Wer waren die besten Politiker des Landes?

7 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Konrad Adenauer stand vor einer Herkulesaufgabe und hat diese so gut denkbar wie möglich bewältigt. Dafür gebührt "dem Alten" Bewunderung. Ludwig Erhard war ein guter Wirtschaftsminister, aber ein schwacher Kanzler.

Kiesinger eher farblos und ein alter Nazi.

Willy Brandt dann das totale Kontrastprogramm und sicherlich der beliebteste Kanzler aller Zeiten. Seine umstrittene Ostpolitik hat sich nachher als richtig erwiesen. Zudem ging es Arbeitnehmern nie besser als unter Brandt und Schmidt.

Helmut Schmidt war kühler als Brandt und nicht so sehr der "Kanzler der Herzen" wie Brandt, aber eventuell der intelligenteste Bundeskanzler den Deutschland je hatte. Er hat sich zudem auch gegen Widerstände im eigenen Lager (Nato-Doppelbeschluss) durchsetzen können ohne dabei so ein kriegslüsterner Polterer zu sein wie Strauß. Auch den "Deutschen Herbst" (Terrorismus/RAF) hat Schmidt staatsmännisch geregelt. Im Zuge dessen wurde die GSG 9 gegründet und Schmidt machte klar, dass sich der Staat nicht erpressen lässt. Er konnte auch Law&Order und mit Schmidt war nicht zu spaßen. Das erkannte auch der politische Gegner von rechts an. Schmidt wurde allseits respektiert.

Herbert Wehner war authentisch und glaubwürdig und bescheiden bis zur Askese, aber durch seine kommunistische Vergangenheit schaffte er es nie bis zum Kanzler. Er wirkte immer verbissen, streitbar und unversöhnlich. Seine Rededuelle mit Franz Josef Strauß sind legendär.

Helmut Kohl dann wurde anfangs massiv unterschätzt und konnte Schmidt intellektuell tatsächlich nicht das Wasser reichen. Seine große Stunde kam bei der Wiedervereinigung, aber ich bin nicht sicher ob man das damals nicht besser hätte regeln können. Sein Ende war jedoch tragisch - alles was nach der Spendenaffäre kam, aber in den Geschichtsbüchern in 50 oder 100 Jahren wird er wieder voll rehabilitiert sein und nur als der "Kanzler der Einheit" gelten.

In der Ära Kohl darf man auch Außenminister Genscher nicht übersehen. Vielleicht der beste Außenminister den Deutschland je hatte.

An Gerhard Schröder gefiel mir sein selbstbewusstes Auftreten gegenüber den USA, was am NEIN zur Beteiligung am Irak-Krieg deutlich wurde. Mit Merkel hätten wir uns daran nämlich beteiligt. Das ist sicher, weil sie ja zu George W. Bush flog und ihm genau das versicherte. Auch das gute Verhältnis zu Russland hat mir gefallen. Absolut nicht gefallen hat mir, dass er den Markenkern der SPD verraten hat. Von den unsozialen Agenda-Reformen hat sich die SPD bis heute nicht erholt.

Merkel halte ich für völlig überschätzt. Meinen Verriss über ihre Kanzlerschaft kann man in der "Meinung des Tages" zu ihrem 70. Geburtstag lesen.

Olaf Scholz könnte präsenter sein, aber ich halte ihn für besser als seine momentanen Umfragewerte.

Die heutigen Politiker können bezüglich Charisma nicht mit den Politikern der Kriegsgeneration mithalten, die Naziherrschaft, Krieg, völlige Zerstörung und Niederlage miterlebt haben. Die wussten sehr genau welche Verantwortung sie trugen. Das fehlt der heutigen Generation völlig - besonders negativ fällt mir diesbezüglich unsere aktuelle Außenministerin Baerbock auf. Sie kommt mir oft vor wie ein trotziges kleines Mädchen, dass mit dem Kopf durch die Wand will und ihre Vorstellungen ungeachtet der Konsequenzen für Deutschland durchsetzen will.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjährige Erfahrung in der Parteipolitik und als Reporter

Likatier  10.08.2024, 21:54

Ausgezeichneter Kurzüberblick. 👌🏻

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zetra  10.08.2024, 13:50

Hier bin ich anderer Meinung, diesen Adenauer wurde viel nachgesehen. Layout 1

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vanOoijen  10.08.2024, 13:53
@zetra

Du darfst die damalige Situation nicht außer Acht lassen. Aber es stimmt. Heutige Politiker könnten nicht so selbstherrlich agieren. Adenauer war kein Heiliger. Aber in der damaligen Situation ein guter Kanzler der viel erreicht hat. Die Westbindung, die Kriegsgefangenen aus Russland geholt etc. etc. etc.

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zetra  10.08.2024, 14:30
@vanOoijen

Genau und mit der Ablehnung der Stalinnoten, die Teilung von DE mit auf dem Gewissen.

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vanOoijen  10.08.2024, 14:53
@zetra

Die Teilung war nicht abzuwenden. Du vergisst, dass wir Deutschen damals im eigenen Land nix zu kamellen hatten, wie man bei mir im Rheinland sagt.

