Ist der Begriff "Kapitalismus" für Euch negativ behaftet?

Das Ergebnis basiert auf 59 Abstimmungen

Ja. 64%
Nein. 36%

18 Antworten

Ja.

Natürlich gibt es verschiedene Ausprägungen von Kapitalismus.

Er hat aber generell einige schwerwiegende Fehler.

Der schlimmst ist, dass er auf ständiges Wachstum angewiesen ist. Das einzige ständige Wachstum in der Natur ist der Krebs. Bei einer Wachstumsrate von 4 % pro Jahr muss sich die Wirtschaftsleistung alle 25 Jahre verdoppeln.

Das ist in einem System mit limitierten Ressourcen, wie es die Erde nun mal ist, kein dauerhaft brauchbares Konzept.

Zudem hat er nicht das Wohl des/der Menschen im Fokus, sondern den Ertrag. Dieser ist erstmal völlig abstrakt und wird dann als Shareholdervalue aus dem System, dass ihn erwirtschaftet hat, externalisiert. Es findet somit eine ständige Umverteilung statt. Von unten nach oben. Aus den Taschen der Vielen in die Taschen der Wenigen.

Er ist vor allem dort von Übel, wo es um Bereiche der Daseinsvorsorge geht. Wenn diese nach Profitbestreben organisiert sind, bleiben die Menschen auf der Strecke. Das ist so im Gesundheitswesen, Versorgung (Wasser, Strom), Müllabfuhr, Infrastruktur und dergleichen. Hier versucht man heute vielfach, früher ausverkaufte Bereiche wieder zu rekommunalisieren.

Er schafft ohne Zweifel auch Wohlstand. Aber immer auf Kosten anderen. Immer. Uns geht es wirtschaftlich nur deshalb so gut, weil wir seit Jahrhunderten andere Regionen und die dort lebenden Menschen ausbeuten. Würde man einer Näherin in Bangladesch den doppelten Lohn zahlen, würde eine Jeans, die sie näht, etwa 10 Cent teurer werden.

Ehemalige Fischer in Afrika werden deshalb Piraten, weil unsere Industrieschiffe ihnen den Fisch vor der Nase weggefangen haben.

Tausende Milchbauern in Afrika haben sich das Leben genommen, weil die EU ihre Märkte mit subventioniertem Milchpulver überschwemmt.

Riesige Flächen im Urwald werden gerodet, um darauf Ölpalmen anzubauen, deren Öl in unseren Produkten landet, die sich die Menschen vor Ort niemals leisten könnten.

In Nigeria haben westliche Ölfirmen die Vorräte an Öl ausgeplündert und dabei massive Umweltschäden herbei geführt. Davon haben nur ein paar korrupte Menschen an der Spitze profitiert, die Masse musste mit der zerstörten Umwelt klarkommen.

Kapitalismus ist ein sehr ungenügendes System.

Aber ich kenne auch keines, dass deutlich besser wäre.


Philippus1990 
Fragesteller
 14.06.2022, 10:48
Tausende Milchbauern in Afrika haben sich das Leben genommen, weil die EU ihre Märkte mit subventioniertem Milchpulver überschwemmt.

Hast Du dafür eine Quelle?

0
realsausi2  14.06.2022, 12:27
@Philippus1990

https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoom/der-irrsinn-mit-der-milch-100.html

https://www.elite-magazin.de/news/nachrichten/milchpulver-export-nimmt-westafrikanischen-milchbauern-existenzgrundlage-13296.html

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/milchgipfel112.html

Diese Quellen beschreiben das Problem. Von Suiziden wird dort nichts berichtet. Ich habe diese aber mehrfach in Berichten in seriösen Nachrichtensendungen gehört.

Tatsächlich findet man Quellen, die über Selbstmorde deutscher und französicher Bauern berichten.

https://www.agrarheute.com/land-leben/tabu-thema-selbstmorde-landwirten-554007

3
Philippus1990 
Fragesteller
 14.06.2022, 12:40
@realsausi2
Von Suiziden wird dort nichts berichtet. Ich habe diese aber mehrfach in Berichten in seriösen Nachrichtensendungen gehört.

Genau um diese ging es mir aber.

0
Philippus1990 
Fragesteller
 14.06.2022, 20:43
@Cassandre3

Das soll eine Quelle für "Tausende Milchbauern in Afrika haben sich das Leben genommen" sein?

2
Nein.

Ich bin in Deutschland geboren. Vor längerer Zeit. Da gab es mal ein "anderes" Deutschland, das sich als Alternative zum "stinkenden, faulendem Kapitalismus" sah.

Das Problem an unserer Diskussion ist einfach: Wir wissen, das der Kapitalismus nicht das Optimale darstellt. Aber wir wissen auch, das die "sozialistischen" Staaten des Ostblocks nicht umsonst in der Versenkung der Geschichte gelandet sind. Es gibt keine echte Alternative, die dieses System ablösen könnte. Also: Worüber sprechen wir?


