Gibt es eine objektive Wahrheit.(1)?

ilikememes0  30.05.2024, 23:26

Was meinst du mit Wahrheit?

Marwin388 
Beitragsersteller
 30.05.2024, 23:26

Ich beziehe mich auf Nietzsche und Mark Aurel

12 Antworten

Eine Antwort findest du bei Schopenhauer. Der trennt die objektive von der subjektiven Vorstellung der Welt und widerspricht einer Vermischung beider Vorstellungsebenen. (Erstes Buch - Die Welt als Wille und Vorstellung. Sehr empfehlenswerte Lektüre.)

Zeit zum Beispiel verläuft objektiv betrachtet linear.

Subjektiv betrachtet ist sie nicht linear, weil wir uns auch geistig rückwärts durch die Zeit bewegen können.

Das einzige Bindeglied zwischen objektiver und subjektiver Vorstellung der Welt ist hiernach übrigens der eigene Körper.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Master of Philosophy

Marwin388 
Beitragsersteller
 05.06.2024, 17:24

Verstehe. Danke. Habe übrigens das Gefühl dass wir uns kennen 🤔

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Hm, ich würde - als Laie - hier zwei unterschiedliche Themen sehen, die einfach den gleichen Begriff "Wahrheit" bekamen, aber eigentlich nicht das sind, was wir unter "Wahrheit" umgangssprachlich verstehen.

Nitzsche beschreibt im Prinzip wissenschaftliche Erkenntnisse und den Fortschritt wissenschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsmethoden. Solange ich nichts von Atomen weiß, kann ich mir chemische Prozesse nur schwer erklären. Wenn ich etwas über Atome, Verbindungen, Bindungstypen usw. weiß, habe ich ein ganz anderes Bild. Kommt irgendwann die Quantenphysik dazu, kann sich das Bild wieder komplett ändern. Das heißt, wir wissen immer nur das, was dem Stand der Wissenschaft und unserem Wissen über diesen Stand entspricht - möglicherweise gibt es aber noch Aspekte eines Themas/ Vorgangs, die uns komplett unbewusst und unzugänglich mit dem derzeitigen Wissen und Forschungsstand, den derzeitigen Forschungsmethoden sind.

Mark Aurel befasst sich hier mMn eher mit dem logischen Nachvollziehen der subjektiven Argumente eines anderen Menschen. Kann der mir seine Sichtweise für mich nachvollziehbar erkläre oder fehlt mir dafür Wissen, Verständnis, evtl. auch die Bereitschaft, genau zuzuhören?

Wahrheit ist das mMn aber auch nicht, das ist eher die subjektive Haltung, Moral, Handlungsgrundlage.

Wenn zwei Menschen am gleichen Ort stehen, beide sehen können und die gleiche Sprache sprechen und die Sonne untergeht - und keiner den anderen bewusst provozieren oder anlügen möchte - würden sie sich darauf einigen, dass gerade die Sonne untergeht. Das wäre für beide eine Wahrheit, die auch wissenschaftlich beschrieben werden könnte (man könnte ein Video machen, man weiß, was der Sonnenuntergang astronomisch bedeutet).

Wenn aber einer nachvollziehbar erklärt, dass der Sonnenuntergang für ihn "romantisch" ist und der andere nachvollziehbar erklärt, dass der Sonnenuntergang für ihn mit keinem Gefühl verbunden ist, dann ist das für beide ihre subjektive "Wahrheit", die aber nichts mit objektiv messbaren Fakten, sondern rein mit den Erfahrungen, Bewertungen und Gefühlen beider Menschen zu tun hat.

Insofern würde ich, bezogen auf die aktuelle deutsche Umgangssprache, hier für beide Situationen bzw. Zitate nicht das Wort "Wahrheit" benutzen.

Ja, beide nennen die beschriebenen Situationen "Wahrheit", aber dann ginge es um IHRE Definition davon und um einen Begriff, den WIR heute dieser Definition geben würden.

Das wäre für mich: Logisches Nachvollziehen des Aussagen eines anderen Menschen und wissenschaftliches Weltbild anhand der aktuellen Forschung und ggf. dem Wissensstand eines Menschen, der gerade bestimmte Phänomene beschreibt.


