Welche persönlichen Erinnerungen und Erlebnisse verbindet ihr mit dem Mauerfall bzw. der Wiedervereinigung?
Mich würde doch mal interessieren, was ihr für Erinnerungen oder Erlebnisse mit diesem heutigen Feiertag verbindet.
Freue mich jedenfalls auf zahlreiche Antworten
und wünsche einen schönen Tag der deutschen Einheit.
Mit den besten Grüßen,
euer SANY3000
PS.: Wirklich nur antworten, wenn ihr die Zeiten des Mauerfalls auch miterlebt habt.
20 Antworten
Der 9.11.1989, Tag des Mauerfalles war ein Donnerstag.
Am nächsten Tag, dem Freitag, bin ich wie schon häufig zuvor über die Transitstrecke mit dem Auto von Hamburg nach Berlin gefahren, um einen guten Freund zu besuchen. Mein damaliges Auto war eine Alpine A310, also ein seltener und ziemlich auffälliger Sportwagen.
Als ich an die Grenzstation Gudow/Zarrentin ankam, erlebte ich eine völlig neue Situation gegenüber den sonstigen Grenzübertritten. Waren zuvor die Grenzer immer eher streng, wortkarg, und sachlich-pflichtbewusst bis nahezu feindlich-ablehnend, erwartete mich an der Passkontrolle diesmal ein junger, völlig aufgekratzter Grenzer, der mich überaus freundlich und interessiert in ein Gespräch über mein Auto verwickelte und alles möglich darüber wissen wollte. Natürlich gab ich gerne Auskunft. Nach einiger Zeit meinte er dann: "Oh, ich glaube, jetzt fahren Sie besser weiter. Da hinten kommt mein Vorgesetzter und macht schon ein grimmiges Gesicht."
In Berlin angekommen, erwartete mich eine weitere Überraschung, Bei meinem Freund war schon Besuch da, eine gute Freundin aus Ostberlin. Da haben wir zusammen mit Sekt gefeiert und die Freundin dann irgendwann mal nachts nach Mitternacht zusammen zum Grenzübergang Bornholmer Straße zurückgebracht. Dort waren Menschenmengen und ein stetiger Strom von Menschen strömte hin und her. Die Stimmung dort am Grenzübergang war wirklich bemerkenswert.
Am nächsten Tag, dem Samstag, haben wir dann bei der Freundin in Ostberlin einen Gegenbesuch gemacht, wobei die Fahrt mit dem Auto nach Ostberlin weder an der Grenze noch in Ostberlin irgendwelche Probleme machte. Grenzkontrollen fanden praktisch keine statt.
Manche konnten eben nicht aus ihrer Haut schlüpfen. Mit einem Vopo habe ich im Sommer 1990, also kurz vor der Wiederverinigung ein ähnliches Erlebnis gehabt. Wurde wegen einer geringfügigen Geschwindigkeitsübertretung angehalten und der VoPo war auch extrem unfreundlich. Als dann die Bearbeitung ewig gedauert hat, konnte ich mir die Bemerkung laut zu meinem Mitreisenden nicht verkneifen, sodass er mithören konnte: "Na bis die mal fertig sind, befruchte ich ja halb Indien. Kein Wunder die haben es zu nichts gebracht."
Wir waren zu dieser Zeit mit der Berufsgruppe im Harz und ich telefonierte mit meiner Frau. Diese stand auf dem Balkon und hat diese Menschenströme ueber die Bornholmer Brücke, rüber nach dem Gesundbrunnen gesehen.
Die Rücktour aus dem Harz nach Berlin dauerte einen halben Tag, denn die Autobahn war knacken voll, nie wieder so einen Andrang erlebt. Gruss, zetra.
Nichts hat sich seitdem geändert/gebessert, leider ist das so. Gruss, zetra.
Ich habe dieses Ereignis als 20jähriger aus österreichischer Sicht erlebt. Man kann ja sagen, dass es sich im Frühling bzw Sommer vielleicht schon abgezeichnet hat, als einige von der DDR einen Weg über Ungarn nach Österreich als Fluchtroute gewählt hatten. Es war damals bei uns eher eine Sensation, dass Leute das geschafft hatten und ich erinnere mich , als es bekannt wurde, dass sie im östlichsten österr. Bundesland, dem Burgenland, empfangen wurden und von dortigen Bewohnern verpflegt wurden. Das waren ja so die Vorläufer einer großen Bewegung.
