Ist der Satz "Ich denke, also bin ich" fehlerhaft?

5 Antworten

Mein Interpretation: Es ist nicht relevant, was das ist sein kann oder ist. Es geht darum, dass wir, wenn wir denken können, es sind. Was auch immer das sein sollte


JanS2000 
Beitragsersteller
 09.07.2021, 14:40

Ja leuchtet ein, aber ist das auch Grund die Realität bzw. fremdes Bewusstsein anzuzweifeln?

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VeryBestAnswers  09.07.2021, 14:44
@JanS2000

Ja. Descartes sagt in dem Satz nichts über andere Personen aus, sondern nur über sich selbst.

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JanS2000 
Beitragsersteller
 09.07.2021, 14:54
@VeryBestAnswers

Und wieso ist es dann unvernünftig und gegen den gesunden Menschenverstand wenn man an den Solipsismus glaubt? Eigentlich muss dann ja jeder die Realität anzweifeln

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VeryBestAnswers  09.07.2021, 23:08
@JanS2000

Wenn Leute vom "gesunden Menschenverstand" reden, dann meinen sie oftmals bloß ihr Bauchgefühl bzw. ihre Intuition. Darauf würde ich also nicht allzu viel setzen.

Ich persönlich denke, dass es am vernünftigsten ist, das zu glauben, was am plausibelsten ist. Nach dem Plausibilitätsprinzip kann eine These, die weder beweisbar, noch widerlegbar ist, verworfen werden, wenn sehr viele Indizien dagegen und nur wenige oder keine Indizien dafür sprechen.

Ich finde es ziemlich plausibel, dass unsere Sinnesorgane mehr oder weniger die Realität abbilden, und wir nicht in einer Simulation leben. Das heißt, dass nicht nur ich existiere, sondern auch die Dinge und Personen, die ich sehen, hören, anfassen oder anderweitig messen kann. Das Gegenteil ist natürlich auch möglich, aber meiner Meinung unplausibel und daher weniger wahrscheinlich. Du musst diese Meinung nicht teilen.

Die Frage ist: Falls du zu dem Schluss kommst, dass außer dir nichts existiert, was machst du dann mit dieser Information? Versuchst du, andere Leute davon zu überzeugen -- die deiner Auffassung nach gar nicht existieren? Ich denke, das sinnvollste wäre, dein Leben einfach weiter zu leben wie zu vor, da du an deiner Realität ja nichts ändern kannst. Von daher ist es aus pragmatischer Sicht sinnlos, darüber zu diskutieren, weil es keinen Einfluss auf unser Leben hat. Meines Wissens gibt es keinen Befreier wie in Platons Höhlengleichnis.

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Zum Solipsismus meine ganz persönliche Meinung:

Der Solipsimus ist eine reine These (Spekulastion) ohne jeglichen Beleg und in meinen Augen auch eine ziemlich abgedrehte. Dazu muss ich etwas ausholen:

Prinzipiell gibt es zwei Grundsätzlich unterschiedlicher Methoden, Philosophie zu betreiben, die ontologische und die epistemische. Das muss man wissen und beachten.

Der Streit, wie man das Wesen der Welt entschlüsseln könnte, ist schon seit der Antike ein Streit innerhalb der Philosophie. Auf der einen Seite, für die man Platon als Protagonist nennen kann, stand die Auffassung, nur mit dem reinen Geist und der konsequenten Logik könne man das machen. Die Gegenposition besteht darin, dass man beobachten, messen und experimentieren muss, um die Welt zu erkennen. Da nenne ich als Protagonisten Aristoteles.

Dieser Streit hält bis heute an, hat sich nur etwas verfeinert aber im Kern nicht geändert. Die Suche nach Erkenntnis mithilfe der reinen Logik heißt Ontologie, die Erkenntnissuche mit Hilfe der beobachtenden Naturwissenschaften heißt Epistemologie.

