Warum regen sich viele Menschen so über das Gendern auf?

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Gendern soll unterschiedliche Geschlechter in der Sprache sichtbar machen. Und manche Leute haben damit ein Problem, weil sie das nicht wollen. Sie wollen nicht, dass z.B. nichtbinäre Menschen Aufmerksamkeit bekommen. Ein Gender-Stern (Schüler*innen) schließt alle Geschlechter ein, das längere "Schülerinnen und Schüler" hingegen nur männliche und weibliche Personen. Wer könnte ein Interesse daran haben, nichtbinäre Personen auszuschließen? Vielleicht konservative Menschen, v.a. Männer, die nicht ihre Privilegien einer patriarchischen Gesellschaft verlieren wollen, indem im öffentlichen Diskurs das Konzept von Geschlechtern aufgeweicht wird. Und wenn Gendern verboten wird, vergisst die Öffentlichkeit wieder, dass nichtbinäre Menschen existieren.

Es ist schade, diese Entwicklung zu beobachten. Wenn Gendern verboten wird, können wir immer noch inklusive Sprache ohne Genderstern verwenden (z.B. "Studierende" statt "Student*innen"), aber das ist nicht immer problemlos möglich. Als letzter Ausweg bleibt dann nur noch das generische Femininum (nicht weil es inklusiv ist, sondern weil es die Aufmerksamkeit auf das Problem lenkt und gleichzeitig die Leute verärgert, die erst das Gendern verbieten wollten).


clemensw  02.04.2024, 14:52
Wer könnte ein Interesse daran haben, nichtbinäre Personen auszuschließen?

Jeder Mensch, der durch typografisches Gendern vom Textverständnis ausgeschlossen wird.

VeryBestAnswers  02.04.2024, 15:22
@clemensw

Dieses Argument wird immer wieder angebracht. Tatsächlich gibt es aber keine Belege, dass Text mit Gendersternen schwieriger zu verstehen ist.

Was Textverständnis erleichtert, ist leichte Sprache. Die meisten Leute haben aber keine Lust darauf, Texte in leichter Sprache zu schreiben. Auch Dokumente von Behörden sind nur selten in leichter Sprache verfügbar. Wenn es den Gegnern von inklusiver Sprache wirklich um Textverständnis ginge, würden sie sich für mehr Angebote in leichter Sprache einsetzen, nicht gegen Gendersterne.

clemensw  02.04.2024, 16:23
@VeryBestAnswers
Tatsächlich gibt es aber keine Belege, dass Text mit Gendersternen schwieriger zu verstehen ist.

Tatsächlich arbeite ich täglich mit Menschen, die solche Probleme beim Textverständnis haben.

Dass es dafür keine Belege gibt, liegt eher daran, dass in der Gender"forschung" keine Dogmen angetastet werden sollen.

Was Textverständnis erleichtert, ist leichte Sprache.

Leichte oder einfache Sprache sind hilfreich für einige Gruppen, aber kein Allheilmittel.

So wird zB ein neurotypischer blinder Mensch einen Text in leichter Sprache als unterkomplex und zu langatmig bewerten (das ist die höfliche Umschreibung).

Übrigens: In leichter Sprache wird auch nicht typografisch gegendert, viele Ratgeber raten sogar von durchgehender Beidnennung ab.

Auch Dokumente von Behörden sind nur selten in leichter Sprache verfügbar.

Schon mal von Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gehört?

VeryBestAnswers  02.04.2024, 17:06
@clemensw

Es gibt Untersuchungen zum Textverständnis bei Benutzung des Genderssterns. Die TU Braunschweig fasst ihre Untersuchung zusammen mit:

Insgesamt spricht die Forschung zu geschlechtergerechter Sprache und Textverständlichkeit dafür, dass geschlechtergerechte Sprache die Verständlichkeit nicht beeinträchtigt, solange die geschlechtergerechten Formen den gewohnten Formen ähnlich sind.

Quelle

VeryBestAnswers  02.04.2024, 17:10
@clemensw
So wird zB ein neurotypischer blinder Mensch einen Text in leichter Sprache als unterkomplex und zu langatmig bewerten

Dieser Mensch verwendet vermutlich einen Screenreader. Nutzer*innen von Screenreadern können durch Einstellungen weitgehend selbst bestimmen, ob Genderzeichen gar nicht vorgelesen, teilweise vorgelesen oder vollständig vorgelesen werden.

clemensw  02.04.2024, 18:43
@VeryBestAnswers

1. Den negativen Teil ignorierst Du:

Im zweiten vorgelegten Text zeigten sich hingegen deutliche Beeinträchtigungen der Verständlichkeit durch das Gendersternchen.

