Wie hier schon von meinen Vorgängern ausreichend erklärt wurde, sind die Russlanddeutschen nicht erst in den Neunzigern eingeladen worden (meine ersten Verwandten kamen schon 1976, wir waren 1991 aus meiner großen weitverzweigten deutschen Verwandtschaft fast die letzten, die aus der Sowjetunion ausgereist sind), sondern hatten nach dem Bundesvertriebenengesetz schon viel früher das Recht nach Deutschland zu kommen, wurden aber nicht aus der Sowjetunion rausgelassen.
Um über die Familienzusammenführung hierher zu kommen, brauchte man Verwandte ersten Grades, und die hatte kaum jemand, nur die Deutschen aus der Ukraine, die unter deutsche Besatzung geraten, dann nach Deutschland geflüchtet, hier eingebürgert und 1945 wieder von den Sowjets zurück in die Sowjetunion verschleppt worden sind (wie zB. meine Großeltern), hatten manchmal welche, die sich der Deportation entziehen konnten, weil sie in eine der westlichen Besatzungszonen flüchteten. Oder die, die in der sibirischen Verbannung deutsche Kriegsgefangene geheiratet haben, solche Fälle hatten wir auch mehrere in der Familie. Die hatten dann einen Kontakt nach Deutschland, und mit viel Mühe und Not konnten sie schon früher raus.
Die meisten Wolgadeutschen hatten zum Beispiel gar keine Verbindung nach Deutschland, weil sie schon 1941 kompakt nach Kasachstan deportiert worden sind. Manche haben dann Schwarzmeerdeutsche geheiratet und könnten dann über deren Verwandten nach Deutschland, aber die meisten mussten bis 1989 warten.
Bei uns war das so, dass alle 2-3 Jahre Verwandte von uns ausgereist sind, die ersten, wie gesagt, 1976 im Jahr meiner Geburt, ich bin quasi damit aufgewachsen, dass auch wir irgendwann mal dran sein werden. Hat halt bei uns leider etwas länger gedauert.
Und eine deutsche Mentalität hatten wir auch dort schon und Deutsch haben wir auch dort schon gesprochen, nach Deutschland zu kommen war auch ein bisschen wie nach Hause kommen für mich. Ich dachte mir damals gleich: "Endlich normale Leute hier!" und: "Alter, die sind ja genauso doof wie ich!" 😁
Dass später stark gemischte und in die russische Kultur vollständig assimilierte Familien nachkamen, war fast nicht zu vermeiden. Die deutsche Oma durfte halt zu ihren Verwandten nach Deutschland und konnte so alle ihre halb- und vierteldeutschen Nachkommen samt ihrer nichtdeutscher Ehepartner mitnehmen. Familienzusammenführung heißt ja nicht, dass man gleich wieder Familien auseinander reißen soll. Das macht ja nun gar keinen Sinn.
Und Fachkräfte wurden damals nicht in dem Maße wie heute benötigt, es herrschte eher eine große Arbeitslosigkeit. Die Boomer standen noch voll im Saft und hätten durchaus noch eigene Kinder kriegen können, was viele allerdings nicht getan haben, außerdem wurde der Osten kurz zuvor an die Bundesrepublik angeschlossen, der demografische Wandel war also auch noch nicht so das Thema.