Im Herbst dieses Jahres mußte ich (und ein Freund von mir, der diesen Weg gemeinsam mit mir ging) zum österrr. Bundesheer. Empfand ich als "weniger amüsant", aber es mußte damals aufgrund weniger Alternativen eben sein (Zivildienst war damals nur unter Angabe von "schwerwiegenden Gründen, die den Umgang mit einer Waffe aussschließen" und der Vorsprache bei einer "Fachkommission" möglich, und wurde nicht immer genehmigt). Wir rückten Anfang Oktober ein und wurden zur Grundausbildung ins niederösterreichische Waldviertel verfrachtet. Dort waren wir immer von Mo bis Sa. Damals, noch lange ohne Internet oder Handys, hatten wir vom Morgen an bis zum Abend "Dienst" (und das besonders in dieser ersten Woche). Wir bekamen also auch gar nichts vom täglichen Geschehen mit. Keine Nachrichten, keine Infos, kein Telefon. Als wir am Samstag, es muss der 7. Oktober 1989 gewesen sein, wieder nach Wien kamen, fuhren wir mit der U-Bahn. Uns gegenüber saß eine ältere Frau, die uns in Uniform erblickte und mit uns ein Gespräch begann. Wir erzählten ihr, dass wir nun ein paar Tage vom aktuellen Geschehen schon nichts mehr mitbekommen hätten und fragten, was ja nun so passiert sei . Darauf erzählte sie und von den Ereignissen in Berlin und der Stürmung der Mauer. Das fand ich natürlich total arg und interessant. Dieses Erlebnis verbinde ich mit dem Herbst 1989, also mit dem Moment , als ich das Ganze erfahren hatte. Man konnte sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht vorstellen, dass es ein wiedervereintes Deutschland überhaupt geben konnte. Mein Vater hatte mir als Kind stets erklärt, wie und warum das mit der Mauer in Berlin überhaupt der Fall war (also in den 70er-Jahren), und dass dies "wohl immer so bleiben würde". Allerdings dachte ich mir auch als Kind schon: "Wer weiß, ob es nicht vieleicht doch mal anders sein wird ?". Und siehe da, nun war der Moment gekommen.
1 Jahr später, also Deutschland nun also auch offiziell wieder vereinigt wurde, gab es in Wien unter dem damals regierenden Bürgermeister Dr Helmut Zilk und anderen Politikern eine große öffentliche Veranstaltung am Rathausplatz, die sich diesem Thema widmete.
Im Jahr 2007, im Alter von 38, war ich das bisher einzige und erste Mal im Berlin. Von einer Mauer war da schon nichts mehr zu sehen. Das Museum "Checkpoint Charlie" fand ich sehr interessant und auch die ganzen Geschichten mit Fluchtversuchen (Gräben graben, Flucht über den Fluss, Bauen eines Heißluftballons , auch vom Film "Balloon" bekannt).
Ich habe damals gefeiert und war - wie auch meine Familie - so froh, dass wir wieder ein Volk in einem Staat waren und dass der Unrechtsstaat DDR mitsamt seinen verbrecherischen Organisation wie MfS/Stasi, Justizsystem, SED-Diktatur aufgelöst wurde ("Volksdemokratie"...das ist nicht lache). In mehrerer Hinsicht hatten sie Ähnlichkeiten mit den Nazis, nur nicht so schlimm. Es freute mich sehr, dass Menschen sich aus beiden Teilen Deutschlands uneingeschränkt sehen konnten und auch dorthin ziehen konnten, wohin sie wollten, ohne dass sie durch Mauern mit Selbstschussanlagen und schmutzige Spitzeleien eingesperrt wurden. Natürlich gab es ohne Zweifel auch Nachteile und auch in Westdeutschland war auch nicht alles Gold was glänzte (neoliberale Politik, Flick-Korruptionaffäre), aber auch viele Vorteile. Auch das sollte man nicht vergessen. Und welche langfristige Alternative hätte es schon gegeben? Den anderen Staaten des Comecon und auch Jugoslawien (auch dort ging es wirtschaftlich ab 1979 abwärts) erging es wirtschaftlich noch schlechter. Die haben längst nicht so viel Geld bekommen wie Ostdeutschland von Westdeutschland bzw. eher gar nichts und da fiel der Kahlschlag noch deutlich größer aus und war die Armut noch deutlich größer. Für mich waren der 9.November und die Wiedervereinigung die schönsten politischen Erlebnisse, die ich je erlebt habe. Endlich mal was Konstruktives in der Politik und auf friedlicher Ebene und Art und Weise (im Gegensatz zu den ganzen Kriegen und Bürgerkriegen auf der Welt und der gewalttätigen Wiedervereiningung Jemens, die Zwangsvereinigung deutscher Staaten durch Preußen unter Wilhelm I und Bismarck sowie der Nicht-Vereinigung der beiden koreanischen Staaten, die jetzt noch verfeindet sind). Dafür habe ich auch gerne den Solidaritätszuschlag mitbezahlt. Das war es mir wert. Und es war der krönende Abschluss des Kalten Krieges.