2. Diese Studie wurde offensichtlich mit neurotypischen Probanden ohne Einschränkungen durchgeführt und ist daher nicht auf neurodiverse Menschen oder Personen mit Einschränkungen übertragbar.

Dieser Mensch verwendet vermutlich einen Screenreader.

3. Sowohl Screenreader als auch Braillezeile sind im Einsatz

Nutzer*innen von Screenreadern können durch Einstellungen weitgehend selbst bestimmen, ob Genderzeichen gar nicht vorgelesen, teilweise vorgelesen oder vollständig vorgelesen werden.

Das Ausblenden von Sonderzeichen ist bei der ausgeführten Tätigkeit (Entwicklung/Programmierung) nicht sinnvoll realisierbar.

Mich regt das nicht sonderlich auf, ich habe mich dran gewöhnt. Dabei "gendere" ich selber eher nicht (es sei denn, man würde die Doppelnennung wie "Schülerinnen und Schüler" auch dazu zählen). Es soll jeder so machen, wie er das möchte.

An die Sprechweise in den Nachrichten habe ich mich gewöhnt (ich finde es nicht schwerer verständlich als früher). Und wenn jemand nicht gendert, ist das auch ok.

Man muss nicht alles streng regulieren, aber in Deutschland ist die "Verbieteritis" mal wieder auf dem Vormarsch. Ich habe auch schon öfters einen Kompromissvorschlag gemacht: am Anfang des Textes schreibt man in einem Satz, dass im folgenden Text mit "Schüler" stets "Schülerinnen und Schüler" gemeint sind. Danach kann man dann fröhlich "Schüler" schreiben, und beide Seiten sollten eigentlich glücklich sein.

In wissenschaftlichen Texten ist es ganz üblich, am Anfang eine Abkürzung zu definieren, damit man nicht immer im darauf folgenden Text Wortungetüme wiederholen muss. Mit ein wenig Fantasie und gegenseitigem Wohlwollen kann man einiges erreichen (und das ganz entspannt).

Die Sprache wird einem aufgezwungen.

Und damit muss nicht einmal soetwas gemeint sein wie entsprechende Vorgaben an Universitäten. Denn zur Sprache gehört auch das zuhören.

Zwang führt zu Reaktanz. Und wenn dieser Zwang allgemein nicht gerne gesehen wird, dann finden sich auch viele leute bei denen selbige auftritt.

Dazu dann noch gesellschaftliche Diskussionen, verhärtete Fronten und Extremisten.


Jolle2004 
Beitragsersteller
 13.12.2023, 17:25

Ich nehme wenig Zwang und viel Reaktanz war. An der Uni wird friedlich gegendert oder auch nicht, aber dort erlebe ich kaum so heftige Debatten wie zum Beispiel hier auf GF, wo doch offenkundig niemand zum Gendern gezwungen wird, schon weil die Plattform selbst nicht gendert.

Jolle2004 
Beitragsersteller
 13.12.2023, 17:29
@Destranix

Ja, aber wo gibt es denn den Zwang? Es interessiert mich wirklich. Ich verbringe mein Leben in genau den Institutionen (zuerst Schule, dann Uni), die immer als Beispiele genannt werden, habe aber nullkommanichts von einem Genderzwang mitbekommen.

Destranix  13.12.2023, 17:31
@Jolle2004

Man wird an allen Ecken damit konfontiert und muss zuhören. ob man will oder nicht.
Und das auch nicht auf harmlose Art, das wird einem an einigen Ecken regelrecht aufgedrängt.

Das Reicht als Zwang aus um Reaktanz auszulösen.

Jolle2004 
Beitragsersteller
 13.12.2023, 17:36
@Destranix

Interessant, ich nehme es wirklich anders wahr, wahrscheinlich weil ich einfach daran gewöhnt bin und es mich deshalb nicht stört. Allerdings wird man, wenn man gendern befürwortet, an allen Ecken und Enden von nicht-gendernden Personen konfrontiert, was ja, wenn ich es recht sehe, keine so heftigen Reaktionen hervorruft.

Destranix  13.12.2023, 17:41
@Jolle2004

Die Konforntation mit gendernden personen ist noch einmal etwas anderes.

Aber dass dich generische Wortformen kaum stören ist nicht verwunderlich, schließlich sind diese Teil der Sprache und allgemein korrekt verständlich.

