Warum ist i² = -1?

5 Antworten

Weil du Rechengesetze anwendest, die so für negative Wurzeln nicht erlaubt sind. Hier muss genau auf Haupt- und Nebenwerte geachtet werden. Es ist kein triviales Thema:

Bei negativen Zahlen a und b dürfen diese Rechengesetze nur angewendet werden, wenn m und n ungerade Zahlen sind. Bei komplexen Zahlen sind sie gänzlich zu vermeiden, bzw. gilt die Gleichheit nur bei geeigneter Wahl der Nebenwerte. Anders gesagt: werden in einem Beispiel auf der linken Seite irgendwelche Wurzeln (bspw. nur Hauptwerte) ausgewählt, so gibt es für die rechte Seite geeignete Nebenwerte, die die Gleichheit erfüllen – linke und rechte Seite unterscheiden sich um eine Einheitswurzel.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Wurzel_(Mathematik)#Die_Wurzelgesetze

Dass i² = -1 ist, ergibt sich aus der Definition der komplexen Zahlen. Gerade so sind die komplexen Zahlen definiert, dass es zwei Zahlen i und -i gibt, welche quadriert jeweils -1 ergeben.

Es gibt ein paar unterschiedliche Wege, die Menge der komplexen Zahlen zu konstruieren. Je nachdem, wie die komplexen Zahlen eingeführt/definiert wurden, ist der Beweis der Identität i² = -1 leicht unterschiedlich, ergibt sich aber oft trivialerweise aus der Definition.

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Die Rechenregel



gilt zunächst einmal nur für nicht-negative reelle Zahlen a, b und nicht für alle reellen bzw. komplexen Zahlen a, b.

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Außerdem ist √(a) zunächst einmal auch nur für nicht-negative reelle Zahlen a definiert. Zwar kann man auch für komplexe Zahlen einen sogenannten Hauptwert der Wurzel definieren, wobei man da aber eben aufpassen muss, dass bestimmte Rechenregeln für Potenzen und Wurzeln, die man für reelle Zahlen gewohnt ist, nicht mehr unbedingt gelten. Im Grunde ist es daher oft empfehlenswert ganz auf die Schreibweise √(-1) zu verzichten, und stattdessen i zu schreiben.

Im Wesentlichen ist es eine Definition und es gibt nichts zu beweisen. Aber ganz so ist es natürlich dann doch wieder nicht, denn genau genommen wird nicht i² als -1 definiert, sondern i als Einheit der Imaginärachse und daraus folgt dann die Eigenschaft i² = -1. Langsam: Formal definiert man erstmal die komplexen Zahlen in der Regel als



also als Kreuzprodukt aus IR mit sich selbst. Das ist die formale Definition, d.h. rechnen bei komplexen Zahlen eigentlich mit Tupeln! Zum Beispiel entspricht die Zahl, die du als



kennst, eigentlich dem Tupel



aus den komplexen Zahlen. Das ist erstmal nur Definition. Komplexe Zahlen sind also eigentlich nichts Anderes als zweidimensionale reelle Zahlen - bilden die bekannten reellen Zahlen also einen (eindimensionalen) Zahlenstrahl, erweitern die komplexen Zahlen diesen um eine Dimension, bilden also eine (zweidimensionale) Zahlenebene.

Weiter erklären wir Addition und Multiplikation zweier komplexer Zahlen (Subtraktion und Division ergeben sich dann daraus als Umkehroperationen). Wir definieren die Addition komponentenweise, d.h.



und die Multiplikation durch



was erstmal ein bisschen willkürlich wirken mag, aber wir werden gleich sehen, warum es Sinn ergibt. Definieren können wir uns ja erstmal, was wir wollen, aber der springende Punkt ist, dass die komplexen Zahlen durch diese Definitionen der Verknüpfungen Addition und Multiplikation untereinander die algebraische Struktur eines Körpers bilden, das heißt, sie haben bestimmte Eigenschaften (die wir von einer Zahlenmenge auch erwarten würden) - zum Beispiel, dass wir die Addition vertauschen können oder es ein Nullelement gibt, das wir addieren können, ohne dass sich am Ergebnis etwas ändert.