In der Theologie und auch teils in der Philosophie wird viel Ontologie betrieben. Bekannt dürfte dir eine Erkenntnis der reinen Logik womöglich schon sein:

Wenn man die Voraussetzungen/Annahmen einer logischen Kette nur geschickt genug wählt, kann man mit Hilfe der Logik den größten Blödsinn beweisen.

Ein Bekannter von mir ist Professor für Mathematik und Philosophie. Er ist erklärter Determinist und Spezialist für Ontologie. Ich fragte ihn vor einiger Zeit bei einem Gespräch, welchen Nutzen die reine Ontologie denn eigentlich habe, wenn sie doch losgelöst von einem Abgleich mit der Wirklichkeit stattfinden würde. Das hat er mir dann kurz und knapp in etwa so erläutert: „Ontologische Erkenntnisse lassen sich prinzipiell weder widerlegen noch beweisen. Daher bringt die Ontologie an sich auch keinerlei Erkenntnisgewinn. Der einzige echte Nutzen, den die Ontologie bringt liegt darin, dass man mit ihr ganz prima eine hochdotierte Professorenstelle ergattern kann.“

Wenn mir in philosophischen Diskussionen einer kommt, der sich auf der rein ontologischen Ebene bewegt, dann lasse ich mich inzwischen gar nicht mehr auf diese ontologische Ebene groß ein, weil ich ja bestätigt weiß, dass sich eh nichts widerlegen lässt. Deshalb ist es auch schwierig den Solipsimus anzugreifen, nicht etwa weil einem der Intellekt fehlt, sondern weil es prinzipiell unmöglich ist, eine ontologische Gedankenkette anzugreifen. Intuitiv merkst man nur, dass das ganze irgendwie nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, dass also jeglicher epistemischer Bezug fehlt. In diese Kerbe haue ich dann. Ich verlasse die Ebene der Ontologie und gehe auf eine Metaebene, um die Ontologie an sich anzugreifen, indem ich sinngemäß die reine Ontologie als geistige Onanie angreife, die nur Blasen produziert, die beim Kontakt mit der Wirklichkeit ganz schnell platzen und dabei insbesondere den fehlenden Bezug zur Wirklichkeit hervorhebe.

Hierin liegt auch der Grund, warum viele Philosophen und vor allem Studenten der Philosophie ziemlich ungern mit philosophischen Laien diskutieren. Sie bewegen sich auf einer rein ontologischen Ebene und üben sich dabei in der korrekten Anwendung der reinen Logik, während die Laien andauernd mit irgendwelchen Bezügen zur Wirklichkeit ankommen, was schlichtweg nicht ins Konzept passt.

Es ist auch kein seltenes Phänomen, dass ontologisch argumentierende Zeitgenossen, insbesondere Studenten, die da mittendrin stecken, sich für überlegen halten und eine gewisse argumentative Arroganz ausstrahlen, weil sie ja wissen, dass ihre gesammelten Hirnfürze eh nicht zu widerlegen sind. Die fühlen sich (zu Recht) unangreifbar, was sie auch gerne mal zur Schau stellen.

Da hilft dann tatsächlich nur, immer wieder den fehlenden Bezug zur Wirklichkeit darzustellen und ihre Methode an sich anzugreifen.

Kenne zwei Theologen, die die Theologie hingeschmissen haben. Der eine hatte schon gegen Ende des Studiums den ontologischen Charakter der Theologie erkannte als einen Produktionsmechanismus pseudointellektueller Blasen ohne Inhalt und ist dann Kneipenwirt geworden. Der meinte, dass sich die Tätigkeit hinter der Theke gar nicht mal so sehr von der seelsorgerischen in einer Gemeinde unterscheiden würde. Man würde stundenlang mit den Problemen der Leute vollgequatscht und solle nun schlaue Lebensratschläge geben.

