ECVM/Ataxie?

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"Schöne" Diagnose, erst mal mein Mitgefühl an dich und Hut ab, dass du dich informieren und alles möglich machen willst.

Ich versuch das mal Stück für Stück runter zu brechen, ehe ich es zum Gesamtbild zusammensetze.

ECVM ist Equine Complex Vertebral Malformation

Also eine angeborene Fehlbildung der unteren Halswirbelsäule beim Pferd, meist betroffen sind C6 und C7, ab und an trifft es auch den ersten Brustwirbel Th1. Der Wirbelsäule fehlen sozusagen auf der Unterseite knöcherne Bestandteile, die ua für Musekl wichtig sind, die dort ansetzen würden.

Der Hals ist wichtig für die Balance des Pferdes (nicht nur, aber eben auch). Wenn das Pferd durc ECVM die Wirbelsäule nicht entsprechend bewege kann, kann es sich nicht genug stabilisieren und ausbalancieren, die Muskulatur, die da nicht ansetzen kann, fehlt am Ende in der Anhebung der Schulter und des Brustbereichs.

Durch die Fehlbildung können sich auch Nerven und Rückemark einquetschen, das wiederum wirkt sich negativ auf die Koordination aus und kann in der von dir genannten Ataxie resultieren.

Erster therapeutsicher Schritt wäre es, die Schmerzen zu lindern, hier ist auf die Gabe des Mittels und seine Nebenwirkungen zu achten (Magengeschwüre, Darmflora, Hufrehe, etc.), das Pferd muss aber schmerzfrei sein, um ein gezieltes Training zu ermöglichen.

Du musst den Bewegungsapparat unbedingt stärken und bewegen, klingt jetzt doof, aber stehen lassen ist noch schlimmer als alles andere zusammen. Du musst quasi mit der Muskulatur für die Stabilität sorgen, die das Skelett nicht bieten kann.

Wahnsinnsarbeit...

Die Nährstoffversorgung muss auf den Muskelwachstum optimiert werden, hier spielen Faktoren wie Lysin, Methionin und Threonin eine Rolle, aber bitte NUR IN ABSTIMMUNG MIT DEM TIERARZT!

Auch Magnesium und Mangan sind wichtig für die Durchblutung und Lockerung der Muskulatur, Selen, Vitamin E und co. helfen den Zellen, aber auch hier nur nach Blutbild geben, nicht auf Verdacht!

Zahnkontrolle muss alle 6 Monate erfolgen, denn die korrekte Stellung des Gebisses ist ein wichtiger Bestandteil der Stabilisation und Entlastung der WIrbelsäule (ist bei uns Menschen auch so, wer knirscht oder wessen Zähne nicht passen, verspannt oft im Nacken, hat Kopfweh, das geht auf die restliche Wirbelsäule, etc.)

Zusatzfutter KANN (in Abstimmung mit TA) die Knochensubstanz stärken, Sehnen und Bänder unterstützen, Knochenaufbau unterstützen, Muskulatur in Wachstum, Durchblutung und Entspannung unterstützen,

Arthrose ist leider ein häufiger Nebeneffekt dieser ganzen Geschichte und auch hier gilt: Bewegung vor Stillstand, Schmerzmittel und gezieltes Training.

Ich würde dir wirklich ans Herz legen, gut darüber nachzudenken, ob dieser Weg für dich und für dein Pferd gangbar ist.

Ist es für dich möglich, täglich das Pferd so zu arbeiten, wie es das verträgt, also nicht mehr reiten, sondern Bodenarbeit, manchmal nur wenige Minuten am Tag? Kannst du täglich Medikamente geben und auch die hohen Kosten dafür tragen?

Ist es für das Pferd noch fair und in Ordnung? Leidet es, oder kann es seinen Gewohnheiten noch nachgehen? Kann es noch voll und ganz Pferd sein?

Wenn du nur eine Frage mit NEIN beantworten kannst oder musst, dann solltest du dir noch eine schöne Zeit mit deinem Pferd machen und es dann in Frieden in eine Welt ohne Schmerzen gehen lassen, auch ich habe dies kürzlich tun müssen und so sehr es mich schmerzt, für mein Pferd war es die richtige Entscheidung.


Keks37 
Beitragsersteller
 25.10.2023, 15:12

Danke dir für die ehrliche Rückmeldung. Am Samstag fahren wir nochmal zum Tierarzt. Er will sehen, ob die Medis angeschlagen haben und, wenn ja, wie der weitere Weg aussehen soll/wird etc.

Ich habe ihm jetzt seit unserem Klinikbesuch letzten Samstag die verschriebenen Medis gefüttert, die scheinen geholfen zu haben.