Das alles haben wir nur dadurch erreicht, dass wir die Multiplikation so definiert haben wie wir sie definiert haben (hätten wir sie komponentenweise definiert, gäbe es zum Beispiel nicht für jede komplexe Zahl ein Inverses, d.h. eine komplexe Zahl, mit der wir malnehmen können, sodass 1 rauskommt). In dem Fall musst du mir jetzt einfach glauben, dass das die einzige wirkliche Multiplikation ist, die die üblichen erwarteten Eigenschaften mit sich trägt.

Im Grunde können wir uns die komplexen Zahlentupel so vorstellen, dass die linke Komponente den Real- und die rechte den Imaginärteil darstellt. Die eigentliche Frage war aber ja die nach i.

Was ist aber jetzt i? Auch wieder nur Definition. Wir interpretieren die rechte Komponente als Imaginärteil, also ist es doch nur logisch, dass wir die imaginäre Einheit i als die Zahl definieren, deren Imaginärteil genau 1 (eine Einheit) und deren Realteil 0 ist. Und genau so tun wir es:



Oben haben wir uns eine Multiplikation definiert, also können wir jetzt auch einfach i² stumpf per Definition ausrechnen:



Aber (-1, 0) ist, wenn wir uns wieder an unsere Interpretation der Komponenten als Real- und Imaginärteil erinnern doch einfach nur die Zahl mit einem Realteil von -1 und einem Imaginärteil von 0 - also einfach die reelle Zahl -1! Und da haben wir es.

Und damit können wir jetzt auch die bekannte Darstellung einer komplexen Zahl z als



herleiten, denn wir können die komplexe Zahl z = (a, b) immer als



aufsplitten (ganz stimmt die Schreibweise nicht, statt a und b müssten wir richtigerweise (a, 0) und (b, 0) schreiben und dann die oben definierte Multiplikation anwenden, aber der Einfachheit halber mache ich es ein bisschen mehr "vectorish").

Die Zahl (1, 0) links steht wie wir gerade schon gesehen haben einfach für die reelle Zahl 1 (Realteil 1, Imaginärteil 0), die Zahl (0, 1) wie oben definiert für i (Realteil 0, Imaginärteil 1), damit folgt



und hier haben wir die bekannte Schreibweise komplexer Zahlen.

Ein kleiner Zusatz: Daran können wir auch gut sehen, dass die oben definierte Multiplikation sinnvoll ist, denn multiplizieren wir zwei komplexe Zahlen in dieser Form miteinander und multiplizieren damit stumpf die Klammern aus,



und fassen vermöge i² = -1 zusammen, kommen wir genau auf



und das sind ja genau die Komponenten, die bei der "Tupelmultiplikation" auch rauskommen sollten und tun. Die Rechenregel



die du ganz unschuldig verwendest, gilt so nicht für die komplexen Zahlen - bzw. zumindest nicht ganz, weil die Wurzelfunktion im Komplexen nicht eindeutig ist und man sich erst im Klaren sein muss, welchen Zweig der komplexen Wurzelfunktion man mit dem Wurzelausdruck meint. Dann kann die Regel aber funktionieren - aber nicht ganz so, wie du es geschrieben hast. Wenn dich interessiert, wie man das mit dem Wurzelziehen in den komplexen Zahlen wirklich gemacht hat, kannst du dir einfach mal die Antwort auf diese Frage anschauen:
https://www.gutefrage.net/frage/wie-kann-man-die-wurzel-aus-einer-negativen-zahl-im-koordinatensystem-ziehen

LG


suppe1 
Beitragsersteller
 14.04.2020, 22:28

Kannst du nocheinmal kurz erklären, warum die Menge aus dem Kreuzprodukt besteht und nicht z.B. aus dem Skalarprodukt?

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Willibergi  14.04.2020, 23:13
@suppe1

Ich habe jetzt Kreuzprodukt gesagt, eigentlich hätte es kartesisches Produkt heißen müssen. Das hat nichts mit Vektoren zu tun, sondern ist eine Verknüpfung zwischen Mengen, die alle möglichen Tupel mit einem Element aus der einen Menge und einem aus der anderen Menge bildet.

Das korrespondiert auch gut mit der Vorstellung von komplexen Zahlen als Objekte (Vektoren) mit zwei Komponenten, denn das kartesische Produkt aus IR mit sich selbst enthält alle möglichen Tupel zweier reeller Zahlen - entspricht also der Struktur der komplexen Zahlen.

