Landgericht Lübeck
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Wasserlassen am Meeressaum: „So ist es halt an der Küste“
„Wat mutt, datt mutt“, dachte sich wohl ein Besucher der diesjährigen Travemünder Woche und urinierte kurz nach Mitternacht in die Fluten der Ostsee. Beobachtet wurde er dabei von Mitarbeitenden des Ordnungsamtes, die dafür eine Geldbuße von 60 € verhängten. Zu Recht? Darüber musste das Amtsgericht Lübeck entscheiden.
Der Amtsrichter zeigte Verständnis für das natürliche Bedürfnis und führte aus, es sei schon nicht ersichtlich, ob außer den Mitarbeitenden des Ordnungsamtes andere Personen den Vorgang beobachtet hätten. Und selbst wenn: Auch auf öffentlichen Herrentoiletten finde „an durchgehenden Pissoirs, an Rinnen oder sonstigen offenen Abtritten das gesellige Wasserlassen statt.“
Auch die Verletzung des Schamgefühls von weiblichen Strandbesucherinnen sei nicht zu befürchten, denn ein Wasserlassen in der Natur sei „bei Wanderungen, bei Arbeiten in Feld und Flur, bei Jägern und Pilzesammlern, bei Radsportlern und Radtourlern, bei Badenden an Seen und Flüssen und bei sonstigen naturnahen Beschäftigungen gesellschaftlich akzeptiert.“ Dass es am Spülsaum der Ostsee, anders als in den Bergen und an Waldrändern, keine weiteren Möglichkeiten zum Rückzug gebe, als sich schlicht umzudrehen, könne sich nicht zum Nachteil des jungen Mannes auswirken. Denn: „So ist es halt an der Küste.“
Auch eine Verschmutzung oder Geruchsbeeinträchtigung sei nicht zu befürchten, rechnet der Richter vor: „Die Ostsee enthält eine Wassermenge von 21.631 Kubikkilometern Brackwasser. Der Verdünnungsgrad wäre selbst im Wiederholungs- oder Nachahmungsfall so hoch, dass eine belästigende Verschmutzung oder Geruchsbeeinträchtigung ausgeschlossen ist.“
Es folgte ein Freispruch, den das Gericht abschließend wie folgt begründet: „Der Mensch hat unter den Weiten des Himmelszeltes nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee.“
Die (lesenswerte) Entscheidung ist hier im Volltext abrufbar: https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/.../part/L
Amtsgericht Lübeck, Urteil vom 29. Juni 2023, Az.: 83a OWi 739 Js 4140/23 jug.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
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