Was würdest Du in den 90ern vermissen?
Hi, ich lade euch hiermit zu einem kleinen Gedankenexperiment ein. Und zwar bin ich Jahrgang 1979 und habe meine Jugend also in den 90ern verbracht. Ich bin immer wieder davon fasziniert, wie stark sich die Welt seither gewandelt hat.
Daher frage ich einfach mal in die Runde: Wenn Du eines Tages aufwachen würdest und feststellst, dass Du Dich plötzlich mitten in den 90ern wieder findest, was aus der heutigen zeit würdest Du vermissen? Was fändest Du vielleicht sogar besser, als heute?
Mich interessiert natürlich vor allem die Sicht von etwas jüngeren Nutzern, die diese Zeit nicht miterlebt haben, aber es ist auch interessant, wie Leute in meinem Alter, oder Leute, die sogar noch früher geboren wurden das sehen.
Gib also gerne an, ob Ü20, oder U20 bist - nur wenn Du das möchtest.
Für alle, die zu der Zeit noch nicht gelebt haben, hier einmal ein kleiner Einblick, wie meine Jugend in den 90ern aussah:
- Es gab damals noch keine Smartphones, Handys kamen gerade so auf, waren aber extrem Teuer, weil man noch pro Minute für Telefonate und für jede einzelne SMS bezahlen musste. Ich kenne einige, die im ersten Monat als sie ein Handy hatten 500,-€ verballert hatten (damals gab es den Euro noch nicht, es wurde mit D-Mark bezahlt und 500,-€ entsprachen ungefähr 1000,-DM). Und das war damals so richtig viel Geld. Vom Kaufwert her noch mehr als heute.
- Die Handys konnten auch nichts anderes. Man konnte damit telefonieren und SMS versenden. Keine Fotos, Videos, kein Internet, keine Spiele - wobei, es gab Snake (https://www.youtube.com/watch?v=WNOFXC4kEZQ) - Das Nokia 3310 war in meinem Umfeld übrigens das am häufigsten verbreitete.
- Ach ja das Internet. Im Prinzip gab es das schon, aber hatte kaum jemand. Denn auch hier gab es erst gegen ende der 90er Flatrates. Bedeutet, dass man pro Minute, die man im Internet war bezahlt hat. Und das war jetzt auch nicht so billig, dass man stundenlang surfen konnte, da musste man auch etwas drauf achten, dass es nicht zu teuer wird.
- Aber was solls. An "Social Media" gab es eigentlich nur Internetforen und Chatrooms. Ansonsten bestand das Internet aus statischen Internetseiten, mit wenig Interaktionsmöglichkeiten. Vor allem wurden Informationsportale und Online Shops genutzt. Es gab damals eine Online Buchhandlung, die nichts anderes als Bücher verkauft hat, bis die Betreiber mal auf die Idee kamen auch andere Produkte zu verkaufen und dann später noch 2 - 3 andere Dienste angeboten haben. Der Buchhändler hieß Amazon.com
- Lange rede kurzer Sinn: Das Leben fand offline statt.
- Aber wie haben wir uns eigentlich in meiner Jugend organisiert? Ich lebte auf einem Dorf. Das heißt, wir hatten uns entweder morgens in der Schule verabredet, getreu dem Motto "Heute Nachmittag um 15:00 Uhr treffen wir uns am XY" - da musste man dann auch da sein, weil es gab keine Möglichkeit Bescheid zu sagen. Höchstens wenn man wusste dass es nichts wird, hat man auf dem Festnetztelefon bei den Eltern des Freundes angerufen und bescheid gesagt.
- Wenn man am vereinbarten Ort war und die Verabredung nicht auftauchte hatte man in der Regel erst am nächsten Tag in der Schule erfahren warum.
- Wenn man sich nicht verabredet hatte und sich mit freunden treffen wollte, war es bei mir im Dorf die Turnhalle, welche den zentralen Treffpunkt darstellte. Dort sind wir dann einfach auf gut Glück hin gegangen und haben mal geschaut wer dort ist. Meist war da auch irgendjemand und dann hat man beschlossen was man dann so anstellt. Also ob man einfach nur "rumhängt", oder ob man noch wo anders hinget.
