Haben die deutschen viel an kaufkraft verloren?
Hey Leute, ich bin mittlerweile ein junger erwachsener und bin gerade dabei meinen ersten richtigen Beruf zu beginnen.
Nun höre ich von vielen Erwachsenen, dass Deutschland von 1990-2010 noch ein viel besseres Land gewesen ist im Bezug auf die Kaufkraft. Mittlerweile soll alles super teuer geworden sein. Klar bemerke ich auch als junger erwachsener, dass das ein oder andere teurer geworden ist, als im letzten Jahr.
Dennoch habe ich das Gefühl, dass viele etwas übertreiben. Auch wenn der Käse vom Supermarkt 1-2€ Euro teurer geworden ist, haben wir es in Deutschland dennoch sehr viel besser als in vielen anderen Ländern.
Aber das ich die Dinge so betrachte könnte auch daran liegen, dass ich noch keine eigene Familie gegründet habe und keine eigene Miete zahle.
Was sagt ihr? Haben die deutschen wirklich viel an Kaufkraft verloren? Gibt es wirklich eine riesen unterschied zwischen Deutschland im Jahr 2000 und Deutschland heute? Vielen Dank.
6 Antworten
Gibt es auf jeden Fall. Merke ich am besten, wenn die Summe, die noch vor 3 Jahren locker einen Monat für die Ernährung gereicht hat, nun schon nach drei Wochen aufgebraucht ist.
Das wäre erstmal nur Inflation und bedeutet nicht zwangsläufig Kaufkraftverlust. Da muss noch die Lohnhöhe einbezogen werden.
Die Lebensmittelpreise sind da nicht so ausschlaggebend, sondern vielmehr die zu hohen Mieten und die ständig steigenden Energiepreise. Die sind die Ursache für den Kaufkraftverlust.
Anfang 2020 lag das Heizöl bei 70€/100L bis 72€/100L. Wir hatten die 80€/100L Mitte des Jahres wieder erreicht und waren damit fast wieder auf dem Vor-Corona-Niveau angekommen. Seither steigt es wieder. Warum? Weil die OPEC die Förderung gedrosselt haben. Warum? Weil wir "The-Line" finanzieren sollen. Dennoch sind die Ölpreise weit unter dem Niveau von 2022.
Beim Erdgas sieht es vom Niveau her anders aus. Hier hat Putin im Sommer 2021 damit begonnen, Europa das Gas abzudrehen. Das sieht man auch deutlich an den Preisentwicklungen. Verbraucher haben das erst mit fast einem Jahr Verzögerung aufgrund Preisbindungen gespürt. Aber ja, da sind die Preise derzeit um etwa 50% höher im Großhandel. Dennoch sinken die Preise seit geraumer Zeit teils deutlich.
Das Hoch von Mitte letzten Jahres haben wir weit hinter uns gelassen.
Ich denke es liegt zum einen daran das du die Zeiten von damals nicht miterlebt hast, es für dich also normal ist so viel für die Dinge zu bezahlen und zum anderen daran das du wie du selbst schreibst noch keinerlei Verpflichtung hast. Du kannst ja selber rechnen was du monatlich kriegst und was das leben kosten würde, hättest du eine eigene Wohnung, vielleicht ein Auto inkl. Steuer, Versicherung, Abnutzung etc. Monatliche Strom und Gas/Öl etc. Kosten. Was ich sagen kann ist folgendes:
2020 habe ich netto 2200€ gehabt davon habe ich zwei Personen durchgebracht ( Partnerin Studiert ) und habe monatlich was zur Seite legen können.
Heute habe ich 400€ mehr im Monat, bringe immernoch zwei Personen damit durch, aber sparen kann ich nichts mehr, im Gegenteil, grössere Investitionen ( Reparatur o ä ) muss ich vom Ersparten nehmen.
Also so gesehen geht es uns finanziell schlechter.
ich rechne heute noch manchmal die Euro in die gute alte DM um - ich habe auch teilweise noch die Preise von damals im Kopf und unsere alten Gehaltsabrechnungen haben wir (wir = mein Mann und ich) immer noch vorliegen - wenn ich das Nettoeinkommen von damals mit den Preisen von damals in ein Verhältnis setze und es mit dem heutigen Einkommen vergleiche, bzw. mit dem Einkommen vor Renteneintritt und den entsprechenden Preisen, dann stelle ich fest: ja, es gab Steigerungen auf der Ausgabenseite, die höher sind als die Steigerung der Einnahmeseite - das ist vor allem bei Lebensmitteln aber auch bei mit dem Wohnen verbundenen Kosten (Miete, Strom, Heizung usw.) gravierend und bei Handwerkerrechnungen - aber die haben ja persönlich die selben Probleme wie ich auch
ja, es ist tatsächlich viel Kaufkraft verloren gegangen - das macht sich vor allem deshalb jetzt bemerkbar, weil die zuvor äußerst niedrigen Zinsen wieder steigen
das macht sich vor allem deshalb jetzt bemerkbar, weil die zuvor äußerst niedrigen Zinsen wieder steigen
Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Wie können denn steigende Zinsen eine direkte (!) Auswirkung haben auf Lebensmittelpreise oder Löhne?