Wenn man das ganze weiter spinnt kaommt man aber auch zu dem Schluss, dass auch die Tatsache, dass gegenderte Formen schlicht absolut unhandlich sind, zur Reaktion gegen diese beiträgt.
Ich denke es würde weniger reaktanz hervorrufen, wenn man beispielsweise geschlechtsspezifische Formen zusätzlich zu den generischen sinnvoll hinzufühgt.
Soetwas wie "Kätzin", "Entin", "Jägerich", "Nutzerich", etc.

Jolle2004 
Beitragsersteller
 13.12.2023, 17:47
@Destranix

Ja, das wäre sicher ein enorm erfolgversprechender Vorschlag zur Befriedung der Debatte.

Destranix  13.12.2023, 17:51
@Jolle2004

Hilft nur nichts. Dazu sind beide Fronten leider zu verhärtet.

Rerun360  14.12.2023, 09:39
@Jolle2004

Einem Professor, der nicht gendern wollte, wurde von seinem Institut folgendes mitgeteilt:

„Sie haben Recht: wir können Ihnen das Recht auf Lehre nicht verwehren“

„Sehr wohl können wir aber als Institut die Rahmenbedingungen dafür festlegen, die ich Ihnen hiermit kurz mitteile“.

Das Institut werde „keinerlei Ressourcen zur Unterstützung Ihrer Lehre zur Verfügung stellen“; um Raumbuchungen und Ähnliches müsse er sich selbst kümmern. Zudem sei der Besuch seiner Lehrveranstaltungen künftig in keinem Pflichtmodul mehr anrechenbar, was die Teilnahme aus Sicht der Studenten natürlich witzlos macht.

„Ich weiß nicht, sehr geehrter Herr .., ob Sie unter diesen Voraussetzungen noch Freude an der Lehre haben werden“

Aber klar, niemand wird zum Gendern gezwungen und das geht an den Unis geräuschlos. Es geht geräuschlos, weil die einen es hilflos hinnehmen und kein Faß aufmachen wollen und der Rest Angst vor Repressalien hat. Daher ist ein Verbot und Rücknahmen aller Genderleitfäden an den Universitäten absolut Berechtigung.

Piddle  03.08.2024, 03:28
@Rerun360

Solche Wahrheiten werden allerdings von den friedliebenden Genderern nur ungern zur Kenntnis genommen. Man könnte da noch vieles anfügen, z.B. dass es nicht wenige vom Gendern erleuchtete Dozenten gibt, die abgegebene studentische Arbeiten entweder mit Punktabzug (Notenverschlechterung) bestrafen bzw. sogar ignorieren (wie "nicht abgegeben"), wenn darin nicht gegendert wird. Inzwischen geht die Verbohrtheit nicht selten so weit, dass solche Zwangsmaßnahmen sogar noch von der Fakultätsleitung gedeckt werden.

Die Rechtslage ist zwar eindeutig, jedoch ist das Beschreiten des Rechtsweges in solchen Fällen aus vielerlei Gründen nur eine theoretische Möglichkeit, sich zur Wehr zu setzen. Man kann realistischerweise nur so verfahren, dass man solche Lehrkörper-Elemente meidet, ihre illegalen Machenschaften aber geeigneten Organisationen in überprüfbarer Weise zur Kenntnis gibt, damit diese dagegen wirksam vorgehen können. Für die eigene Geradlinigkeit bleibt in Fällen, in denen aufgrund der Situation im Fach ein Ausweichen auf den vernünftigen Teil des Lehrkörpers nicht möglich ist, nur der Weg, die Uni zu wechseln. Zum Glück sind die allermeisten Dozenten (noch) über ideologische Unterjochungsversuche erhaben.

Nicht jeder kann alles was die Mitmenschen tun oder nicht tun gut heißen. Viele haben generell Sprachfehler, Grammatikfehler und und und.... und dennoch greift keiner ein und sagt, du darfst keinen Sprachfehler haben, du darfst keine Grammatikfehler begehen etc.

Warum wird dann Druck ausgeübt zu gendern? Wer meint es anwenden zu wollen, bittesehr. Falsch ist allerdings, allen diese Vorgehensweise überzustülpen und sogar mit Auflagen/Maßnamen versehen zu wollen.

Dass ist nämlich das, worüber sich wohl 99,9 % der Gendergegner erzürnen. Mal einfach drüber nachdenken. Aber leider muss man immer mehr wahrnehmen, dass unsere derzeitige Regierung nur noch Gebote und Verbote ausspricht. Jeder wird in eine Schablone gezwängt, ob es einem behagt.... ganz egal. Hauptsache Gebote/Verbote durchsetzen.

Das lehne ich kategorisch ab.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Weil viele damit überfordert sind und wenn man etwas von Leuten verlangt das sie nicht verstehen dann regen sich Menschen eben auf.

Ist ganz natürlich.