Plincheeee  16.06.2022, 20:14

Es bräuchte eine Revolution.

1
Plincheeee  19.06.2022, 16:50
@minimax11

Nunja, es war ein Anfang.

Allerdings wurden nie kommunistische Ideale durchgesetzt und die Revolution kam auch viel zu wenig aus dem Volk heraus.

1
minimax11  19.06.2022, 17:02
@Plincheeee
die Revolution kam auch viel zu wenig aus dem Volk heraus.

Dann warst Du nicht dabei. Ich schon. Und das Problem mit den kommunistischen Idealen: DIe bleiben eine Utopie. Es kann nicht funktionieren. Denn wir sind Menschen. und brauchen zum Leben auch unseren Egoismus.

0
Plincheeee  19.06.2022, 17:17
@minimax11

Ich empfinde das als eine relativ einseitige Betrachtungsweise.

Wie gesagt: Der Kapitalismus funktioniert ja schonmal nicht. Wieso keine Alternative finden?

Menschen können sich umgewöhnen. Der Kapitalismus hat uns ja schließlich auch verändert und an diese Stelle gebracht.

1
minimax11  19.06.2022, 17:23
@Plincheeee

Ich habe die ersten 30 Jahre meines Lebens in diesem sehr einseitigem System zugebracht, bis durch die friedliche Revolution dieser Blödsinn hinweg gefegt wurde. Du magst mir eine einseitige Betrachtung vorwerfen: ich habe die "einseitige Betrachtung" erlebt und durfte öfter mal bei der Stasi und Polizei für 24h Gast sein.. Das Problem sind wir Menschen...

Kennst Du den Unterschid zwischen Kapitalismus und Sozialismus?

Im Kapitalismus wird der Mensch durch den Menschen ausgebeutet.

Im Sozialismus? : Genau umgekehrt!

0
Plincheeee  19.06.2022, 23:28
@minimax11

Nunja, wenn du das was in der DDR passiert ist als Sozialismus bezeichnen möchtest, ist das deine Sache...

Dann erklärt sich allerdings auch dein schlechtes Bild davon.

1
Ja.

Ich verbinde mit dem Begriff vorallem den Manchesterkapitalismus und die Ausbeutung von Menschen aus Profitgier.

Moderne Marktwirtschaft dagegen halte ich für das vernünftigste und sinnvollste Ökonomiesystem.


Philippus1990 
Fragesteller
 13.06.2022, 20:14

Kapitalismus = Marktwirtschaft.

0
DasMampf  13.06.2022, 21:07
@Philippus1990

Zwischen dem Manchesterkapitalismus mit 80h Woche zu Hungerlöhnen, unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen und unseren aktuellen marktwirtschaftlichen Systemen mit Mindestlohn, Gewerkschaften, Sozialversicherung und umfangreichem Arbeitnehmerschutz siehst du keinen Unterschied?

0
Philippus1990 
Fragesteller
 14.06.2022, 10:45
@DasMampf

Doch. Allerdings ist "soziale Marktwirtschaft" ein Wieselwort, weil es ein in jede Richtung dehnbarer Begriff ist. Man kann die Betonung sowohl auf "sozial" als auch auf "Marktwirtschaft" legen.

0
Ja.

Der Begriff impliziert Rücksichtslosigkeit und Ausbeutung - nicht umsonst leben wir in Deutschland in einer sozialen Marktwirtschaft.


Plincheeee  16.06.2022, 20:13

Die soziale Marktwirtschaft ist eine Form des Kapitalismus, besser gesagt eine Art der Auslebung des Kapitalismus innerhalb eines Landes. Denn dem Rest der Welt (von dem wir abhängig sind) geht es dadurch nicht besser.

1
Ja.

Der Kapitalismus ist schon lange nicht mehr, was er mal war.

ABER vorab:

Ich hege gar eine gewisse Bewunderung für ihn.

Der Kapitalist war/ist oftmals Erfinder und Unternehmer zugleich. Er verdient viel Geld damit, Produkte herzustellen, die das Leben der Menschen verbessert.

Leider hat sich der Kapitalismus ab den 1970 von der Produktion losgelöst.
Der Finanzkapitalismus wuchs durch die Privatisierungen rasant.

Dass man mittlerweile mit Geldinvestitionen mehr Geld verdienen kann, als mit den Produktion einer Erfindung, finde ich verwerflich und gefährlich.

Der "Kapitalismus" - welcher immer wieder neue Formen fand - neigt sich zusammen mit der westlich liberalen Demokratie dem Ende zu.

Der Kapitalismus ist immer wieder künstlich am Leben erhalten worden und kann sich nicht mehr selbst halten. Corona oder noch viel prägender die Bankenrettung 2008 sind hier als Beispiele anzuführen.

