Wann lohnt es sich, ein Los zu kaufen?
Ich bin im Begriff eine philosophische Arbeit zu schreiben, allerdings leider alles andere als fit, was die Mathematik dazu angeht. Ich hab mir zu einem speziellen Beispiel, das ich so nicht aussparen konnte, mal folgendes zusammengestöpselt:
Wenn man die Möglichkeit hat 100.000.000€ im Lotterieverfahren zu gewinnen, die Wahrscheinlichkeit dazu jedoch bei nur 100.000.001 liegt und ein Los den Preis von 1€ hat, lohnt sich der Kauf in keinem Falle; und warum?
Wert des Loses (Preis) = Wert(Gewinn)
Wert des loses (Preis) (logischerweise klar definiert) = Wahrscheinlichkeit (Gewinn) x Relevanz (Gewinn) (Die Relevanz zeigt sich am ehesten im weltlichen Wert)
1 = 1100.000.001(9,999999900000001e-9; warum gibt das eigentlich mein Taschenrechner so seltsam aus? D:) x 100.000.000 (die Wahrscheinlichkeit)
1 ≠ 0,9999999900000001 (Nur, wenn der Gewinn größer als der Einsatz ist, lohnt es sich, zu setzen. Der eher unwahrscheinliche Fall eines Gleichgewichts ist neutral; ein Einsatz wäre allerdings eine ungeheure Zeitverschwendung bei 0 Umsatz.)
In diesem Fall sollte man also - wir ahnen es von Anfang an - nicht setzen!
Geht das auch einfacher? Gibt es dazu eine Standard-Rechnung?
Keine Sorge, das ist auch keine Hausaufgabe! D:
5 Antworten
Der Begriff, den du hier suchst, ist der Erwartungswert: Gewinnwahrscheinlichkeit × Gewinnhöhe
Wenn der Erwartungswert größer als dein Lospreis ist, wirst du auf lange Sicht oder wenn du alle Lose kaufst gewinnen.
Aber wie der Kollege vor mir schon geschrieben hat: Kein Glücksspielbetreiber wird ein Glücksspiel anbieten, bei dem der Erwartungswert größer als der Lospreis ist, denn dann wird der Betreiber dabei verlieren. Und da der Betreiber die Regeln definiert, kann er das Spiel immer so gestalten, dass er dabei gewinnt.
Lotterien mit positivem Erwartungswert für den Spieler sind historisch schon vorgekommen. Vgl. meine Antwort.
(Leider hatte ich gerade einen 12stündigen Stromausfall, daher geht diese schon lange getippte Antwort verspätet online)
Deine Rechnung geht davon aus, daß sowohl Gesamtgewinnsumme als auch Gewinnwahrscheinlichkeit beim Kauf bekannt sind. Im Regelfall ist das nicht so, da man ja nicht weiß, wieviele andere Leute Lose kaufen. Die Abschätzungen über die Wahrscheinlichkeiten werden also komplizierter. Es gibt aber einen anderen Weg zum Resultat, der oft einfacher zu beschreiten ist: Man schätzt ab, wieviel die Spieler insgesamt ausgeben (also Zahl der verkauften Lose mal Preis) und die Lottogesellschaft insgesamt ausschüttet, und teilt die Differenz auf die einzelnen Spieler bzw. Lose auf.
Dabei ist es ziemlich offensichtlich, daß die Summe der eingezahlten Beträge aller Mitspieler größer ist als die Summe aller Spielergewinne, sonst bliebe ja kein Geld, um den Manager, den Vizemanager, die Geschäftsführer, das Beratergremium, den Aufsichtsrat und die Werbekampagne zu bezahlen.
Da nichts davon billig ist, besteht bei einer Lotteriegesellschaft offenbar grundsätzlich eine große Differenz zwischen Einnahmen und Ausschüttungen, und für jeden Mitspieler ergibt sich ein negativer Erwartungswert. Deshalb nennt man diese Unternehmungen im Volksmund auch oft „Deppensteuer“. Es gibt also nur drei mögliche Gründe, mitzuspielen: Entweder man glaubt irrigerweise an die eigene Exzeptionalität, die es möglich macht zu gewinnen, während die anderen verlieren. Oder man will Geld loswerden („Der Arzt hat mir empfohlen, keine schweren Geldbörsen zu tragen“). Oder man kann nicht rechnen.
Letzteres, der sogenannte Zahlenanalphabetismus, wird von vielen, darunter sogar ein paar Philosophen, für den gesunden Normalzustand des H. sapiens gehalten. Manche gegen sogar so weit, in jedem, der rechnen kann, eine Art Unmensch zu sehen, der sich dem Zyklus von Trial, Error und Desperation entzieht, niemals den Wert der conditio humana erkennt und damit zu einer Art sozial privilegierter aber emotional verkümmerter Elite gehört. Dabei wird allerdings übersehen, daß Mathematikkenntnisse das genaue Gegenteil von „elitär“ sind, kann sie doch jeder unabhängig von Geschlecht, sozialer Herkunft, sexueller Orientierung und Körbchengröße zu denselben Bedingungen wie alle anderen erlernen, nämlich in der Schule zum Nulltarif und zur großen Freude der tendenziell frustrierten Mathematiklehrer.
