Hat Deutschland aus dem Horror des Dritten Reiches und des 2. Weltkriegs ausreichend gelernt?
Hallo,
für lange Zeit dachte ich, dass Deutschland eigentlich ausreichend Lehren aus dem zweiten Weltkrieg gezogen hat.
Bestimmte Dinge waren einfach nicht mehr sagbar, bestimmte politische Parteien wären niemals bis zu 20% gekommen, so wie das heute wieder der Fall ist.
Auch hätte es diese beispiellosen Angriffe auf den Sozialstaat nicht gegeben und man hätte auch nicht zugeschaut, wie die soziale und ökonomische Ungleichheit wieder so stark anwächst - mittlerweile wieder auf das Niveau der Zeit vor dem ersten Weltkrieg
Hinzukommt, dass Deutschland mittlerweile wieder bei fast jedem Krieg - sei es als Waffenlieferant oder als Kriegspartei - mitmischt.
Da stellt sich mir dann schon die Frage: Hat Deutschland in seiner politischen Kultur ausreichend aus den Erfahrungen im zweiten Weltkrieg gelernt? Wie seht ihr das?
Liebe Grüße
20 Stimmen
11 Antworten
wir erleben Schritt für Schritt eine Wiederholung unserer eigenen Geschichte.
Zum einen haben wir bereits viele Generationen, die sich gar nicht mehr mit dem 2. Weltkrieg direkt verbunden fühlen. Direkt verbunden natürlich nicht insofern, als dass man dabei war, aber doch zumindest eine Verbindung zu hat. Zeitzeugen sterben aus. Kommende Generationen haben höchstens noch insofern einen Bezug, als dass die Großeltern in die Nachkriegsjahre geboren wurden. Ich glaube das verändert eine Gesellschaft. Ich erinnere mich sehr gut an Gespräche mit Familienmitgliedern, die im 2. Weltkrieg aufgewachsen sind und noch viel mehr in der Nachkriegszeit und ich bin in den 90ern geboren. Das wird zukünftigen Generationen fehlen.
Dazu kommt die ganz gefährliche Entwicklung, dass immer mehr Menschen auch heute wieder anti-demokratische Parteien wählen, einfach nur als "Denkzettel" oder weil sie wütend sind und von der Politik enttäuscht sind. Da fragt man sich tatsächlich, wo die Lehren aus dem Faschismus geblieben sind. Die NSDAP wurde damals auch nicht von der Mehrheit der Bevölkerung aus Überzeugung gewählt. Die knapp 44%, die damals die NSDAP gewählt haben, waren nicht alle überzeugt von der Ermordung von Juden, der Zwangsarbeit von politisch Andersdenkenden oder einem erneuten Weltkrieg - und damals wie heute konnte aus Reden und Schriften durchaus erkannt werden, wohin Hitlers Politik steuern wird. Die Menschen haben das breitwillig in Kauf genommen, weil sie wütend auf die Demokratie waren, die NSDAP wurde aus Protest gewählt. Allein das ist eine Lehre, die komplett in Vergessenheit geraten ist. Heute wie damals wählen große Teile der Bevölkerung nicht aus Überzeugung sondern aus Frust und Wut und Enttäuschung mit einer demokratischen Wahl Demokratiefeinde in hohe politische Gremien.
Fremdenfeindlichkeit ist heute wieder salonfähig, man muss keine fundiert kritische Meinung mehr vertreten gegenüber Migration um sie offen äußern zu können, man kann heute Hassparolen und Hetze gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund öffentlich sogar auf politischen Veranstaltungen verkünden, ohne Furcht vor Strafe haben zu müssen. Dazu kommt ein - wie der Soziologe Colin Crouch schreibt - nostalgischer Pessimismus von Menschen, die die Zukunft grundsätzlich schwarz sehen und sich eine Zeit zurück wünschen, in der sie als weiße Männer stark privilegiert waren und Minderheiten weder sichtbar noch vertreten sein mussten.
Mir ist absolut klar, dass ich mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder die typischen Vorwürfe der Extremismussympathiesanten zu hören bekomme von wegen ich vergleiche die AfD und die NSDAP, die typische alte Leier. Wenn ihr kognitiv nicht in der Lage seid, zu verstehen was ich schreibe, tut mir das Leid für euch. Weder sage ich, dass die AfD einen dritten Weltkrieg anfangen wird, noch behaupte ich, dass sie Genozid-Fantasien hegt. Der Vergleich passt dennoch insofern, als dass damals wie heute demokratisch eine Partei gewählt wurde, die die Demokratie gefährdet und angreift. Und das ist nicht nur meine Meinung, das ist ein politikwissenschaftlicher Konsens. Überall auf der Welt, wo Rechtspopulisten schon an die Macht kamen, nahmen Freiheit und Demokratie ab. Ungarn hat die Demokratie sogar komplett abgeschafft, durch einen demokratisch gewählten Rechtspopulisten. Andere Staaten sind auf ähnlichem Weg. Wir haben unzählige Negativbeispiele, was die rechtspopulistische Wählerschaft leider nicht interessiert. Wählt Kleinparteien, werdet euren Frust los durch die Wahl von demokratisch einwandfreien Kleinparteien, da gibt es genügend, auch konservative. Und selbst wenn nur ein minimal kleines Fünkchen Chance besteht, dass die AfD unsere Demokratie abschaffen wird oder zumindest stark einschränken wird - und die besteht eindeutig - ist das keine tatsächliche Option, auch nicht aus Frust, Wut oder Enttäuschung. Ich sage also nicht, dass die AfD die NSDAP von heute ist. Ich sage dass die AfD heute am selben Punkt wie die NSDAP in den 20ern ist. Wie die NSDAP in den 20ern ist sie eine rechtspopulistische und antidemokratische Partei, die nicht aus Überzeugung gewählt wird sondern aus Protest. Wenn wir uns aber anschauen, wohin uns die NSDAP geführt hat, sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, ob uns dieser "Denkzettel" das Risiko wert ist. Klar, mit viel Glück entzaubert sich die AfD, sobald sie Regierungsverantwortung übernimmt, und es wird deutlich, dass der inkompetente Haufen nichts auf die Reihe bekommt. Aber was, wenn nicht... Auch von der NSDAP glaubten damals viele, sie würde sich entzaubern.