- Und natürlich gab es auch keine Erreichbarkeit für die Eltern. Wir hatten damals zu Hause Bescheid gesagt, dass wir los gehen und uns mit Freunden treffen. Und hatten die Anweisung bis um x Uhr bist Du wieder zu Hause. Unsere Eltern wussten aber nicht wo wir jetzt genau waren, oder was wir machen. Wenn wir nicht rechtzeitig zu Hause waren, weil wir die Uhrzeit verpeilt hatten, oder einfach keinen Bock hatten pünktlich zu sein, dann hatten unsere Eltern kaum eine Chance uns zu erreichen. Sie mussten einfach drauf vertrauen, dass wir wieder heim kommen.
Das nur als kleiner Abriss dessen, was damals für mich und meine Freunde der normale Alltag war. Wie würde es euch gehen in dieser zeit aufzuwachsen? Was fändet ihr gut, was schlecht?
Ich bin gespannt auf eure Antworten!
6 Antworten
Direkt vermissen tue ich (Ü30, aber U40) nichts, aber ich habe die 90er als recht entspannt erlebt - wahrscheinlich weil ich da noch Schüler war und man sowieso noch nicht die Pflichten und "Sorgen" der Erwachsenenwelt kannte bzw. höchstens im Fernseher sah (wir hatten einen riesigen Blaupunkt Röhren Farbfernseher, Baujahr 1978, mit funkgerätartiger, quadratischer und handtellergroßer Fernbedienung).
Dass das Leben "offline" stattfand und man sich in der Schule verabredete war Standard, aber es führte manchmal auch zu "Konflikten".. da hat man morgens was ausgemacht & bekam mittags gesagt, dass schon was Anderes geplant war, in der Regel irgendein Termin - aber da hat man dann angerufen und gesagt, dass es doch nicht klappt, weil man zum Zahnarzt muss oder so und es war auch in Ordnung.
Ein Nokia 3100 hatte ich übrigens auch, das war echt robust - ich hab's sogar noch inklusive Ladekabel und Handbuch. Habe noch bis 2016 damit gearbeitet (bin bis heute kein Handymensch, irgendwie ist das nicht mein Ding) und kam immer gut damit zurecht! Es gab kein Googlemaps usw., es gab dafür einen Atlas, wir hatten in unserem Opel Senator B (Baujahr 1990) alle paar Jahre den jeweils neuen ADAC Atlas und fanden immer überall hin und wieder heim. Ich fahre heute noch am liebsten nach Karte, weil ich es so gelernt habe: Karten lesen ist nicht schwer!
Man hat als Kind und Jugendlicher in den 90ern zwar oft nur wenig Freiraum gehabt, weil es zuhause einfach gefühlt "geordneter" und "strenger" zuging und man manches einfach MUSSTE bzw. keine Wahl hatte und nicht "keine Lust" sagen und rumhängen konnte - aber ich war dafür schon mit 14/15 in der Lage, für mich selbst Verantwortung zu übernehmen und für ein eigenes Haustier (das half mir auch sehr viel weiter), das sich auf mich verlassen hat. Gerade in einer eher kleinen Kommune (ca. 10.000 Einwohner) musste man sehr vieles selber machen und organisieren können, sich zurecht finden und es war nicht immer einfach - bis man es mal gewusst hat. Wir waren oft auf uns gestellt, konnten uns zwar auf unser Zuhause immer verlassen, wenn wir Hilfe brauchten oder mal traurig und ängstlich oder unsicher waren oder es Liebeskummer gab usw., aber organisieren mussten wir spätestens mit Beginn der Pubertät vieles selber.
Ich bin keiner, der sagt früher sei alles besser gewesen, ich trauere der Vergangenheit auch nicht nach, aber die 90er waren schon eine Zeit, die mich sehr geprägt hat bzw. am meisten geprägt hat. Wenn ich heute Musik der 90er höre oder auch der 80er (damals gab's noch kein Oldieradio, im Radio hörte die Musikwelt vor den 80ern oder spätestens Boney M. und Peter Alexander auf), kommen schon Gefühle auf und bin ich manchmal auch ergriffen - aber im Grunde hat jede Zeit ihr Gutes, auch wenn ich sage dass die Menschen früher oft "echter" waren und ein Wort eher noch ein Wort war. Die Welt war berechenbarer und die Gesellschaft nicht so auf Selbstverwirklichung und Protzerei aus.