Betriebe (auch Lebensmittelbranche) finanzieren ihre Geschäfte häufig mit Krediten, eigentlich immer - wenn die Zinsen steigen, müssen sie also mehr für die Kredite zahlen und der Herstellungsvorgang bzw. die Kosten (inklusive Betriebskosten) für Einkauf, Lagerung und Distribution werden teurer
auch der Bau einer Lagerhalle wird mit Krediten finanziert sowie der Bau von Verwaltungsgebäuden und/oder Montagehallen oder der Kauf eigener Fahrzeuge, Stapler usw. - das ist eine langfristige Kapitalbindung - der Kredit muss meist monatlich bedient werden - wenn keine langfristige Zinsbindung vereinbart wurde (was auch nicht immer der Fall ist), dann können die Kosten für den Kredit sehr schnell ansteigen - die Beschäftigten brauchen dann mehr Geld für den Einkauf und wollen mehr Geld/Löhne
Betriebe, die nur auf Pump leben ohne festgeschriebene Zinsen, haben es nicht verdient, am Markt zu überleben. Bestenfalls sorgt das für eine Marktbereinigung.
Davon abgesehen wird das eh abgeschrieben.
Abschreibung bedeutet lediglich Reduzierung der Gewinne bzw. der vom Betrieb zu zahlenden Steuern - die aufgenommenen Kredite müssen auch von Betrieben zurückgezahlt werden oder wer soll das sonst zahlen? Wäre das nicht so, dann kannst du darauf warten, dass du alsbald beim Geldautomaten deiner Bank kein Geld mehr bekommst, weil sie keines mehr haben
Du hast keine Vorstellung, wie viele Betriebe nur "auf Pump" leben, wie du es nennst (tu ich auch manchmal) - nun ja, H. Habeck hat eine derartige Situation schon mal beschrieben mit "die hören einfach auf" - ganz so einfach ist es aber nicht
Eine solche Marktbereinigung, wie du sie beschreibst, würde auch den Arbeitsmarkt bereinigen - die so arbeitslos gewordenen Beschäftigten müssten dann zum Bereinigen ihrer in Zukunft fehlenden Löhne zur Agentur für Arbeit und ihre Hand dort aufhalten
Nun höre ich von vielen Erwachsenen, dass Deutschland von 1990-2010 noch ein viel besseres Land gewesen ist im Bezug auf die Kaufkraft.
Das ist Quatsch.
Wenn man die Kaufkraft messen will, braucht man eine Größe, die insbesondere Lohnsteigerung und Inflation unberücksichtigt lässt. Eine sehr gute Messgröße ist daher, wie viel man von seiner Arbeitskraft kaufen kann, also wie viel man für 1 Stunde seiner Arbeit wirklich bekommt.
Und dieser Vergleich, also die Messung an der Arbeitsminute, zeigt eindeutig, dass fast alles teilweise deutlich billiger wurde. Es gibt nur sehr wenige Waren, die nahezu konstant im Preis blieben oder die es verteuert hat.
Was sich verändert hat, ist eher die Zusammensetzung des Warenkorbs. Gerade im Bereich der Telekommunikation oder Elektronik ist einiges dazu gekommen, was es früher so noch nicht gab. Hier mal ein Beispiel, wie das Anfang der 1990er aussah: Vom "Knochen" zum Smartphone: Vor 30 Jahren begann die Mobilfunk-Ära - n-tv.de Diese tragbaren Telefonzellen wollte auch keiner, zumal die Telekommunikation selbst sehr teuer war.
Seither hat sich vieles getan und nicht alle Branchen bzw., Löhne haben da Schritt gehalten.
Man kann es auch anders ausdrücken: Vor 30 Jahren hat noch ein Brot mit Milch gereicht. Heute ist das Brot mit Milch zwar deutlich billiger, aber du musst ein halbes Schwein dazu kaufen.
In der jüngeren Vergangenheit und mit den Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der Maßnahmen des OPEC-Kartells, gab es eine extreme Inflation und die Lähne werden nur nach und nach gesteigert. Das verzerrt vieles, aber die Grundtendenz über 30 Jahre verändert auch das nicht.
Die Energiepreise sinken immer weiter, seit etwa Februar sind beispielsweise die Strompreise niedriger als 2019/2018.