Stehen sich die "Gegner" der Gendersprache nicht selber im Weg?
Zuerst einmal möchte ich festhalten, dass mir - als nonbinär empfindender Mensch - die Gendersprache an sich einfach nur schnurzpiepegal ist. Weder wende ich sie selber konsequent an noch fühle ich mich irgendwie "diskriminiert", wenn andere Menschen es mir gleich tun.
Trotz meiner Gleichgültigkeit gegenüber dem Gendersprech drängt sich mir bei diesen ganzen Debatten darum aber immer wieder die Frage auf, was konkret diese überzeugten Gender-"Gegner" mit ihrer permanenten lauten Stimmungsmache eigentlich bezwecken. Das gilt im Übrigen auch für jene GF-Nutzer hier, die in Dauerschleife die Frage "Was haltet Ihr vom Gendern?" stellen und dabei einfach nur auf Bestätigungen ihrer eigenen Ansichten geiern.
So paradox es auch klingen mag, haben wir das Fortbestehen der Gendersprache nach meiner Auffassung in erster Linie den Gender-Gegnern zu verdanken. Mittels besagter lauten Stimmungsmache und ihrem dümmlichen "Spaß"-Gendern halten sie die Gendersprache permanent im Gespräch und bereiten ihr exakt den Nährboden, den sie braucht, um sich dauerhaft zu etablieren.
Beide Seiten - sowohl Gegner als auch Befürworter:innen - sind sich nämlich ähnlicher als sie denken: Beide Seiten machen einen auf "Sprachpolizei", indem sie anderen Menschen vorschreiben wollen, wie sie sich zu artikulieren haben (die einen durch die Forderung einer Genderpflicht und die anderen durch die Forderung eines Genderverbots bzw. einer "Abschaffung"). Zusätzlich inszenieren sich beide Seiten permanent als "Opfer" von irgendwas (die einen als "Opfer" angeblicher "Diskriminierung" durch die Sprache und die anderen als "Opfer" angeblicher "Zwänge", "Indoktrinationen" und Sprach-"Vergewaltigungen"; das Gleichsetzen mit einem Sexualverbrechen ist im Übrigen widerwärtig und einfach nur krank!
Dabei schnallen beide Seiten einfach nicht, dass sie mit ihrem Verhalten nur einzig und allein Wasser auf die Mühlen der jeweils anderen Seite sind, die sich dann von einem trügerischen Gefühl der "Bestätigung" in die Irre führen lässt und dann abermals die Gegenseite hochschaukelt. Hier würde ein altes Sprichwort wirklich mal zutreffen: Der Klügere gibt nach.
Ein Lieblings-"Argument" der Gendersprech-Gegner, dass "wir ja wohl größere Probleme haben", lässt erheblich an deren Glaubwürdigkeit zweifeln, weil ihr Engagement für diese anderen Probleme deutlich zu wünschen übrig lässt. Aufgrund dieser Argumentation sollte man meinen, dass die die Gendersprache ablehnende angebliche "Mehrheit" imstande sein müsste, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Diese anderen Probleme wären mindestens längst angegangen worden und das Thema Gendersprache würde sich von selber erledigen, würde sich diese "Mehrheit" nicht darum, sondern ihrer Argumentation entsprechend um das Wesentliche kümmern. Ist das Gerede der Gender-Gegner also nur heiße Luft?
Offenkundig, da es einfach mehr Spaß zu machen scheint, sich von einer penetranten Ideologie derart beeindrucken, triggern und in Schnappatmung versetzen zu lassen.
15 Antworten
Ich nutze Gendersprache, allerdings nur punktuell und wo es Sinn macht. Und ich bin strikt gegen jede Form von Zwang. Ich finde übertriebene Wokeness fast ebenso daneben wie die strikte Weigerung, sich mit den Hintergründen auch nur zu beschäftigen.
Was mir aber auffällt - und auf deine Frage sehr gut passt:
Es gibt seit der Ausbreitung des Internet eine ganze Reihe von sprachlichen Änderungen bzw. Erweiterungen, an denen sich nie mehr als ein paar einzelne Sprachdogmatiker gestört haben. Wir nutzen Hashtags und Smileys, ohne mit der Wimper zu zucken. Da ist ein Doppelpunkt mehr (Sternchen nutze ich nicht, da sie eigentlich bereits als Auslassungszeichen wie in "f*ck" belegt sind) keine große Sache.
Was ich aber bei vielen Gendergegner:innen sehe und was auch in Diskussionen um das Thema immer wieder anklingt, ist etwas Tiefergehendes:
Wer das sprachliche Gendern ablehnt, lehnt häufig auch den Hintergrund dazu ab - vor allem den Hintergrund! Da wird erbost darauf bestanden, dass es nur 2 Geschlechter gibt, alles andere grünversiffter Blödsinn sei, gekrönt am besten noch von der Sichtweise, dass Transmenschen im Grunde ihr biologisches Geschlecht gar nicht "richtig" wechseln und immer das bleiben, als was man sie bei der Geburt eingestuft hat.
Ob Gendergegner:innen sich im Weg stehen - ich weiß nicht, ob das Bild passt. Aber ich denke, viele sind nicht ehrlich, weder zu sich selbst noch zu anderen.
"Es gibt seit der Ausbreitung des Internet eine ganze Reihe von sprachlichen Änderungen bzw. Erweiterungen, an denen sich nie mehr als ein paar einzelne Sprachdogmatiker gestört haben."
Das stimmt allerdings. Der Umstand ist mir nun erst aufgefallen, nachdem ich diesen Satz gelesen habe. :)
Manche behaupten auch, Gendern mache einen Text "unverständlich", dabei traue ich auch den Gender-Gegnern so viel Intelligenz zu, dies sehr wohl zu verstehen (ich denke eher, es ist ein ästhetisches Missfallen).