Mit dem Mauerfall die hier (bitte klicken).
Mit der Wiedervereinigung, dass ich einige Jahre im Westosten von Berlin, in Nord-Potsdam bei der Wojwodschaft PM (Potsdam-Mittelmaß) unter Ossis arbeiten durfte. Wir hatten immer morgens gemeinsames Frühstück, und einmal war Gesprächsthema, das eine Delegation aus dem Westen zu Besuch war um sich bei uns etwas sehr fortschrittliches anzugucken. Da meinte ich: Jaja, vom Sozialismus lernen heißt siegen lernen. Das fand außer mir niemand lustig, und danach zog mich ein Ossi-Kollege zur Seite und meinte: Aber, das ist doch völlig falsch!!!! So heißt das doch überhaupt nicht!!! Das heißt doch: Von der Sowjetunion lernen heißt siegen lernen!!! Ein anderesmal sah ich mir einmal die Garagen hinterm Firmengebäude von innen an. In einer stand der Firmenwagen. In einer anderen entdeckte ich Stahlhelme, Äxte, Spaten usw., alles olivgrün. Das brachte ich beim Frühstück zur Sprache und spekulierte, das sei wohl das Equipment für den Militärputsch, um die DDR wiederherzustellen. Die Ossis reagierten mit: Aber das stimmt doch überhaupt nicht!!! Das ist unsere Feuerwehr-Ausrüstung!
Ich erinnere mich an die Worte eines meiner ehemaligen Meister: "Wir haben eine Gesellschaft von Gestern gegen eine von Vorgestern eingetauscht." Viele von uns wurden schon wenige Monate später arbeitslos. Für mich folgte eine lange Zeit der gebrochenen Biografie - in meinen besten Jahren (1990 war ich 25). Erst 2000 herum gelang es mir, wieder auf sehr niedrigem Level beruflich Fuß zu fassen - trotz zweier Facharbeiterabschlüsse und 1,5-er Abitur. Auch mein soziales Leben ist bis heute dadurch beeinträchtigt. Heute arbeite ich halbtags und schreibe nebenher. Und erlebe eine Gesellschaft, die Parallelen aufweist zu damals, als die DDR zerbrach. Aggressivität steigt, niemand hat einen Plan. Die Umwelt wird immer schneller zerstört, und die Fahne dieses Deutschlands steht ebenso auf dem Kopf wie die Gesellschaft selbst. Für mich ist dies kein Tag der Freude. Denn ich bin zwar einigermaßen im "Westen" angekommen. Aber mein Heimatland habe ich verloren, obwohl ich meine Heimatstadt nie verließ - trotz behördlichen Druckes. Und ich habe bis heute keine wirkliche Heimat wiedergefunden. Wenn ich in die Zukunft dieses Landes - ja, dieser ganzen Welt schaue, dann sehe ich verdammt wenig Hoffnungsvolles. Genau so, wie man es uns in dieser "bösen" DDR schon in der Schule begebreacht hat; in einem Land, in dem ja so gar nichts gut war und in dem niemand etwas geleistet hat...
Okay, ist jetzt 2 Jahre her, aber: Hey, geht's Ihnen gut?
Und Danke für Ihren Kommentar.
Dankeschön. Nicht wirklich. Aber das ist natürlich auch eine Frage der Perspektive. Ich habe ein Dach überm Kopf, es kommt Wasser direkt aus der Wand, so dass ich nicht zum nächsten verdreckten Fluss laufen muss, und Hungerödeme hab ich auch keine. So gesehen, geht es mir super. Verglichen mit dem gefühlten Landesdurchschnitt hingegen - naja. es ist halt, wie es ist.
Wir haben die DDR erlebt, in ihr gelebt und sie geliebt und erlitten. Das bringt es auf den Punkt. Es gibt auch einen Song, der von Veronika Fischer ist, wo die DDR sogar positiv besungen wird.
Waren zuvor die Grenzer immer eher streng, wortkarg, und sachlich-pflichtbewusst bis nahezu feindlich-ablehnend, erwartete mich an der Passkontrolle diesmal ein junger, völlig aufgekratzter Grenzer, der mich überaus freundlich und interessiert
Na ja, ich fuhr im Februar 91 mit Freunden nach Prag. Am Grenzübergang trat uns ein Grenzer entgegen und schnarrte uns unfreundlich (mit sächsischem Akzent) an. "PAPIERE!" So was Unfreundliches habe ich selten erlebt. Ich konnte mir nicht verkneifen, unfreundlich zu kontern: "Wir sind hier nicht mehr bei der Stasi." Am liebsten hätte ich noch gesagt: "Und hier wird auch niemand mehr erschossen."