Das Bindestrich-Bundesland NRW beispielsweise ist eine britische Erfindung, weil die Engländer Angst hatten das Ruhrgebiet wählt sozialistisch. Also packte man die erzkatholischen Westfalen und die Rheinländer dazu.

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zetra  10.08.2024, 16:49
@vanOoijen

Österreich erging es nicht anders, nur das sie zustimmten und dafür Pakt frei bleiben mussten. Die Pläne der USA für DE sind bekannt und wurden ja auch von Adenauer mit bevorzugt.

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vanOoijen  10.08.2024, 17:18
@zetra

Das hat eine gewisse Kontinuität. 1990 hätte Deutschland auch neutral werden können, aber Kohl entschied sich für die Nato.

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Skyler0003 
Beitragsersteller
 10.08.2024, 13:00

Danke für die Antwort! Denkst du Strauss und Wehner wären gute Kanzler gewesen?

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vanOoijen  10.08.2024, 13:08
@Skyler0003

Nein. Ich halte Strauß mit seiner "lieber tot als rot"-Einstellung sogar für gefährlich in der sensiblen Zeit des kalten Krieges. Und innenpolitisch zweifle ich daran ob er wirklich ein lupenreiner Demokrat war. Nicht auszudenken wenn der den Deutschen Herbst gemanaged hätte. Da wäre von unseren Bürgerrechten nicht mehr viel übrig geblieben.

Und Wehner war zu verbittert und wäre eventuell schädlich für die Wirtschaft gewesen.

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Skyler0003 
Beitragsersteller
 10.08.2024, 13:18
@vanOoijen

Danke! Hab eben ein Sitzungsprotokoll überflogen, es ist unvorstellbar für die heutige Zeit, wie die beiden diskutiert haben. Auch wenn sie keine guten Kanzler wären, sie waren tolle Rhetoriker und die Hassliebe sucht seinesgleichen.

Würde mir das für heute wünschen.

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vanOoijen  10.08.2024, 13:20
@Skyler0003

Da stimme ich Dir zu. Ich bezeichnete die Rededuelle ja auch als legendär. Davon gibt es auch ein paar schwarzweiß-Filmaufnahmen aus dem damaligen Bundestag.

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Skyler0003 
Beitragsersteller
 10.08.2024, 14:11
@vanOoijen

Ich erinnere mich noch an das "Herr Präsident, mit Verlaub, Sie sind ein A*schloch". Legendär.

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vanOoijen  10.08.2024, 14:49
@Skyler0003

Schröder und Fischer sind zwar nicht mehr Kriegsgeneration, aber waren die letzten beiden Haudegen in der deutschen Politik.

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Skyler0003 
Beitragsersteller
 10.08.2024, 14:51
@vanOoijen

Stimmt, dachte es war Wehner. Mein Fehler, sorry.

Waren Schröder und Fischer deiner Meinung nach gute Politiker?

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vanOoijen  10.08.2024, 15:12
@Skyler0003

Was das Handwerkliche betrifft auf jeden Fall. Bezüglich der Inhalte und Ergebnisse leider für mich eine Enttäuschung und ab 2002 spätestens Gegner. 2003 haben wir vom Unterbezirk Aachen-Stadt uns mit dem "Aachener Memorandum" gegen die Agenda 2010 ausgesprochen - als einziger UB in ganz Deutschland. Aber ansonsten gab es dafür eine Mehrheit in der damaligen SPD. 2003 habe ich im Landtag NRW dann auch ein Praktikum gemacht: Im Kabinett des neoliberalen Peer Steinbrück. Den und alle damaligen SPD-Landesminister habe ich persönlich kennengelernt. Die meisten fand ich sympathisch, aber bei Steinbrück habe ich sofort dessen Mitarbeiter bemitleidet und gedacht: "Den wollte ich keinesfalls als Chef haben".

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Skyler0003 
Beitragsersteller
 10.08.2024, 15:24
@vanOoijen

Wieso das, war Steinbrück so unsympathisch?

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vanOoijen  10.08.2024, 15:32
@Skyler0003

Er war extrem schnell, effektiv und verstand es gut seine Umgebung zu hetzen und einzuschüchtern. So ein Verhalten kenne ich von Chefs in der freien Wirtschaft. Im Politikbetrieb eher ungewöhnlich.

Er hatte halt bei Clement gelernt. Den habe ich zwar nie kennengelernt, aber ich denke das war die Linie von Clement. Dazu passt einiges. Als Clement von Schröder als Superminister nach Berlin geholt wurde übernahm Steinbrück ohne Wahl ja als Ministerpräsident in NRW. In diese Zeit fiel mein Praktikum. Bei der nächsten Wahl übernahm Rüttgers (CDU). Der norddeutsche Steinbrück wurde nicht gewählt von uns Menschen in NRW und das verstehe ich gut.