Ein „berechnender Charakter“ ist das Gegenteil eines „trotteligen Charakters“ und daher ein wünschenswertes Attribut. Traditionelle Ethik sieht das anders (wahrscheinlich, weil Trottel eine ganze Menge leichter zu regieren sind), und dazu will ich den Kreis schließend ein historisches Beispiel geben.
1827 erkannte ein junger und eher mittelloser aber dafür denkfähiger Mathematiker namens La Condamine in Frankreich, daß eine staatliche Lotterie einen Fehler enthielt, der es den Spielern möglich machte, systematisch zu gewinnen. Zusammen mit einem etwas älteren, gerichtsbekannten und finanziell ebenso angeschlagenen, aber auch ebenso brillanten Typen namens Voltaire gründete er eine Spielergemeinschaft, um zu verhindern, daß der Staat den Braten rechtzeitig riecht und die Regeln während des Spiels ändert. Die beiden setzten geliehenes Geld, und ihre Rechnung ging auf: Beide machten ein Vermögen dabei, das sie lebenslang vom Zwang zur Erwerbsarbeit befreite und es ihnen ermöglichte, zu tun, was sie am besten konnten: La Condamine betrieb naturwissenschaftliche und geographische Feldforschung in Südamerika, und Voltaire schrieb sehr lesenswerte Dramen und Essays.
Praktisch jedes Buch, das diesen Vorfall beschreibt, nennt die Handlungsweise unserer beiden Helden „Betrug“. Und nun die große Frage: WARUM? Was ist verwerflich daran, Lotto zu genau den Bedingungen zu spielen, wie sie von der Lottogesellschaft vorgegeben sind? Die Lottogesellschaft macht die Regeln mit dem Ziel, an den Spielern insgesamt zu verdienen, und das gilt als ethisch OK. Die beiden jungen Herren erkannten in den von anderen geschrieben Regeln eine Möglichkeit, die sie zum eigenen Vorteil nutzen konnten, und taten das dann auch. Wen haben sie betrogen? Die Lottogesellschaft (in diesem Fall eigentlich der französische Staat), deren Geschäftsmodell das Abzocken ihrer eigenen Kunden ist und die einfach nur zu blöd war, dieses Geschäftsmodell korrekt zu implementieren? Oder haben sie die Mitspieler betrogen? Nein, die spielten und gewannen oder verloren genau zu den festgesetzten Regeln, wonach jedes Los dieselbe Gewinnwahrscheinlichkeit hat.
Es würde mich wirklich interessieren, warum jemand, der rational handelt, als Betrüger verunglimpft wird, während alle, die nichts denken, sich des Mitgefühls und der Sympathie alle Mathematikanalphabeten (also, der großen Mehrheit) sicher sein können (als Arbeitshypothese sehe ich den solidarischen Neid der Besitz- bzw. Ideenlosen).
Deshalb ist es ein Glücksspiel. Bei keinem Glücksspiel wird der Gewinn größer sein als alle Einsätze die statistisch für einen Gewinn nötig sind. Warum? Weil dann niemand (als Bank) auf lange Sicht Geld mit Glücksspiel verdienen könnte.
Warum wird trotzdem gespielt? Ich nehme jetzt dein Beispiel: Weil ich mit dem Einsatz von 1€ 100.000.000€ gewinnen kann - mein Gewinn wäre dann 99.999.999 €.
Niemand spielt Lotterie weil er sich denkt "Hey, wenn ich 100.000.000 Lose kaufe, dann gewinne ich." Sondern weil man hofft, dass man mit ein paar wenigen Losen einen Treffer landet.
Man täte was? So viele Lose kaufen, dass man statistisch nur gewinnen kann? Dann würde man bei jedem Glücksspiel Geld verlieren. Ich weiß nicht worauf du eigentlich hinaus willst...
so wird sich nichts lohnen, denn jeder lotteriebetreiber will auf lange sicht gewinnen. die mitspieler spielen mit weil sie nicht denken dass sie durchschnittlich abschneiden, sondern sie denken, sie ziehen gleich ohne großen aufwand den hauptgewinn .
Der Erwarungswert in Geld ist also normal negativ. Trotzdem spielen Leute mit :-) was für ne Überraschung.
Philosophisch musst du die Relevanz höher ansetzen als es der weltliche Wert ist. Also es ist für dich von höherer Relevanz 100 Millionen Euro zu gewinnen als für 10 Millionen Spieler je 10 Euro zu gewinnen. So in etwa könnte man es erklären.
Das hat nicht viel mit Philosophie zu tun. Vielleicht solltest du ein anderes Thema für die Arbeit nutzen. Sollte es doch für Philosophie sein, so würde ich die Rechnung auslassen:
Angenommen es gibt ein Glücksspiel, welches sich nicht lohnt, ...
aber angenommen man täte das