Der andere ließ sich zum Priester weihen, schmiss dann aber nach kurzer Zeit der Arbeit in einer Gemeinde hin und wurde Religionslehrer, weil er ja auch irgendwie Geld verdienen müsse, aber als Religionslehrer wesentlich freier über Religion und Glauben reden könne. Als Pfarrer war er aber noch gezwungen, die Lehrmeinung der Kirche zu verkünden, die aber vor allem wie im Theologiestudium gelernt und geübt, reine Ontologie ohne Bezug zur Wirklichkeit und ohne Erkenntnisgewinn sei. Die einfachen Leute, die dagegen in der Kirche sitzen, haben keinerlei Bezug zur Ontologie sondern würden erwarten, dass man ihnen etwas über die Wirklichkeit erzählen würde und er auch gemäß kirchlichem Auftrag gezwungen sei, diesen Leuten die kirchliche Ontologie als Wahrheit zu verkaufen. Letztlich habe er es aber nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren können, von der Kanzel andauernd Märchen zu erzählen, gleichzeitig aber den Eindruck zu erwecken habe, diese hätten irgendetwas mit der Wirklichkeit zu tun.

Mit der Epistemologie beschäftigen sich vor allem Erkenntnistheoretiker sowie Wissenschaftsphilosophen. Hier geht es tatsächlich darum, wie Erkenntnisse über die Wirklichkeit gewonnen werden können. Hierzu der Einfachheit halber ein Zitat aus Wikipedia:

„Die Erkenntnistheorie (auch Epistemologie oder Gnoseologie) ist ein Hauptgebiet der Philosophie, das die Fragen nach den Voraussetzungen für Erkenntnis, dem Zustandekommen von Wissen und anderer Formen von Überzeugungen umfasst. Dabei wird auch untersucht, was Gewissheit und Rechtfertigung ausmacht und welche Art von Zweifel an welcher Art von Überzeugungen objektiv bestehen kann.“

So ist also ausschließlich die Epistemologie als Arbeitsgrundlage der modernen Wissenschaften in der Lage, echte Erkenntnisse zu generieren. Natürlich müssen auch Naturwissenschaftler ein gewisses Maß an Ontologie betreiben, um z.B. innere Widersprüche in ihren Theorien aufzudecken oder mittels Induktion und Deduktion Vermutungen anstellen zu können, welche Auswirkungen eine Hypothese haben könnte, aber letztlich gelten solche Erkenntnisse erst dann als „wahr“, wenn sie dem Abgleich mit der beobachtbaren Wirklichkeit standhalten können.

Der Solipsimus sowie die gesamte Theologie mit ihren Gottesbeweisen ist reine Ontologie.

Ein systematischer und schwerer methodischer Fehler liegt nun m.E. genau darin, den Unterschied zwischen Ontologie und Epistemologie nicht zu beachten. Dann hält man leicht ontologische Schlüsse für Aussagen über die Wirklichkeit und diese Schlüsse bringen einen in innere Konflikt mit seinen epistemischen „echten“ Erkenntnissen, die man selber durch die Beobachtung der Wirklichkeit intuitiv gewinnt. Diese Widersprüche, wenn man ihre Ursache nicht erkennt, können zu gedanklichen starken Dissoziationen zu führen.

Der Solipsismus kommt ganz zwangsläufig zu dem Schluss, außer den eigenen Gedanken/Bewusstsein könne nichts anderes wirklich existieren, denn jedwede Beobachtung der Wirklichkeit wird ja schon mal aus prinzipiellen ontologischen Gründen abgelehnt und auf der rein geistigen Ebene lässt sich nun mal nicht eindeutig beweisen, dass auch andere Menschen ein Bewusstsein haben, denn wie oben geschrieben, lässt sich mit der Ontologie ja sowieso gar nichts beweisen. Fragst du allerdings „Praktiker“ (Epistemiker) , werden diese den Solipsimus für ziemlichen Blödsinn halten, denn alle Beobachtungen und wissenschaftlichen Untersuchungen sprechen nun mal dafür, dass alle Menschen Bewusstsein und Geist besitzen und dieser lediglich unterschiedlich ausgeprägt sein kann.


diem235er  13.07.2021, 15:41

Wow, trotz der Länge des Textes, ist in jedem Satz eine Aussage. Das gefällt mir!

