Warum sind die Leute (bei uns) im Osten so extrem prorussisch?

11 Antworten

Das Empfinden als DDR-Bürger hing meiner Meinung nach sehr stark davon ab, ob du in der DDR eher "das arme, nichtssagende Würstchen" oder der "wohlhabende Funktionär mit Beziehungen" warst.

Persönlicher Reichtum, Wohlstand und Anerkennung hingen ja stark davon ab, wie sehr du für oder gegen das vorgegebene System gearbeitet und gelebt hast.

Wem es in dem System gut ging, der könnte heute sicher eher eine pro-russische Haltung haben als jemand, der denkt, die Besatzungsmacht hat sein Leben verschlechtert.

Seit 1990 erleben viele DDR-Bürger zudem, dass in der "westlichen Welt" auch nicht alles Gold ist, was glänzt, und so bilden sich eben verschiedene Meinungen heraus, die auch nicht überall gleich sind.

Die direkten Anrainer von Russland haben sicher nicht vergessen, wie "der große Bruder" in der Vergangenheit zu ihnen war und das mahnt sie zur Vorsicht. Niemand will freiwillig seine Eigenständigkeit gegen Fremdbestimmung tauschen.

Ein heutiger Rentner, der fast sein ganzes Leben in der DDR gelebt hat (mit einem mehrjährigen "Ausflug" in den Westen, um das "Paradies" zu schmecken und weil er dort Fuß fassen und ein "besseres" Leben haben wollte), würde dazu sinngemäß sagen: "Ich hab sie immer gehasst, die Roten, scheiß Kommunisten, aber ganz ehrlich, die Banditen im Westen stehen denen in nichts nach, das gleiche Dreckspack, nur feiner gekleidet. Gut gemeint mit uns (="einfache Bürger") hat es keiner von beiden."

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Also meine Eltern und Verwandte und ich sind gegen Putin. Diese Unterstellung ist grundlegend falsch.

Viele Leute waren halt in der Sowjetunion zum Studieren und kannten auf die eine oder andere Weise Russen. Deswegen haben sie vielleicht weniger Angst vor ihnen, und können auch den russischen Standpunkt in bezug auf Sicherheitsinteressen verstehen, die im Westen komplett negiert wurden und werden.

Ich kenne daher keinen bei uns, der sagt, dass die Russen keinen Angriffskrieg führen oder Putinfan ist, aber was das dann in der Konsequenz für Waffenlieferungen, EU-Beitritt und Diplomatie bedeutet, wird differenzierter gesehen, als im Westen.

Im Osten stehen viele auch weiter rechts als im Westen. Sie sympathisieren mit diesem Antiliberalismus, Antiamerikanismus usw.


Schreifrizz  28.08.2024, 08:11

Das wäre dann Diktatur und Kreml-Regime-ismus

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BelfastChild  28.08.2024, 08:16
@Schreifrizz

Russland wird auch als autoritäres Regime geführt (Rang 124):

https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratieindex_(The_Economist)#2021

Das Fernsehen bleibt in Russland die wichtigste Nachrichtenquelle und ist fest in staatlicher Hand. Seit den Massenprotesten 2011/12 gegen Präsident Putin hat die Regierung die Zensur auch im Internet massiv verschärft. Webseiten können ohne Gerichtsbeschluss gesperrt werden, für kritische Kommentare droht aufgrund vage formulierter Anti-Extremismus-Gesetze jahrelange Haft. Mit dem Überwachungssystem SORM kann der Kreml die Kommunikation der Bevölkerung in großem Stil überwachen. Journalist*innen, die Geld aus dem Ausland erhalten, gelten als „ausländische Agenten“. Gewalt gegen Medienschaffende wird selten bestraft. Aus Tschetschenien und der annektierten Krim dringen nur noch wenige unabhängige Nachrichten nach außen.

Quelle: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/russland/ueberblick-russland

36 Journalisten und sechs Medienmitarbeiter befinden sich in Haft (Rang 162).

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Schreifrizz  28.08.2024, 08:56
@BelfastChild

Scheint den AFD- und BSW-Wählern bewusst zu sein mit der Suche nach Rettung aus dem Freiheitsschock.

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Von Experte Udavu bestätigt

Hauptgrund dürfte ein über 52 Jahre Diktatur anerzogener Antiamerikanismus sein.

USA= schlecht

alle Gegner der USA: automatisch gut.

Das hat sich im Osten auch nach 1990 erhalten ( der heimische Küchentisch ist eben immer noch der Hauptort der Sozialisierung).

Ein weiterer Grund ist der, dass Demokratie im Osten häufig mit Verlust und unbequemer Veränderung gleichgesetzt wurde. Im Westen verbindet man es ja mit dem Wirtschaftswunder der 50er.

Zwar geht es den Ostdeutschen heute materiell eigentich durchgehend besser als vor 1990, aber die Ressentiments bestehen weiter.


Nunuhueper  28.08.2024, 17:12

Das ist nicht wahr.

Ich weiß nur, dass das Verhalten der deutschen Zivilisten zu den amerikanischen Soldaten 1945 ein ganz anderes als das zu den sowjetischen Soldaten war. Die einsetzende Propaganda des Ostens gegen den Westen erreichte nicht das erwünschte Ziel. Die Ostdeutschen strömten bis zum Mauerbau 1961 weg in den Westen.

Wo war da der Antiamerikanismus?

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Mitscher45  29.08.2024, 08:23
@Nunuhueper
Das ist nicht wahr.

Wenn du das sagst...

Du kannnst gerne eine eigene Antwort schreiben

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Mitscher45  29.08.2024, 12:49
@eingew

Nein, hat er nicht. Er hat kommentiert. Eine Antwort auf die Ausgangsfrage hat er nicht geschrieben.

Es geht ja auch nicht um die, die in den Westen gegangen sind, sondern um die, die dageblieben sind.

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Nunuhueper  29.08.2024, 18:13
@Mitscher45

Ich war immer eine gesamtdeutsche Marjell. Nie sah ich mich als Ossi oder Wessi.

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