Warum sind so viele Deutsche gegen die Bürgergeldreform?
Hallo zusammen,
Ich habe letztens eine online-umfrage von civey gesehen, also es wurden eher jüngere zum progressivismus neigende Leute gefragt, und dennoch sagten fast 50%, dass sie für das rückgängig machen dieser reform bzw. Der erhöhung sind.
Das überrascht mich, weil ich bis jetzt vor allem gutes davon gehört habe. z.B. ist es jetzt auch obdachlosen möglich ohne anschrift bürgergeld zu bekommen. Ich bilde mir zumindest mal ein, dass sowas durch die Bank weg eigentlich auf Zustimmung treffen sollte.
Aber egal, ich möchte gar niemanden von der meinung arbeitslosengeld = gut überzeugen, sondern wundere mich warum die Stimmung in der Bevölkerung auf einmal so gegen sozialleistungen gekippt ist während man sich aber gleichzeitig beschwert, dass die Regierung nicht genug für die arbeitende schicht, geringverdiener und arbeitslose einsetzen würde.
Habt ihr da erklärungsansätze?
13 Antworten
Im Vergleich zu früher gibt es nun gehäuft Berichte, dass es Menschen gibt, die wegen des Bürgergelds kündigen.
Selbst der Arbeitsminister hat sich dazu geäußert. "Er meinte wer so bescheuert ist wegen des Bürgergelds zu kündigen, bekommt erstmal eine Sperre". Zwar kann eine eigenständige Kündigung noch immer Sanktioniert werden, aber nur mit max. 10% Abschlag für max. 3 Monate.
Die maximale Sanktionierungsgrenze bei 30% kann dabei dafür sorgen, dass das Bürgergeld auf zwei Arten ausgenutzt werden kann. Einerseits kann man sich in Deutschland dazu anmelden und sich dann dauerhaft in einem Land mit niedrigeren Lebenshaltungskosten aufhalten, andererseits kann man leichter zusätzlich zum Bürgergeld schwarz arbeiten. Der Großteil der Empfänger macht von diesen Missbrauchsmöglichkeiten jedoch keinen Gebrauch.
Gerade bei den unteren Einkommensschichten macht sich aus meiner Sicht bei manchen ein gewisser Sozialneid nach unten breit. Manch einer, der arbeitet und sich fragt ob er Miete, Strom und Heizung noch bezahlen kann guckt nach unten und sieht, dass Bürgergeldempfänger diese Sorgen scheinbar nicht haben.
Auch die ungleichen Einkommenszuwächse sind teils Thema. Der Mindestlohn liegt seit 1.10.2022 bei 12 Euro brutto. Zum 1.1.2024 soll er dann auf 12,41 Euro brutto steigen (+3,42%) und zum 1.1.2025 soll er dann auf Gleichzeitig soll das Bürgergeld, dass für Singles seit 1.1.2023 bei 502 Euro liegt am 1.1.2024 auf 563 Euro steigen (+12,15%). Für 2025 ist beim Mindestlohn lediglich ein Anstieg auf 12,84 Euro geplant. Auch die Minijobgrenze wird dadurch Überschritten.Momentan liegt sie mit 520 Euro über den 502 Euro, 2024 steigt sie auf 538 (+7,17%) und liegt dann unter dem Regelsatz für Singles, der auf 563 Euro steigt.
Berechnet man die mit dem Bürgergeld verknüpften Zusatzleistungen (Miete, Rechtsschutz, ...) und Vergünstigungen (Nahverkehr, ...) mit ein, ergibt sich ein höherer Nettobetrag als mit dem Regelsatz allein.
Allerdings liegt diesen Überlegungen ein grundlegender Denkfehler zugrunde. Auch Hsushalte mit niedrigeren Einkommen können viele der Zusatzleistungen erhalten und ihren Verdienst mit Bürgergeld aufstocken. Andere dem "Verdienst" von Bürgergeld zugerechneten Leistungen wie Beispielsweise Kindergeld stehen gar allen Einkommensschichten zu. Nur selten gibt es den Fall, dass man durch mehr Verdienst durch den Wegfall von Vergünstigungen oder durch zusätzliche Ausgaben tsächliche weniger Geld übrig hat. Trotzdem sinkt der Abstand - und wer genug Verdient, dass er eh nicht mit dem Gedanken spielt zu Kündigen rechnet das ganze nicht komplett aus.
Wenn es dann noch in der Zeitung berichte gibt, dass tatsächlich Menschen lieber Kündigen als zu Arbeiten verstärkt das den Eindruck - gerade bei Menschen, die ihren Job nicht eh gerne machen.
Ich denke, dass auch noch einige im Hinterkopf haben, dass das Bürgergeld ein Kompromiss war, weil manche ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen wollten bei dem ursprünglich alle Sanktionen gestrichen werden sollten - und im Prinzip ist es ein solches auch geworden.
Ich bin zwar mit der analyse, dass wir jetzt ein bedingungsloses grundeinkommen haben nicht so ganz einverstanden (ich kanns z.B. nicht beziehen da zu viel verdient wird), aber trotzdem ein guter ausgewogener Kommentar zu dem thema, gestützt durch Daten.
In meiner Welt ist nicht die Höhe des Bürgergelds das Problem, sondern die verachtenswerte Praxis einiger Arbeitgeber keinen vernünftigen Lohn zu zahlen. Maximal Mindestlohn und den am besten mit irgendwelchen Tricks auch noch zu minimieren.
Seit Schröder wird gegen Arbeitslose gehetzt: "Kein Recht auf Faulheit" etc.
Die Zeitung mit den 4 Buchstaben und die AfD tun ihr übriges.
Zudem tritt der deutsche Michel gerne nach unten und buckelt nach oben.
Die Franzosen sind da anders, aber die haben auch nicht dieses hohe Arbeitsideal wie wir Deutschen.
Die deutsche Unter- und Mittelschicht lässt sich gerne gegeneinander ausspielen. Und es scheint ein Ding der Unmöglichkeit zu vermitteln, dass höhere Sozialleistungen natürlich auch zu höheren Mindestlöhnen führen.
Stattdessen wird über einen angeblich zu geringen Abstand zwischen Bürgergeld und niedrigen Löhnen gejammert.
Neid auf die Ärmsten - das bekommt der Deutsche scheinbar locker hin.
Weil die Menschen das Bürgergeld mit dem Gehalt/Verdienst der Leute vergleichen.
Sinnvoller wäre es Arbeitgebern mehr Druck zu machen dass die Gehälter steigen aber es ist einfacher den Staat zu kritisieren als die Wirtschaft
Mangelhaftes Sozialbewusstsein und fehlendes Geschichtsverständnis, gepaart mit Verdrängungsängsten.
Und du bist Experte zu Thema ?
Bei solchem Experten Expertiden brauchen uns akuelle Zustände nicht mehr zu verwundern.
Mangelhaftes sozialbewusstsein?
Konkretisieren bitte
fehlendes Geschichtsverständnis,
Inwiefern denn?
gepaart mit Verdrängungsängsten.
Die da wären konkret ?
Soziale Spannungen führten zu drastischen Veränderungen, immer.
In wie fern hat das mit dem Geschichtsverständnis zu tun?