Habe mir natürlich auch schon überlegt, wie es weitergehen soll, wenn die Prognose auf Frührentner hinauslaufen sollte. Oder ob ich das wirklich kann, wenn nur noch Bodenarbeit etc. gemacht werden darf.

Entscheide ich aber erst, wenn ich nächsten Samstag weiß, was der Tierarzt sagt (Kontrolltermin).

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ShadowTaking  25.10.2023, 15:15
@Keks37

Zum Thema Bodenarbeit kann ich dir sagen, es macht irre viel Spaß und ist eine nie erschöpfende Quelle an Möglichkeiten, ich bin "dank" Bandscheibenvorfall schon länger nicht mehr dauerhaft im Sattel unterwegs und ja am Anfang wars ne ziemliche Plackerei und ich wollte doch soooo gern reiten, aber ich habe festgestellt, am Boden isses auch geil XD

Lass dich beraten, lass es dir in Ruhe durch den Kopf gehen und überlege, was für dich und dein Pferd die beste Wahl ist und lieber entscheide ein wenig zu früh, als zu spät. Die Erfahrung habe ich schmerzlich machen müssen, als eine Bekannte einfach nicht sagen konnte, dass es Zeit ist. Das Pferd musste erst innerlich verfaulen, ehe es sterben durfte...
Ich habe bei meinen Pferden immer gesagt: BEVOR es zur Qual wird, darfst du gehen.

Die Daumen sind gedrückt und wenn du magst, halt mich per PN auf dem Laufenden!

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ich würde - je nach ursache - mich bezüglich erfolg und überhaupt der möglichkeit der versteifung der entsprechenden halswirbel (wohl nur an unikliniken möglich) erkundigen. falls die ursache ein bandscheibenschaden mit einlemmen des nervs ist, erscheint mir das vielversprechend.

die ursprüngliche ursache kann aber auch im bereich kiefer, kiefergelenk, zungenbein liegen. das hätte sich mit abklären lassen, wenn man den kopf bei der untersuchung mit abgebildet hätte.

blockiert der kiefer oder das zungenbein, blockiert das gesamte pferd, weil die bewegungsfaszien alle von dort ausgehen und sich durch den gesamten bewegungsapparat ziehen.

ein manueller pferdedentist mit veterinärstudium oder ein auf den kopfbereich spezialisierter osteopath (möglichst jemand, der die entsprechende anerkannte ausbildung in der schweiz gemacht hat - dort ein ausbildungsberuf, weshalb sich dort nicht einfach jeder so nennen darf) können dir da ebenfalls weiterhelfen. und wundere dich bitte nicht, wenn dein pferd danach eine woche nicht kauen kann. das ist normal. ach ja - beide berufsgruppen sind auch in der lage, die nackenbänder abzuklären.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Sachgerechter Umgang ist aktiver Tierschutz!

Wir hatten ein Pferd mit Nervenschaden, nicht ataktisch. Es war letztlich sein Todesurteil, weil er immer wieder stürzte aufgrund ausgefallenen Gefühls im Vorderbein - zuletzt eben so, dass die Sturzfolgen zu heftig war, um ihn wieder auf die Beine zu bringen. Bis dahin ging er aber fröhlich-entspannt mit seinem Handicap um.


Keks37 
Beitragsersteller
 23.10.2023, 10:43

Wie alt war das Pferd?

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Baroque  23.10.2023, 10:56
@Keks37

Zum Zeitpunkt des Kaufs mit vorhandenem Schaden 14 Jahre. Da bestand der Schaden schon mindestens 4 Jahre. Zum Zeitpunkt seines schlimmen Unfalls 24 Jahre.

Auch, wenn wir von dem Damokles-Schwert wussten, hatten wir ihn gerne übernommen und er war ein zuverlässiges, tolles Pferd, das nur selten eben eine Panne auskurieren musste. Die Zeit gaben wir ihm dann halt immer.

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Keks37 
Beitragsersteller
 23.10.2023, 12:49
@Baroque

Habt ihr ihn dauerhaft mit Schmerzmitteln vollgepumpt oder ihn einfach leben lassen?

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Baroque  23.10.2023, 18:51
@Keks37

Nein, Schmerzmittel hat er nie bekommen. Zum einen tut ein Nervenproblem nicht weh, zum anderen ist der Schmerz ein Warnsignal, sollte eine Unfallfolge schmerzhaft sein. So lange das Tier munter guckt, ganz normal lebt, ... sagt ihm der Schmerz "mach mal vorsichtig". Wenn die Lebensqualität leidet oder man den Entzündungshemmer braucht, ist das was anderes. Aber er war ja wie jedes Pferd nur nach Tagesverfassung von etwas schusselig bis regelmäßig zu spät mit dem betroffenen Bein.

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Es gibt einige Podcasts zum Thema. WeHorse hat glaube ich was und Pferdemedizin heute