Genau - dadrauf kann man sich einigen :-). Früher war manches besser und manches schlechter. Beruflich bedingt habe ich (Lokalzeitung) es heute gewiss einfacher, es sei nur an die Fotografie entwickelt - die Dunkelkammer blieb mir gottlob erspart :-)
Meine Freunde und ich hatten an sich auch viele Freiheiten, aber manchmal MUSSTE man einfach Dinge tun, etwa im Haushalt zur Hand gehen oder mal schnell eine Besorgung verrichten und natürlich zu Fuß zur Schule gehen oder mit dem Rad, egal ob es sonnig war oder nasskalt oder gar verschneit und eisglatt.
Ich (Baujahr 1080) würde tatsächlich das Internet vermissen und eben besonders die Möglichleit über z.B. Youtube auch mal was anderes zu schauen als Fernsehprogramm oder mit Freunden online zu spielen. Onlinezeit war ja nicht nur teuer sondern das Telefon war ja auch die ganze Zeit besetzt.
Klar, LAN-Parties waren schon witzig aber mal eben für nen Tag Leute aus aller Welt zusammentrommeln dürfte schwierig werden, selbst unsere WOW Truppe ist schlicht zu verstreut zwischen flensburg, München, Berlin, Dresden und Köln... wobei ich diese Leute ja nichtmal kennen würde, schade drum.
Richtig toll fand ich es das wir, einmal losgelassen, bis zum Abendläuten unerreichbar und an den Eltern unbekannten Orten unterwegs waren. Da würde manche Helikoptermama heute einen Anfall kriegen wenn ihr Schatzilein mit 7 Jahren unbeaufsichtigt durch Feld und Flur streunt um mit vermackelten Knieen und zerschrammten Armen irgendwann wieder aufzukreuzen.
Später hatten einige dann Mopeds, da konnte man ganz ohne Bus zu 2-3 Leuten durch die Gegend fahren, über Feldwege und Nebensträßchen weil nicht erlaubt und maximal der Fahrer mit Helm. Oder wir haben als ganzes Rudel den Steinzeit-Lanz benutzt, durfte man ja schon als Blag fahren^^
Oh ja, die Mofa Gangs.... da war ich auch dabei! :D
Tatsächlich hat sich mein Freundeskreis auch ein wenig verstreut. Manche Freunde sind weg gezogen, ch bin weg gezogen und nu liegen mehrere 100 km zwischen uns. Da finde ich die Möglichkeit via Internet in Kontakt zu bleiben auch sehr gut!
Mit den Leuten von damals ha ich nichts mehr zu tun. eine beste Freundin war keine mehr nachdem sie gut geerbt hatte und der Rest war mir zu sehr aufs Saufen aus.
Ja, bei mir sind es auch eher Leute die ich im späteren Leben kennengelernt hatte. Aber zu denen hätte ich ohne Internet sicher den Kontakt verloren, als sie, bzw. Ich weggezogen sind. Manche meiner Freunde und bekannten hatte ich überhaupt erst übers Netz kennengelernt.
Ich bin '84er Baujahr und hab somit die von dir beschriebene Zeit ebenfalls sehr aktiv erlebt. Rund um Technik würde ich, wenn es mich jetzt zurückwerfen würde, ALLES vermissen - mit Ausnahme der ständig verfügbaren Kameras. Das ist der einzige Punkt, wo ich ganz froh bin, dass meine wildesten Jahre noch knapp vor Handykameras immer und überall stattfand und diese Zeiten somit nicht für die Ewigkeit im Netz gespeichert sind ;). Aber ansonsten liebe ich den technischen Fortschritt, die vielen Möglichkeiten, die uns die Technik bietet und bin nach wie vor sehr freudig dabei, neue Technologien zu entdecken (und ja, auch an manchen Punkten mit einer gewissen Skepsis und Sorge, Stichwort KI).
Hehe... Du hast ja so Recht! Hätte es in meiner wilden Jahren immer und überall Kameras gegeben.... ich wäre verloren, weil SOWAS von erpressbar :D
Auch in den übrigen Punkten stimme ich Dir gerne zu. ;)
Meine Souveränität als Erwachsener würde ich garantiert vermissen.