Ich nutze gelegentlich Doppelnennungen (dass man das auch "Gendern" nennen kann, ist mir klar). Und das Sternchen nutze ich auch nur dann, wenn man ein Wort hier nicht schreiben darf (immerhin muss man hier ja der Frage wegen oft über "N*ger" schreiben).
Sie müssen sich nicht zwangsläufig im Weg stehen, aber es ist möglich
Die Gegner der Gendersprache verweisen auf die Grammatik und die besagt, dass ein ...er jemand ist, der etwas tut und damit nicht automatisch männlich.
Beide Seiten - sowohl Gegner als auch Befürworter:innen- sind sich nämlich ähnlicher als sie denken: Beide Seiten machen einen auf "Sprachpolizei", indem sie anderen Menschen vorschreiben wollen, wie sie sich zu artikulieren haben
Ganz so Unrecht hast Du damit auf den ersten Blick nicht. Auf den zweiten Blick ist das aber ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Während die eine Seite einer Gesellschaft eine völlig neue Sprache aufdrücken will, fordert die andere Seite lediglich die korrekte Umsetzung der bereits bestehenden Sprache.
Ein weiterer Unterschied ist, dass die Befürworter von Gendersprache scheinheilig und doppelmoralistisch argumentieren, mit ihrer neuen Sprache angeblich alle Menschen zu inkludieren, wobei das Gegenteil der Fall ist.
In der deutschen Sprache gibt es den generischen Maskulinum, der bekanntermaßen alle Geschlechter inkludiert. Gendersprache tut dies hingegen nicht. So wird bei Postbot:Innen z.B. der männliche Postbote völlig exkludiert. Un auch als Frau würde ich mich durch dieses Wort nicht mehr angesprochen fühlen, da ich dann ja eine Postbotin und keine Postbot:In wäre.
Die Gendersprache ist ein Flickenteppich, der immer wieder merkt, dass diese Sprache schon in der Theorie nicht funktioniert. Erst Recht natürlich nicht in der Praxis. Aber dieses Problem wird ignoriert und stattdessen werden nicht-praktikable Workarounds gebildet die zu neuen Sprachproblemen und semantischen Belustigungen führen.
Beispiel: Der LKW-Fahrende ist bei dem Unfall gestorben. <- Wie kann er gestorben sein, aber dennoch weiterhin LKW-fahren?
Oder das Beispiel "Studierende": Was ist der Studierende denn in seiner Freizeit, während er gerade nicht studiert? Jedenfalls kein Studierender.
Ganz ehrlich: Hätte ich Linguismus studiert, würde ich eine Vollkrise bekommen und meine Studiengebühren zurückverlangen.
Ich bin selbst nicht nur ein Gegner der Gendersprache im Speziellen, sondern von Unlogik und Sprachzensur im Allgemeinen.
Leider wird unsere Sprache aber immer weiter gekappt, minimiert und zensiert. Solange bis man gar keine Möglichkeit mehr hat, das auszudrücken, was man gerne ausdrücken möchte. Denn ohne Sprache ist auch keine Kritik möglich. Da dies eine unverkennbare Parallele zu George Orwells 1984 ist, nenne ich unsere "neue Sprache", einschließlich Gendersprache auch Neusprech.
Und du bist alles andere als gleichgültig dem Thema Gendern gegenüber.
Dagegen spricht schon deine Wortwahl:
... permanenten lauten Stimmungsmache ...
... widerwärtig und einfach nur krank! ...
Am striktesten spricht gegen deine Gleichgültigkeit der riesige Text, den du zum Thema verfasst hast.
Und du bist nicht gleichgültig, sondern eindeutig ein Genderer.
Einige deiner Argumentationen sind schlicht falsch:
"was konkret diese überzeugten Gender-"Gegner" mit ihrer permanenten lauten Stimmungsmache eigentlich bezwecken."
Andersrum. Die Genderer machen Stimmung, drohen den Genderverweigerern sogar mit Nachteilen ( Das Thema Punktabzüge für Studenten, die Gendern verweigern, wurde schon an anderer Stelle besprochen).
Für den umgekehrten Fall, dass Genderer drangsaliert wurden, kenne ich kein Beispiel.
Beide Seiten machen einen auf "Sprachpolizei", indem sie anderen Menschen vorschreiben wollen, wie sie sich zu artikulieren haben (die einen durch die Forderung einer Genderpflicht und die anderen durch die Forderung eines Genderverbots bzw. einer "Abschaffung")
Habrichtig. Die Genderer mimen auf Sprachpolizei richtig.
Anti-Genderer versuchen nur, ein Gendersprachgebot zu verhindern, dass eine winzige Minderheit einer Mehrheit versucht aufzunötigen.
"Ein Lieblings-"Argument" der Gendersprech-Gegner, dass "wir ja wohl größere Probleme haben", lässt erheblich an deren Glaubwürdigkeit zweifeln, weil ihr Engagement für diese anderen Probleme deutlich zu wünschen übrig lässt."
Ein gutes Beispiel dafür, dass du gegen Gender-Ablehner bist.
Wir haben tatsächlich größere Probleme. Und ob das Engagement der Nichtgenderer für andere Probleme zu wünschen übrig lässt, kannst du nicht beurteilen.
Ganz zu schweigen von:
und dabei einfach nur auf Bestätigungen ihrer eigenen Ansichten geiern.
Fiel mir auch auf, habe es weggelassen, da es schon (zu) viel war.
Hast du jetzt selber gemerkt, ne? :)