Ist das auf das Wesentliche gekürzt worden oder machst du grundsätzlich nur aussagekräftige Sätze?

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Hamburger02  13.07.2021, 15:51
@diem235er

Diesen Text habe ich so schon vor längerer Zeit mal geschrieben, um meine Meinung zum Solipsismus in Kürze zusammenzufassen. Hier habe ich ihn dann nur erneut reinkopiert...man muss das Rad ja nicht ständig neu erfinden.

oder machst du grundsätzlich nur aussagekräftige Sätze?

Nein, aber ich versuche es meistens, denn damit, verständliche, präzise und auf das nötige beschränkte Sachtexte zu verfassen, verdiene ich mein Geld.

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JanS2000 
Beitragsersteller
 09.07.2021, 17:24

Danke für die Antwort. Habe ihren Kommentar glaube ich schon mal unter einer anderen Frage gelesen:)

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grtgrt  09.07.2021, 16:52

Sie behaupten weiter:

Wenn man die Voraussetzungen/Annahmen einer logischen Kette nur geschickt genug wählt, kann man mit Hilfe der Logik den größten Blödsinn beweisen.

Das ist einfach nur falsch, denn:

Wie Mathematiker und Logiker wissen, kann jeder Beweis nur Beweis einer Implikation der Form " Aus { D, A } folgt B " sein, worin A und B Aussagen sind und D die Menge aller Begriffe, die in wenigstens einer dieser Aussagen genutzt werden. Wenn die Implikation wahr ist, muss B aber noch lange nicht wahr sein. Es könnte ja A falsch sein oder einer der Begriffe aus D könnte nicht wohledefiniert sein.

Genauer: Aus Sicht der Implikation ist die Aussage A Axiom. Wenn der Beweis also schlüssig ist und B dennoch Unsinn, war halt einfach A schon Unsinn (was wenigstens dann der Fall wäre, wenn einer der Begriffe aus D ein Konzept ist, das widersprüchlich ist und daher keine Instanzen haben kann. [ Oft diskutiertes Beispiel ist der Barbier, der alle rasiert, die sich nicht selbst rasieren. ]

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grtgrt  09.07.2021, 16:20

Zur Ihrer Aussage:

Der Solipsimus ist eine reine These (Spekulation) ohne jeglichen Beleg und in meinen Augen auch eine ziemlich abgedrehte.

In Wikipedia liest man:

Als Solipsismus wird in der Philosophie die These bezeichnet, dass nur das eigene Ich existiert.

Häufiger Ausgangspunkt solcher Bedenken, so sagt Wikipedia weiter, sei die Auffassung, dass es unmöglich sei, Gewissheit über eine Realität außerhalb des eigenen Bewusstseins zu erlangen.

Wenn das stimmt, wäre ein Solipsist jemand, dem klar ist, dass er so genau ja nur die eigene Realität (= seine eigene Interpretation der Wirklichkeit) kennt. Ich kann solche Einsicht beim besten Willen nicht als dumm erkennen bzw. als "ziemlich abgedrehte" Spekulation, wie Sie meinen.

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JanS2000 
Beitragsersteller
 09.07.2021, 17:23
@grtgrt

Dumm ist das ganz bestimmt nicht. Ich glaube er meint das eher darauf bezogen, wenn jemand wirklich den Solipsismus vertritt und andere Menschen nicht für real hält. Denn das lässt sich nicht beweisen und ist auch wenig Erkenntnis bringend.

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grtgrt  09.07.2021, 18:45
@JanS2000

Der Solipsisten Meinung ist nicht "Existent ist nur, an was ich denke", sondern "Für mich existiert nur, an was ich denke".

Beides ist nicht dasselbe, und nur die erste dieser beiden Aussagen wäre Unsinn.

