Schaden hohe Löhne dem deutschen Wirtschaftsmodell?

Nein 47%
Naja 29%
Ja 24%

17 Stimmen

9 Antworten

Ja

Löhne sind für die Unternehmen Kosten.

Steigende Kosten bedeuten schlechtere Wettbewerbsfähigkeit. Alternativ schlechtere Renditen.

Da wir bereits heute ein Hochlohnland sind,ist das einer exportorientierten Wirtschaft nicht zuträglich.


Miniaturwelt  08.08.2024, 06:26
Löhne sind für die Unternehmen Kosten.

Und gleichzeitig steigende Einnahmen.

Diese höheren Löhne (gesamtgesellschaftlich), sorgen natürlich für höhere Konsumausgaben, gerade bei Einkommen mit hoher Konsumquote.

Ein Fehler den viele machen - sie nehmen betriebswirtschaftliche Annahmen und übertragen sie auf Volkswirtschaften.

Steigende Kosten bedeuten schlechtere Wettbewerbsfähigkeit.

Nicht wirklich. Und ganz besonders nicht für den Industriestandort Deutschland. Anders als z.B. gestiegene Einzelstückkosten durch Energiepreisschocks, gleichen sich gestiegene Löhne (oberhalb der Inflation) durch eine erhöhte Nachfrage (um damit durch Wirtschaftswachstum) aus.

Da wir bereits heute ein Hochlohnland sind,ist das einer exportorientierten Wirtschaft nicht zuträglich.

Unsinn, du verdrehst das ein wenig. Die Löhne in Deutschland sind im Vergleich zur volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu gering - und deshalb sind wir eine exportorientierte Wirtschaft - Merkmale dafür sind eine "positive" Leistungsbilanz.

Andersrum wird also ein Schuh draus.

Deutschland ist zu wettbewerbsfähig (im Bezug auf die Lohnkosten) für den EU-Raum und schadet damit seinen Binnenländern innerhalb der EU.

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Interesierter  08.08.2024, 06:39
@Miniaturwelt

Die höhere Konsumnachfrage richtet sich jedoch nicht nur auf Produkte und Dienstleistungen aus dem eigenen Land. Diese stehen auch auf dem Binnenmarkt mit Importen in Konkurrenz.

Die nachfragebasierte Wirtschaftstheorie nach Keynes ist heute längst widerlegt.

Die deutschen Exporte betreffen überwiegend Hochtechnologie. Billige Massenware wird schon längst nicht mehr in Deutschland produziert. Unser starker Export wird durch Innovation und Qualität getragen, nicht von billigen Lohnkosten.

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Miniaturwelt  08.08.2024, 08:51
@Interesierter
Die höhere Konsumnachfrage richtet sich jedoch nicht nur auf Produkte und Dienstleistungen aus dem eigenen Land. 

Natürlich. Wobei - die gestiegene Nachfrage für Güter wird in der Regel trotzdem durch Produktionssteigerungen im eigenen Land erfüllt. Gerade wenn eine Volkswirtschaft konkurrenzfähig ist.

Ob das am Ende auch deutsche Unternehmen sind, ist eher sekundär. Auch wenn ausländische Unternehmen ihre Investitionen in Deutschland steigern, profitiert davon der Standort Deutschland. Wenn als ganz plumpes Beispiel z.B. die Nachfrage für Schokoeis steigt - und eine ausländische EU-Firma ein erhöhtes Angebot im EU-Ausland schafft, braucht es dafür z.B. Produktionsmittel (Maschinen und Anlagen) oder Verpackungsmaterialen etc., die sehr häufig aus Deutschland kommen. Die EU-Länder sind aus diesem Grund auch sehr spezialisiert und arbeitsgeteilt.

Das erhöht dort das BIP, was wiederum dafür sorgt, dass auch Deutschland mehr exportieren kann, ohne dass sich diese Länder verschulden müssen.

Im besten Fall steigt auch in diesen Ländern durch derartige Maßnahmen mittelfristig die Nachfrage und Reallöhne, weil sich die allgemeine wirtschaftliche Situation verbessert. Davon profitieren wir. In der Wirtschaft ist Handel (Kooperation), sofern dieser irgendwo gleichberechtigt stattfindet, ein Win-Win-Geschäft.

Die nachfragebasierte Wirtschaftstheorie nach Keynes ist heute längst widerlegt.

Unsinn. Sie wurde durch die Neoklassik und Think-Tanks der Mont-Pelerin-Society aus dem Diskurs verdrängt. Im akademischen Sektor ist vorallem der Post-Keynsianismus noch häufig Thema.

Die deutschen Exporte betreffen überwiegend Hochtechnologie. 

Wie z.B. hochmoderne Fertigungsanlagen? Wir denken an mein anschauliches Schokoeis-Beispiel.