Marwin388 
Beitragsersteller
 30.05.2024, 23:40

Nietzsche meinte aber dass wir immer alles subjektiv sehen. Auch die Wissenschaft. Die ist zwar näher an der Wahrheit aber ob sie die absolute Wahrheit ist lässt sich streiten. Wie kannst du denn sicher sein ob du nicht durch eine höhere Macht beeinflusst wirst der deine Sichtweise auf die Welt verändert?

Und Nach Nietzsche sind wir alle Länger. Sogsr die Sprach die wir verwenden ist nur ein Model..

„Wir glauben, etwas von den Dingen selbst zu wissen, wenn wir von Bäumen, Farben, Schnee und Blumen reden, und besitzen doch nichts als Metaphern der Dinge, die den ursprünglichen Wesenheiten ganz und gar nicht entsprechen.“

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Tasha  30.05.2024, 23:45
@Marwin388

Ja, das meinte ich mit "aktuellem Forschungsstand". Die heutige Forschung macht Aussagen, die die Forschung in 100 Jahren widerlegen oder ändern könnte.

Trotzdem ist das ein ganz anderes Thema als das, was Aurel unter "Wahrheit" versteht.

Der Begriff wird einfach umgangssprachlich normalerweise nicht für diese beiden Themen genutzt.

Ja, wir können immer nur das wissenschaftlich nachweisen, was wir mit den gängigen Methoden messen oder beoachten und mit den gängigen Hypothesen und Theorien erklären können und das ändert sich ständig. Das stimmt schon. Aber Erkenntnisse aus der Vergangenheit, die man heute nicht anders erforschen könnte, haben trotzdem Bestand. Äpfel fallen vom Baum zum Boden oder im Sturm sind sie mal kurzzeitig in die Luft, sie fallen nie nach oben. Man kann die Gravitation vielleicht heute anders erklären als noch vor 200 Jahren, aber der Wissensstand, dass der Apfel nicht nach oben fällt, bleibt bestehen, ebenso der Wissensstand, dass die Gravitation bzw. eine Kraft etwas mit der Fallrichtung des Apfels zu tun hat. Man wird es eventuell in 200 Jahren noch differenzierter erklären können, aber der Tatbestand, also "die Wahrheit" ändert sich ja dadurch nicht, sie wird nur anders, detaillierter erklärbar sein (eventuell).

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Es gibt reines Bewusstsein, möglicherweise ist es das, wovon sowohl Nietzsche als auch Aurel sprechen. In diesem Falle wäre es keine perspektivische Wahrheit.


Marwin388 
Beitragsersteller
 30.05.2024, 23:40

Wie definierst du reines Bewusstsein?

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mirimaus  30.05.2024, 23:52
@Marwin388

Reines Bewusstsein ist ein erfahrbarer Zustand, der über das rationale Verstehen hinausgeht. Alles ist reines Bewusstsein = Brahman. Wohingegen Atman das individuelle Ich-Bewusstsein ist. Atman = Brahman (aber nicht umgekehrt).

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Die Entstehung einer Wahrheit ist immer objektiv, also Ursachen abhängig. Die Darstellung davon in Wort oder Schrift durch den Menschen, ist subjektiv.

Ob es eine objektive Wahrheit gibt, kann niemand wissen, weil jedes Wesen das, was es wahrnimmt, nur von seinem subjektiven Standpunkt aus beurteilen kann.

Schon unsere Sinne geben uns nur Informationen über etwas, was als außen angesehen wird. Mit anderen Sinnen, wie sie etwa Fledermäuse oder Schlangen haben, würden wir die Welt anders wahrnehmen. Und diese Informationen werden von unserem Geist interpretiert.

Das, was wir für real halten, ist also schon doppelt gefiltert, durch unsere Sinne und unseren Geist. Technische Geräte können uns zusätzliche Informationen liefern. Und wir können nachdenken und logische Schlüsse ziehen. Das ändert aber nichts an dem grundsätzlichen Problem.

Mit Sicherheit können wir nur sagen, dass es eine Instanz gibt, die sich für real hält.