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JanS2000 
Beitragsersteller
 09.07.2021, 18:56
@grtgrt

Bist du denn solipsist? Wenn nein, würde mich interessieren, warum nicht und wieso die These dann aber nicht für Schwachsinnig hälst

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grtgrt  09.07.2021, 19:41
@JanS2000

Ich sehe mich nicht als Solipsisten. Aber mir ist klar, dass es einen Unterschied zwischen Realität(en) und der Wirklichkeit gibt. Wenn Solipsisten einen Fehler machen, dann den, dass sie offenbar nur Realität zur Kenntnis nehmen.

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grtgrt  09.07.2021, 19:55
@grtgrt

Solipsisten scheinen zu vergessen, dass auch sämtliche — natürlich unterschiedlichen — Realitäten denkender Wesen Teil der alles umfassenden Wirklichkeit sind: Die Realität, in der ein Mensch lebt, ist seine Interpretation des Teiles der Wirklichkeit, der sich ihm bemerkbar macht (= sein "Bild" der Wirklichkeit).

Markus Gabriel macht einen ganz ähnlichen Fehler: Er unterscheidet nicht zwischen Realität und Wirklichkeit. Nur so kann ich mir erklären, dass er allen Ernstes behauptet, man sehe die Wirklichkeit wie sie wirklich ist. Hawking, Bohr, Kant und sogar Platon waren da schon viel weiter.

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Hamburger02  09.07.2021, 19:59
@grtgrt
Der Solipsisten Meinung ist nicht "Existent ist nur, an was ich denke", sondern "Für mich existiert nur, an was ich denke".

Die Hauptaussage des Solipsismus besteht darin, dass nur das eigene Ich existiert. Die Existenz anderer Menschen wird damit negiert. Dieser Ausgangspunkjt führt dann z.B.. im ethischen Solipsismus zu der Aussage:

Es ist rational, das eigene Handeln nur danach zu beurteilen und auszurichten, dass die eigenen Präferenzen (etwa eigenes körperliches Wohlergehen usw.) weitestmöglich erfüllt werden (und Präferenzen anderer überhaupt nicht mit in Betracht zu ziehen).

Diese Haltung lehne ich völlig ab und halte sie für blödsinnig. Mit der ansonsten in der Philosophie häufig diskutierten Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und individuelller Realität hat das nur ganz am Rande zu tun.

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Hamburger02  09.07.2021, 20:03
@grtgrt

Diesen Aussagen von "Solipsisten scheinen zu vergessen.." ...bis "Solipsisten scheinen zu vergessen" stimme ich voll zu.

Nur so kann ich mir erklären, dass er allen Ernstes behauptet, man sehe die Wirklichkeit wie sie wirklich ist.

Diese Position des naiven Realismus könnte man als radikale Gegenposition zum Solipsismus sehen. Wie so oft dürfte die Wahrheit in der Mitte liegen.

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Das Gegenteil von Solipzismus wäre Erleuchtung? Das Ich in uns ist Gott selbst, könnte man sagen. Namaste heißt ja ich sehe die Gottheit in dir. In Indien ist man sich dem sehr bewusst.

Wenn das Ich sich auflöst, stellt man fest daß man die Ichs mehrerer Inkarnationen wahrnimmt, man nimmt die Ichs anderer Seelen wahr, als eigenes Ich. Man wird dann aus egoistischen Gründen altruistisch. Das Ich ist ja viel weiter zusammengefasst, man kann also nicht von Selbstlosigkeit sprechen. Das Ich löst sich in dem Fall nicht auf, sondern das Ego. Das Ich es erweitert sich. Eine Ich-Auflösung ist eine Bewusstseinserweiterung.

Man stelle sich vielleicht Gott, oder die alles zusammenfassende Gruppenseele, als das große Ich vor dass sich in die vielen kleinen Ichs abspaltet um die Erfahrung des Getrenntseins und der Vielfalt zu machen, weil es einfach langweilig ist, alles gleichzeitig zu wissen und alleine zu sein. Es muss während des Lebens gar nicht das Ziel sein erleuchtet zu werden, sondern die verschiedenen Perspektiven gelebt werden.