Billige Massenware wird schon längst nicht mehr in Deutschland produziert

Aber die Produktionsmittel für diese billige Massenware.

Das war ein wichtiger Schritt für die Umstellung der deutschen Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg. Anstatt Güter überwiegend selbst zu produzieren, produziert man die Produktionsmitteln und ist damit nicht auf die eigene volkswirtschaftliche Nachfrage begrenzt, sondern profitiert übermäßig davon, wenn woanders die Nachfrage steigt. Andersrum genauso - wenn ausländische Firmen die Nachfrage (gerade für billige Massengüter) in Deutschland abdecken.

Unser starker Export wird durch Innovation und Qualität getragen, nicht von billigen Lohnkosten.

Und deshalb schadet unser geringer Reallohn auch unserer Wirtschaft.

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Interesierter  08.08.2024, 09:51
@Miniaturwelt

Die Konsumnachfrage aus höheren Löhnen bedingt, so schreibst du es ja selbst, eben nur in sehr geringem Umfang tatsächlich einen Nachfrageschub bei den einheimischen Unternehmen.

Somit ist das ganze Argument hinfällig.

Tatsächlich sind Lohnkosten immer noch Kosten und damit Teil der Wettbewerbsfähigkeit.

Für die Wirtschaft sind Reallöhne ohne Bedeutung. Ausschließlich die nominalen Kosten sind maßgeblich.

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Miniaturwelt  08.08.2024, 11:52
@Interesierter
Die Konsumnachfrage aus höheren Löhnen bedingt, so schreibst du es ja selbst, eben nur in sehr geringem Umfang tatsächlich einen Nachfrageschub bei den einheimischen Unternehmen.

Unsinn. Weder ist dieser Umfang gering, noch würde der Umfang in anderen Bereichen des Exportes diesen reduzierten Umfang nicht abdecken.

Somit ist das ganze Argument hinfällig.

Das ist deine falsche Schlussfolgerung.

Tatsächlich sind Lohnkosten immer noch Kosten und damit Teil der Wettbewerbsfähigkeit.

Und nochmal - die Reallöhne in Deutschland sind zu gering. Deshalb die starke Exportindustrie und das geringe Wirtschaftswachstum trotz immer mehr Beschäftigten.

Für die Wirtschaft sind Reallöhne ohne Bedeutung. Ausschließlich die nominalen Kosten sind maßgeblich.

Unsinn. An den Reallöhnen misst sich die Kaufkraft einer Volkswirtschaft.

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Grautvornix  07.08.2024, 17:33

Und warum verkaufen auch 8die Schweizer Maschinen, bei den Löhnen?

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Interesierter  07.08.2024, 18:50
@Grautvornix

Die tatsächlichen Lohnstückkosten sind in der Schweiz nicht wirklich höher als in Deutschland.

Das liegt an den hohen Abgaben und der deutlich geringeren Stundenzahl, die in Deutschland gearbeitet wird.

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Nein

Sind die Löhne zu niedrig, steigen die Abgabenlast für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer und die Kosten des Sozialsektors, weil der Abstand zwischen Löhnen und Lebenskosten von der Allgemeinheit aufgefangen werden muss. Das fängt während des Arbeitslebens an und zieht sich bis zur Rente durch. Hier sollten die Löhne steigen, bis das nicht mehr der Fall ist.

Jeder Niedriglöhner der aufstocken muss, jeder Mindestlohn AN, der Wohngeld beantragen muss, treibt die Kosten für die Sozialabgaben hoch in der Regel bis zu seinem Ableben, da mit zu wenig Verdienst nicht für die Rente vorgesorgt werden kann. Kein Geld - Kein Konsum - schlecht für die Wirtschaft

Sind die Arbeits-/ Produktionskosten (nicht unbedingt die Löhne) zu hoch, könnte es dazu führen, dass Firmen abwandern. Allerdings würde ein Teil der Kosten durch höhere Löhne wiederum abgefangen werden, weil höhere Löhne weniger Sozialkosten zur Folge haben und die Abgaben verringert werden könnten.

btw: Ja, gut ausgebildeten AN geht es besser als schlechter Ausgebildeten, aber es können nicht alle als Arzt, Anwalt oder ITler arbeiten. Wenn es nur noch Ärzte und Co gibt. Wer pflegt dann unsere Alten, wer putzt für uns oder pflegt die Grünanlagen? Jede Arbeit, die gemacht werden muss, sollte anständig bezahlt werden.

