Wie genau erklärt Kant den apriorischen Charakter von Raum und Zeit? Wieso kann es sich bei den reinen Anschauungsformen nicht um "angeborenes Wissen" handeln?
Die Problematik von Kants transzendentaler Ästhetik hinsichtlich der Frage wie Raum und Zeit als reine Anschauungsformen uns überhaupt (als reine Formalvorstellungen) reizen/zwingen alle Erscheinungen in ihnen zu ordnen ist ja gemeinhin bekannt. Es ergibt ja eben das folgende Problem:
Wie kann es sein, dass diese reinen Anschauungsformen bereits vor aller Erfahrung vorgelagert ist. Wenn es sich nicht um angeborene Erkenntnis/Wissen handelt, was ist dann die Ursache dafür, dass wir gerade so die Erscheinungen ordnen und nicht anders? (Beiläufig bemerkt: zu Erkennen, dass Raum und Zeit nicht unabhängig vom Ich existieren (so wie Kant sagt) ist eine apriorische Begriffsbildung (aka Synthesis), aber damit ist noch nicht beantwortet wieso wir schon vor dieser Begriffsbildung und Erkenntnis die Erscheinungen nach diesen reinen Anschauungsformen ordnen, wenn eben ja nicht angenommen werden müsste, dass unsere Biologie und Hirnstruktur von Geburt an ja gerade dies voraussetzte.
3 Antworten
Die Tatsache, dass Raum und Zeit objektive Gegebenheiten sind, die unabhängig von unserem Bewusstsein existieren, bestimmt deren Apriori-Position unabhängig von der Erfahrung. Das Wissen, dass Raum und Zeit unabhängig von unserem Bewusstsein existieren, ist nicht angeboren und resultiert natürlich aus der Erfahrung, die man erst machen kann, wenn man sich damit beschäftigt.
(Beiläufig bemerkt: zu Erkennen, dass Raum und Zeit nicht unabhängig vom Ich existieren (so wie Kant sagt) ...
Hat er das wirklich gesagt? Das wäre dann offenkundig falsch.
Des Rätsels Lösung dürfte im kollektiven oder gesellschaftlichen Bewusstsein liegen, von dem wir mit dem Erlernen der Muttersprache Worte und Begriffe in unser individuelles Bewusstsein übernehmen.
Ich glaube, wenn Kant heute am Leben wäre, dann würde er sagen: Diese apriorischen Begriffe wurden in der biologischen Evolution des Menschen gefördert und positiv selektiert, weil sie das Individuum fitter machen und es damit bessere Überlebenschancen hat. Zum Überleben braucht man ja keine präzise Vorstellung vom Raum an sich, man muß nur hinreichen gut greifen können, um den Apfel zu pflücken.
Oder K.Marx: Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretirt, es kömmt drauf an sie zu verändern.
Raum und Zeit werden nach dem Mach'schen Prinzip von Massen aufgespannt. Die theoretischen Details liefert die Allgemeine Relativitätstheorie. Damit kann niemand geboren sein. Neugeborene wissen nicht mal, wo oben/unten, vorne/hinten, rechts/links, gestern/morgen ist.