Der Kapitalismus hat ausgesorgt und sorgt in seiner aktuellsten Form für mehr Schaden als Nutzen.

Ich bin keiner, der den Kapitalismus für allen Übels auf der Welt verantwortlich macht, allerdings sind viele weltliche Probleme auf den globalen Kapitalismus zurückzuführen. Probleme wie Migration, Klimawandel oder eben auch Kriege.


Philippus1990 
Fragesteller
 13.06.2022, 20:16
allerdings sind viele weltliche Probleme auf den Kapitalismus zurückzuführen. Probleme wie Migration, Klimawandel oder eben auch Kriege.

Ohne Kapitalismus kein Klimawandel, keine Kriege und keine Migration. Hört sich logisch an.

1
Rakey269  13.06.2022, 20:20
@Philippus1990

Kapital bewegt sich schneller als es Arbeitskräfte/Menschen jemals könnten. Es ist eine logische Konsequenz, dass er Mensch nach besseren Lebensumständen und Wohlstand schaut.

Durch diese Schieflage ist Hackordnung und Ausbeutung vorprogrammiert.

1
Philippus1990 
Fragesteller
 13.06.2022, 20:27
@Rakey269

Ich verstehe Deinen Kommentar nicht. Was für eine Schieflage?

0
Rakey269  13.06.2022, 20:42
@Philippus1990

Machtverhältnisse. Wohlstandsunterschiede zwischen Ländern. Nehmen wir die fehlende Industrie der Südstaaten in Europa als Beispiel.

1
Philippus1990 
Fragesteller
 13.06.2022, 20:45
@Rakey269

Gab es je eine Zeit ohne Machtverhältnisse? Und wäre dies überhaupt wünschenswert? Sollen Kinder die gleichen Rechte haben wie Erwachsene? Und natürlich gibt es Wohlstandsunterschiede zwischen Ländern. Na und?

0
Rakey269  13.06.2022, 21:08
@Philippus1990
Gab es je eine Zeit ohne Machtverhältnisse?

Nein.

Allerdings waren alle Nationen unter sich. Es gab keine rein wirtschaftliche Ausbeutung, wie das jetzt unter dem globalem Kapitalismus der Fall ist.

Es ist ein Zusammenspiel von korrupten Oligarchen, Superreichen (von den USA) und gewisse Interessensgruppen von Ländern profitieren, während die Arbeiter und die einfachen Menschen darunter leiden und leiden wird.

Chinas Modell ist die Zukunft des Kapitalismus. In einigen Jahren wird die Welt mit den Standarts nachziehen müssen.

Wir begeben uns in die Richtung des Techno-Feudalismus. Wir begeben uns in Abhängigkeit weniger privater Leute, mittels digitaler Macht (Daten und Elektronik) wo schlicht kein Wettbewerb herrschen KANN.

1
Philippus1990 
Fragesteller
 14.06.2022, 10:47
@Rakey269
Es gab keine rein wirtschaftliche Ausbeutung, wie das jetzt unter dem globalem Kapitalismus der Fall ist.

Wer wird denn aktuell wie "ausgebeutet?"

während die Arbeiter und die einfachen Menschen darunter leiden und leiden wird.

Jo, sieht man ja am unglaublichen Massenelend in Deutschland.

0
Rakey269  14.06.2022, 11:24
@Philippus1990

Schon mal was von Neokolonialismus gehört? Wird auch gerne „Marktausweitung“ genannt. Was es aber ist, ist Besatzung eines anderen Marktes von einem meist abgeschwächten Land durch eigene stärkere Unternehmen.

Dort wird dann mit weniger Arbeiterrechten usw Profit gemacht. Klassische deregulierten Märkte eben.

Schau nach Bosnien, wo - auf paternalistische Art und Weise - ein CSU-Mann dort hockt und regiert. Er soll das Land „marktkonform“ machen.

Auch in Deutschland steigt die Ungleichheit. Seit nicht vor langer Zeit sogar die Reallöhne.

1
Rakey269  15.06.2022, 03:16
@Philippus1990

Flüchtlinge sind Symptome des globalen Kapitalismus. Dessen entfesselte Dynamik zerstört Lebens- und Kulturräume und vereinnahmt Staaten. Flucht ist - ebenfalls - ein Symptom des neuen Klassenkampfs.

Erstens werden Staaten der Dritten Welt zwar zunehmend in den weltweiten Markt integriert, allerdings wird dabei oft die traditionelle, nationale Wirtschaft zerstört, besonders die Landwirtschaft. Der Kongo, ein Paradefall eines "failed state", ist Schauplatz einer unfassbaren Katastrophe, gleichzeitig ist das Land integraler Bestandteil des Weltmarktes für Rohstoffe. Zweitens muss man eine Regel im Auge behalten: Soziale Revolten ereignen sich nicht, wenn die Situation am schlimmsten ist, sondern wenn sie sich langsam bessert und die Erwartungen der Menschen explodieren.

2