Man sagt immer gern: hohe Löhne - höhere Inflation. Da gehört allerdings doch mehr dazu. In den letzten Jahrzehnten sind die Lohnanhebungen eher der Inflation hinterhergerannt. Der Nominallohn ist zwar gestiegen, der Reallohn aber auf gleichem Niveau geblieben, bzw seit 2020 eher abgesunken und erst im letzten Jahr wieder um ganze 0,1% gestiegen. Zwischen 2007 und 2019 stieg der Reallohn im Durchschnitt um 1,1% (insgesamt) Die Anstiege sind vor allem dem Mindestlohn und dem Durchsetzungsvermögen der Gewerkschaften zu verdanken. Anderenfalls gäbe es vermutlich ein durchschnittliches Absinken der Reallöhne.

Quelle


Miniaturwelt  08.08.2024, 06:31
Sind die Arbeits-/ Produktionskosten (nicht unbedingt die Löhne) zu hoch, könnte es dazu führen, dass Firmen abwandern. Allerdings würde ein Teil der Kosten durch höhere Löhne wiederum abgefangen werden, weil höhere Löhne weniger Sozialkosten zur Folge haben und die Abgaben verringert werden könnten.

Als Keynsianist muss ich hinzufügen, dass höhere Löhne auch höhere Ausgaben bei den Privathaushalten zur Folge haben, die ja letzlich auch den Unternehmen nützen.

Aber natürlich müssen sich Löhne irgendwo an der Realwirtschaft messen lassen.

Aktuell sehen wir aber das Gegenteil - zu geringe Reallöhne.

Ansonsten eine gute Analyse!

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Naja

Die Frage wäre, wozu dient das Wirtschaftsmodell wenn nicht den Leuten die hier Leben?

Was haben wir denn von einem höheren BIP wenn es 90% der Bevölkerung schlechter gehtß

Steigen die Preise für Dienstleistungen

Das ist nicht der Fall, bei höheren Löhnen würden ja alle auch mehr verdienen das heißt man hätte auch mehr geld für die Dienstleistungen.

Steigen die Produktionskosten, sinkt der Export.

Das problem ist das niedrige Lohnkosten die Innovation bremsen. Man kauft sich eben keine neuen Maschinen oder entwickelt seine produktion weiter wenn es billiger ist einfach mehr Arbeitsstunden aufzuwenden.

Deutschland hatte früher international gesehen einen recht hohen lohn, das heißt man musste versuchen aus jeder Arbeitsstunde das maximum an produktivität rauszuholen. Maschinen und Innovation haben sich schnell rentiert, da selbst wenn man nur ein wenig Zeit spart, man bei hohen Löhnen dies schnell wieder raus hat.

Aktuell dreht es sich eher zum schlechteren, anstatt zu investieren behält man alte prozesse und holt sich eher mehr arbeitskräfte weil die billiger sind.

Kurz gesagt: Sich einen Traktor anzuschaffen lohnt sich für den Landwirt nur wenn die arbeitskraft, seiner mitarbeiter teuer genug ist.


Miniaturwelt  07.08.2024, 18:03
Was haben wir denn von einem höheren BIP wenn es 90% der Bevölkerung schlechter gehtß

Der Witz ist ja, dass das BIP dadurch sogar einbricht, weil die eigene volkswirtschaftliche Nachfrage im Zweifelsfall stagniert oder sogar abnimmt.

Übermäßige Konkurrenzfähigkeit geht historisch immer mit Lohndumping einher.

Das ist nicht der Fall, bei höheren Löhnen würden ja alle auch mehr verdienen das heißt man hätte auch mehr geld für die Dienstleistungen.

Wobei sich die Gehälter in Dienstleistungen natürlich auch anpassen würden.

Ansonsten ist deine Ausführung sehr scharfsinnig.

LG

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Nein

Löhne über dem Marktpreis bzw staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung schaden der Wirtschaft. In einem freien Arbeitsmarkt haben Mitarbeiter die deutlich höheren Löhne, da die Produktivität um einiges höher ist. Das finanziert dann auch den besseren Lebensstandard.

Nein
Wir sind ja ein Export-- und Dienstleistungsland.

Wir sind ein Exportland, weil die Löhne in Deutschland zu gering sind. Mit unserem Lohndumping sind wir wettbewerbsfähiger und mit der positiven Leistungsbilanz (die alles andere als positiv ist) schaden wir unseren europäischen Partnern - und damit letzlich auch dem eigenen Binnenhandel.

Wenn ein Land in einer Währungs- und Wirtschaftsgemeinschaft Leistungsbilanzüberschüsse macht, muss sich konsequenterweise ein anderes Land für diesen Überschuss verschulden. Das ist weder nachhaltig, noch nützlich. Es hilft nur der Exportindustrie und dem deutschen Großkapital. Die Kosten dafür (Lohndumping), müssen die Arbeiter tragen - auch zum Nachteil im BIP, da das Lohndumping ganz eklatant Kaufkraft entzieht.