Ich war in den 90ern ja leider noch minderjährig und das kann etwas anstrengend sein wenn man nicht mehr im Elternhaus leben kann.
Aber das ist heute ja auch nicht grundlegend anders als früher.
Ein unkomplizierteres Sozialsystem ist heute genauso wichtig wie damals. Das heutige ist zumindest schonmal etwas hürdenfreier... Wenn man sich auskennt jedenfalls.
warehouse14
Also ich bin 13 erst mal vorab.
Pro: Weniger Sozial media; mehr raus gehen mit freunden; man kann in unternehemn bzw. Aktien inverstieren crypto etc.,
Die welt ist nicht so belastet wie heute wegen krieg und Pandemie und sowas.
Kontra:
Kein Googel in der Form; schlechte infos man muss drauf vertrauen das die infos stimmen die man kriegt; Das gesundheitswesen war deutlich schlechter als heute.
Also ich würde es bestimmt mögen in der zeit.
Heute ist das naja nicht ganz so toll wegen handys die bestimmen unseren alltag.
Lg Konstantin
Ich finde gar nicht dass die Welt schlimmer oder besser geworden ist. Es ist anders und es gab andere Probleme.
Aber ich freue mich über Deine Antwort, weil ich es gerade sehr interessant finde, wie jüngere Leute das so sehen. Danke Dir für Deine Einschätzung. :)
Es gab den Jugoslavienkrieg, die Folgen und Probleme der Wiedervereinigung und es wurde reichlich gewarnt vor AIDS, dem Ozonloch, saurem Regen und der nahenden Eiszeit...
Vor allem die nahende Eiszeit dürfte aus heutiger Sicht gar nicht mehr so kritisch sein.... ;)
Krieg gab es damals übrigens auch. Bosnien, Kosovo, Jugoslawien - das sind Ländernamen, die in mir sofort Assoziationen mit Krieg nach wie vor hervorrufen. Und mit dem 11. September 2001 wurde es sowieso alles super bedrohlich...
Oh, und 1986 war Tschernobyl. Hab ich mit meinen 2 Jahren damals noch nicht wirklich aktiv erlebt, aber wer 1979 geboren wurde, dürfte schon gemerkt haben, dass plötzlich das Spielen draußen nicht mehr möglich war, Milch vom Speiseplan gestrichen wurde und auf Spielplätzen die Sandkästen ausgebaggert wurden...
Saurer Regen war auch ständig Thema. Und das Ozonloch. Theoretisch wusste man übrigens auch da schon seit ein paar Jahrzehnten, dass das Verbrennen fossiler Energieträger das Klima kippen lassen würde, hat nur niemanden gejuckt...
Der einzige Unterschied dabei zu heute ist, dass wir damals nicht rund um die Uhr in Echtzeit über Social Media damit konfrontiert waren, sondern primär abends um 20 Uhr bei der Tagesschau und ggf. noch morgens beim Frühstück in der Tageszeitung. Fühlte sich dadurch eventuell ein bisschen "weiter weg" an, aber wirklich friedlicher und ungefährlicher war die Welt damals auch nicht...
Oh ja, als Tschernobyl war durften wir im Kindergarten nicht raus obwohl die Sonne schien, fand ich total doof. Erst als ich scon großes Schulkind und mein Bruder Kindergartenneuling war (ein in der Kindheit unvorstellbar langes dreivierteljahr später) gab es neuen Sand und die Kinder durften wieder raus.
Ich hatte das mit Tschernobil als Kind tatsächlich mitbekommen, auch wenn ich es damals nicht wirklich verstanden habe. Und der 11September 2001 - ich kann Dir noch genau sagen, wo ich war, was ich gemacht habe und wie der Rest des Tages ablief.
Ja aber der krieg war jetzt nichts besonderes.
Nichts was die sicherheit europas gefährden könnte
Schon mal auf 'ner Landkarte geschaut, wo die angesprochenen Länder liegen?
Ich würde jetzt auch nicht nostalgisch verklärt zurückblicken und sagen "Früher war alles besser!". Nein. Früher war manches besser, manches war schlechter.
Gut war definitiv, dass ich eine recht große Freiheit hatte. Und ja, Google Maps würde ich wohl auch am meisten vermissen, weil ich mich teilweise schon mit Maps verfahre, och glaube ohne wäre ich (heute) verloren.