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suppe1 
Beitragsersteller
 14.04.2020, 22:25

Wow vielen Dank für diese ausführliche Antwort und die Mühe, die dahintersteckt!

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Hallo,

das ist so, weil man das so definiert hat, ganz einfach.

Man wollte eine Lösung für die Gleichung x²=-1 haben, daher hat man die Zahl, die diese Gleichung erfüllt, und die es bis dahin gar nicht gab, i genannt.

Da i nirgends auf der Zahlengeraden sein kann, hat man sie auf eine Gerade verlegt, die senkrecht zur reellen Zahlengeraden verläuft, und diese Gerade imaginäre Gerade genannt. Reelle und imginäre Zahlengerade spannen die komplexe Zahlenebene auf, in der es kein Problem ist, Wurzeln aus negativen Zahlen zu ziehen.

Herzliche Grüße,

Willy


suppe1 
Beitragsersteller
 14.04.2020, 14:15

genau, das weiß ich. Kannst du mir einen Rechenweg zeigen, der beweist, dass i^2 = -1 ist?

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Willy1729  14.04.2020, 14:20
@suppe1

Wie willst Du das beweisen? Da könntest Du ebenfalls versuchen zu beweisen, daß man in geschlossenen Ortschaften nicht schneller als 50 km/h fahren darf.

Im Körper der reellen Zahlen kommt i überhaupt nicht vor, kann dort also nicht bewiesen werden - und die komplexen Zahlen sind erst nach Einführung von i entstanden. Man ist nicht aufgrund von Beweisen auf i gestoßen, sondern man hat eine Zahl erfunden, die die Eigenschaft hat, daß ihr Quadrat gleich -1 ist.

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jeanyfan  14.04.2020, 14:26
@Willy1729

Joa, im Prinzip definiert man i als Wurzel(-1) und dass dann i²=-1 gilt, ist eine einfache Folgerung daraus durch Quadrieren beider Seiten.

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suppe1 
Beitragsersteller
 14.04.2020, 22:25
@Willy1729

Also sind komplexe Zahlen nur eine Erfindung, die glücklicherweise in der Technik Anwendung findet?

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Willy1729  14.04.2020, 22:27
@suppe1

Sie sind für manche Anwendungen sehr praktisch. Hat man erst mal i oder j, läßt sich daraus dann natürlich so einiges herleiten.

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suppe1 
Beitragsersteller
 14.04.2020, 22:31
@Willy1729

Danke für die Antwort. Ich glaube, ich muss die komplexen Zahlen wie die reelen Zahlen betrachten. Irgendwie definiert, erfunden oder entdeckt und praktisch anwendbar. Irgendwann habe ich in einem Kontostand nicht -50 Euro stehen, sondern 50j^2. Okay Spaß beiseite: i bzw. j hat man doch immer, oder wieso schreibst du "hat man erstmal"?

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Willy1729  14.04.2020, 22:36
@suppe1

Hat man erst, seitdem die imaginäre Einheit definiert wurde.

Adam Ries hätte mit i oder j noch nichts anfangen können.

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suppe1 
Beitragsersteller
 14.04.2020, 22:52
@Willy1729

Aber es hätte genauso gut sein können, dann man i als wurzel -2 definiert, stimmts? hat man nun nicht, aber prinzipiell wäre das möglich gewesen?

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Ich gehe davon aus, dass die Rechenregelnnur für reelle Zahlen definiert sind und für komplexe Zahlen in der Form nicht angewendet werden dürfen.

sollte einfach die Folgerung davon sein, dass so definiert ist und deshalbgilt.


suppe1 
Beitragsersteller
 14.04.2020, 14:18

Danke!

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jeanyfan  14.04.2020, 14:24
@suppe1

Hab ich doch. Du quadrierst einfach i, also die Wurzel aus -1. Durch das Quadrieren hebt sich die Wurzel auf und es bleibt einfach -1 stehen. Also i²=-1. Was willst du da sonst noch an Rechenweg?

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suppe1 
Beitragsersteller
 14.04.2020, 14:15

Kannst du einen rechenweg skizzieren, dass beweist, dass i2= -1 ist?

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