das Wort Zeit nachzudenken. Wir wissen, dass Zeit vergeht und dass wir sie auf verschiedene Weisen nutzen können. Wenn wir allerdings gefragt werden, was Zeit konkret bedeutet, sind wir erstmal überfragt. Das liegt daran, dass Zeit nicht greifbar, sondern sehr abstrakt ist. Zeit ist kein Gegenstand, sondern eher eine Art Umstand. Zeit ist der Rahmen, in dem alles stattfindet und sie ist für unsere Form des Daseins eine Notwendigkeit, weil es nicht möglich wäre, dass alles gleichzeitig passiert.