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  1. Auch ich sehe in einer Liste Willy Brandt und Helmut Schmidt selbst als CDUler erwähnenswert. Helmut Kohl war ein Autoritätsmensch und hervorragender Strippenzieher und ist m.E. auch damit qualifiziert. Frau Merkel hat uns international und wirtschaftlich hervorragend geführt (sieht man von den letzten beiden Jahren ab), was eben auch international bestätigt und gewürdigt wurde. Auch "Gentschman" war ein Charakterkopf.
  2. Ich kopiere da von 391636492541: "Charisma, Präsenz, Führungspersönlichkeit, Entscheidungsfähigkeit, Grenzen setzen, Durchsetzungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Besonnenheit, Glaubwürdigkeit, Leidenschaft, Problemlösungen, visionäre Ideen, Ideen die Menschen vereinigen, politische Leistung, diplomatisches Geschick, internationale Beliebtheit" sowie Managementfähigkeit und Personalführung. Wichtig ist auch eine verständliche Kommunikation zu Bürgerinnen und Bürgern.
  3. Betrachtet man die "Masse", ragen noch einige wenige Politiker hervor. Zu nennen wäre für mich in erster Linie Hr. Gysi (auch wenn in der falschen Partei 😉). Die "mittlere Garde der CDU-Ministerpräsidenten " hat m.E. auch Potential. Insgesamt vermisse ich aber ein wenig die Streitereien eines Hr. Wehner oder Hr. Strauß.
  4. Siehe 3.

Die Politikerinnen und Politiker sind aber auch ein gewisser Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung. Wenn ich hier bei gf oder auch real immer wieder höre und lese, die Volksvertretung "tauge nichts", frage ich mich, warum exakt diese Menschen nicht selbst kandidieren - so sie es doch offensichtlich besser könnten.

Auf der anderen Seite haben wir gerade auch jetzt ein enormes Problem in der Kommunikationsfähigkeit zu den Bürgerinnen und Bürgern. Natürlich ist die Komplexität der Politik nicht einfach "rüberzubringen" und das öffnet Populisten Türen und Tore, sich immer schlechter selbst-informierendes Wahlvolk zu "lenken".

Auch die Änderung des Wahlrechts weg vom Direktmandat hin zur Liste ist m.E. eine massive Fehlentwicklung. Gerade die im Wahlkreis bekannten und aktiven Personen haben einen wesentlich besseren Zugang zum Wahlvolk als unbekannte Listenkandidatinnen und -kandidaten. Hervorragendes Beispiel dafür ist, dass bei mir in der Nähe eine Direktmandatsbewerberin sang- und klanglos durchfiel und über die Liste ein MdB-Mandat bekam und nun der Nation Ernährungstipps gibt. Genau das war offensichtlich nicht der Will des Wahlkreises.

Woher ich das weiß:Hobby – Kommunalpolitik und Themen bis auf Landtagsebene

Helmut Schmidt und dann Herbert Wehner, beides Querköpfe - Franz Josef Strauß war ein Bayer und er ist meines Wissens bei der Jagdausübung gestorben an einen Herzinfarkt - Adenauer nur wegen seinem Zitat: was kümmert mich mein Geschwätz von gestern .. und die Merkel habe ich nie begriffen, was sie auszeichnete, bis zum heutigen Tag . Die letztere hat ja noch nicht einmal eigene Kinder

Ich glaube, es ist ein ganz grundsätzliches Problem der heutigen Politik :

Früher hatte der Staat Respekt vorm Souverän, weil irgendwann wieder Wahlen anstanden und das Volk über die geleistete Arbeit urteilte.

Heutzutage muss der Souverän vor den Entscheidungen des Staates Angst haben, sobald die Wahl vorbei ist, da er sich für allmächtig hält und seine Vertreter nicht an den Intellekt früherer Politiker heranreichen.

Brandt.

Ein guter Politiker macht die Politik die er für richtig hält und versucht den Bürgern zu erklären wieso genau diese Politik die richtige ist.

Heutzutage gibt es zuviele die ihre Fahne in den Wind halten, sobald die Umfragewerte auchnur ein bisschen kippen dreht sich ihre Meinung. Beispielweise wäre da die CDU beim Thema AKW. Die gleichen Politiker die innerhalb von wenigen Monaten sagten das die AKWs unbedingt sofort abgeschaltet werden müssen treten jetzt für mehr AKWs ein.

Brandt wäre auch hier ein gutes Beispiel er hat viel kritik für seine Ostpolitik gekriegt und ist trotzdem dabei geblieben weil er sie für richtig hält. Er hatte recht und hat den Grundstein der vereinigung von DDR und BRD gelegt.

Wie steht es um heutige Politiker? Sind diese "der alten Garde" ebenbürtig?

Nein da sehe ich aktuell kaum jemanden. Gysi war ein Politiker dieser ebene der seine Linie hatte und überzeugt war das er das richtige tut. Anstatt auch bei gegenwind seine Meinung zu ändern, hat er versucht den Leuten zu erklären wieso sein weg der bessere ist.

(Um nochmal zu betonen, es gibt einen Unterschied zwischen "bei seiner Meinung bleiben" und Starrsinn. Ersteres ist geprägt von Bildung und Erfahrungen ausdem man sich dann eine Meinung gebildet hat, letzteres bedeutet krampfhaft an seiner Meinung festzuhalten damit man sich nicht die blöße geben muss seine Meinung zu ändern.