Und wenn nur die minimal kleinste Chance besteht, dass sich so etwas wiederholt, sollten wir solche Parteien vehement bekämpfen und unsere wehrhafte Demokratie dabei unterstützen, sich zu schützen.
Manche haben daraus gelernt, andere nicht.
Hat Deutschland aus dem Horror des Dritten Reiches und des 2. Weltkriegs ausreichend gelernt?
Im Westen auf jeden Fall. In der ehemaligen DDR fand jedoch keine derartige Aufarbeitung statt.
Bestimmte Dinge waren einfach nicht mehr sagbar, bestimmte politische Parteien wären niemals bis zu 20% gekommen, so wie das heute wieder der Fall ist.
Ja eben, deswegen hauptsächlich im Osten.
Da stellt sich mir dann schon die Frage: Hat Deutschland in seiner politischen Kultur ausreichend aus den Erfahrungen im zweiten Weltkrieg gelernt? Wie seht ihr das?
Gelernt haben wir, dass der Faschismus eines der ganz großen Übel damals war und heute noch immer ist, weshalb die Lehre daraus, die Ukraine gegen den Oberfaschisten Putin zu unterstützen, absolut folgerichtig ist.
In der DDR fand vordergründig eine viel kritischere Auseinandersetzung statt als in der BRD, wo nach den den Nürnberger Prozessen alle außer den Offizieren und Spitzenpolitikern als Mitläufer freigesprochen wurden und erstmal alles weitergehen sollte. Aber im Osten wurde die Ideologie des Nationalsozialismus durch die Ideologie des Sozialismus ersetzt, vielleicht haben deswegen gerade im Osten viele nicht aus unserer Geschichte gelernt.
Aber im Osten wurde die Ideologie des Nationalsozialismus durch die Ideologie des Sozialismus ersetzt,
Genau und der Nationalsozialismus wurde pauschal verurteilt und in Bausch und Bogen abgestritten, dass irgendwelche DDR-Bürger oder gar Funktionäre irgendetwas damit zu tun haben könnten. Das wurde nur dem Westen in die Schuhe gechoben. Na ja, eine Aufarbeitung ist das weniger, eher eine Verdrängung.
Dir muss ich allerdings vehement widersprechen, in dieser sehr ernsten Angelegenheit.
"Die Geschichte lehrt, aber sie hat keine Schüler."
Deutschland ist ein Land, ein Land kann nichts lernen. Es können nur die Menschen lernen und diese heutzutage haben damals nicht gelebt. Also lernen sie auch nichts. So geht es jedem Land. Auch andere Länder müssten aus ihrer Vergangenheit gelernt haben, tun sie aber nicht.
... Die AfD so stark ist.
Gelernt haben die, die es heute nicht mehr gibt, weil sie es erleben mussten Die nachwachsende Generation hat davon keine Ahnung . Gebetsmühlenartig wird gepredigt, nie wieder Krieg.
Ich erinnere mich noch an die in weisser Farbe auf Lokomotiven geschriebenen Satz der lautete "die Räder rollen für den Krieg" !
Allerdings lassen wir kaum eine Möglichkeit aus, die Bundeswehr in Krisengebiete zu schicken 20 Jahre Afghanistan, einige Jahre Mali . Derzeit ist die Bundeswehr in 17 Staaten präsent. Was erreichen wir damit ? Nichts !
Gelernt hat da keiner von den Politikern etwas daraus .Salbungsvolle Reden jedes Jahr wenn sich wieder ein Jahr nach Kriegsende ankündigt.
Wenn man aus der Vergangenheit gelernt hätte, wäre es nicht möglich, dass sich Parteien wie die AfD oder BSW (Wagenknecht) zur Wahl stellen könnten.
Faschismus bauchen wir ebensowenig wie Kommunismus. Beides endet im Chaos.
Einigen von uns geht es offenbar viel,zu gut. Die hören dann auf Stimmen die alles andere wollen, als Demokratie.
Das Pflänzchen Demokratie kann schneller eingehen, als manche glauben .
Ihr dann nachzuweinen, dafür dürfte es dann zu spät sein.
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