Manche behaupten, das man mal jeder Mensch sein wird und in jeden Menschen inkarniert. Ich denke das ist nicht ganz richtig. Die Gruppenseele spaltet sich in viele kleinere auf und die vereinigen sich danach wieder, so dass die Erinnerungen der Seelen wieder zusammen laufen.

Dass es eine Seele gibt, da sind sich plötzlich alle Religionen einig. Das einzig reale ist also das Ich, bzw das Bewusstsein. Das Ich erleben ist eine ewige Kontinuität. Ein Koma ist auch ein Bewusstseinszustand, man ist nicht "weg". Viele sind aus dem Körper, oder erleben einen Zustand der sich anfühlt als sei man "weg".

Die Materie ist Illusion, wie auch die Mayas oder Aborigines schon sagten. Wie sollen Elektronen die durch ein Gehirn zucken so etwas wie ein Ich erzeugen? Ein Körper würde direkt verwesen, wenn keine Seele darin wohnen würde.

Das Denken ist überhaupt nicht notwendig für ein Ich, zum existieren. Wenn ich für 10s aufhöre zu denken, hör ich ja nicht auf zu existieren. Descartes identifiziert sich offenbar ausschließlich mit seinem Denkapparat. Aber ich hab ihn nicht gelesen, und kann nicht beurteilen wie er das gemeint hat.

Auf der Linde vor unserem Fenster sitzt eine Krähe. Meine Augen bescheren mir ihre Existenz.

Ist die Krähe auch, wenn sie sich nicht denkt?

Mein Schwiegervater, Gerhart Frey, hat uns diese Radierung hinterlassen:

Bild zum Beitrag

Der Versuch, nur das dem Sein zuzusprechen, was Menschen sich mit ihrem „überorganischen Potential“, mit dem Denken verfügbar machen, hat den vermutlich dominierenden Glauben unserer Zeit hervorgebracht:

Den Glauben an die Wissenschaft.

Wie gut, wenn uns der Gedanke erreicht, "dass wir noch nicht mal wissen, was dieses "Ich" in uns überhaupt ist".

Nun, das empirische ICH können wir ja doch vermessen, ablichten, beschreiben!

Aber dann können wir auch noch von unserem SELBST sprechen, das nicht mess- und beschreibbar, aber doch in seiner grenzenlosen Verbundenheit mit allem erlebbar ist.

Mit meinem Glauben an die Sprachlosigkeit des Seins, an unsere Unfähigkeit, mit unserem menschlichen Bewusstsein unsere kreatürlichen Grenzen gedanklich zu überschreiten, gehöre ich natürlich aus „evidenzbasierter Sicht“ zu den irrationalen Spinnern.

Vielleicht haben aber ja die Bienen, die vor einigen Tagen so zahlreich die Lindenblüten besuchten, dem Sein auf ihre Weise überzeugenden Ausdruck gegeben:

SUM, SUM, SUM!

 

 - (Schule, Philosophie und Gesellschaft, Philosophie)

Descartes sagt quasi, dass Existenz eine Voraussetzung für Denken ist; Denken ist nicht ohne eine:n Denker:in möglich. Das "Ich" ist also definiert als "die Person oder Entität, die denkt". Selbst wenn die Welt, die ich wahrnehme, in Wirklichkeit gar nicht existiert, sondern nur eine Illusion oder Simulation ist, dann müssen meine Gedanken irgendwo herkommen. Zum Beispiel von einem Computer! In dem Beispiel ist dann der Computer "Ich", da der Computer meine Gedanken erschafft.

P.S. Wir wissen nicht, wie das "Ich" aussieht, wir wissen nur, dass es existiert. Das ist ernüchternd, aber es ist besser als nichts.