Skyfall: Zwingen uns die Ereignisse der vergangenen Woche zu völlig neuem Denken?

12 Antworten

Man braucht keine neue Philosophie. Die eingetretenen Ereignisse passen sehr gut in den bisherigen Verlauf der amerikanischen und der deutschen Politik.

Allerdings sollten einige Politiker überdenken, weshalb ihre bisherigen Strategien nicht zielführend waren.

Mehr Kooperation braucht mehr Bereitschaft zu neuen Bündnissen und Kompromissen.

Also wenn ich mir einen Philosophen aussuchen muss bin ich bei Sartre. Denn die Hölle sind die anderen 😉

Ich bin tiefenentspannt.

Ich werde erstmal eh nichts an der Situation ändern können. Und glaube ich auch, dass Trumps Wahlkampf eben genau dieser war: Wahlkampf.

Man kann denken über Trump was man will - zieht man Äußerungen aus seiner letzten Legislaturperiode heran, stellt man echt was fest...

Zum Beispiel das hier:

https://www.tagesschau.de/ausland/trump-nord-stream-2-sanktionen-101.html

Man kann sagen was man will, letztlich stellen wir fest: er hatte nicht so ganz unrecht mit dem...

Und nicht weil die USA einen Krieg angezettelt hat - das wird ja letztlich Biden vorgeworfen...., sondern weil genau dieser Punkt im Ukraine Konflikt eine riesen Rolle gespielt hat. Er sagte "ihr macht euch erpressbar". Und das stimmte. Wir haben es auf die harte Tour gelernt. Man muss in diesem Punkt Trump vollumfassend Recht geben. So leid es mir tut.

Ich mag Trump nicht. Ich finde seine Politik insgesamt einfach beschissen. Aber er ist eben auch nicht der Antichrist für den ihn manche halten. Ich weiß aber auch manchmal ehrlich gesagt nicht was ich von ihm halten soll - dieser Mann ist einfach schwer zu lesen. Aber die Welt wird auch mit Trump nicht untergehen.

Das wäre einfach zu einfach 😉


vanOoijen 
Beitragsersteller
 12.11.2024, 20:49

Ich habe auch nie in die Panik bezüglich Trump eingestimmt. Ja, während Trumps erster Amtszeit haben CIA-Agenten bereits versucht die Vollendung von Nordstream 2 zu behindern.

https://www.gutefrage.net/frage/ist-dieser-artikel-zu-nordstream-ii-glaubwuerdig

Jahre später steht Scholz wie ein Schuljunge mit verlegenem Lächeln neben Joe Biden, der von der Zerstörung der Pipeline redet.

Diese einheitliche Linie der amerikanischen Außenpolitik ist schon erwähnenswert. Sowohl Trump wie Biden war nicht an einer wirtschaftlichen Kooperation zwischen Deutschland und Russland gelegen.

Nur was ist hier immer von Abhängigkeit die Rede?

Wir bleiben abhängig. Nur jetzt zu höheren Kosten von den USA. Die lassen einfach keine Schiffe mehr fahren, genauso einfach wie Putin den Gashahn zudrehen kann.

Ich finde was wir Europäer wirklich lernen müssen ist die Emanzipation von den USA - und das bedeutet keine Abhängigkeit von Russland oder China. Es bedeutet einen Willen in diesem Jahrhundert eine geopolitische Rolle spielen zu wollen. Dazu bedarf es der Vollendung der EU als Nationalstaat. Gemeinsame Wirtschaftspolitik. Gemeinsame Schulden und wohl auch eine gemeinsame Armee als Atommacht auf Augenhöhe mit den USA, China und Russland.

Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts ist seit beinahe 25 Jahren vorbei und Europa und Deutschland hätten schon seit 1990 an einer eigenständigen Position in der Welt arbeiten müssen anstatt den USA zu helfen die Einflussspäre der NATO immer weiter auszudehnen.

Es wurden unglaublich viele diplomatische Fehler gemacht seit 90/91. Schröder hatte da einen gewissen Plan - unter Merkel war das leider perdu.

Aber wir Westeuropäer müssen verstehen, dass die USA nicht mehr der gute Onkel mit dem Marschallplan sind - sondern ein globaler Konkurrent der keineswegs unser Bestes will.

Dadamien86908  12.11.2024, 21:23
@vanOoijen

"Diese einheitliche Linie der amerikanischen Außenpolitik ist schon erwähnenswert. Sowohl Trump wie Biden war nicht an einer wirtschaftlichen Kooperation zwischen Deutschland und Russland gelegen."

Korrekt. Aber nach meinem Verständnis ging es Trump seinerzeit schon um die militärische Sicherheit Europas (überspitzt formuliert). Es ging eben genau darum: was macht ihr wenn "der Russe" renitent wird?

Es gibt verschiedene Lesarten der Vergangenheit. Das ist meine. Und ich verabscheue Trump...

vanOoijen 
Beitragsersteller
 13.11.2024, 18:43
@Dadamien86908

Was ich einfach schon lange vermisse ist eine europäische Geopolitik. Den Ansatz dazu sah ich tatsächlich nur bei Gerhard Schröder und diversen französischen Präsidenten. Und genau dahin müssen wir zurück. Als Vasall der USA gehen wir unter im 21. Jahrhundert.

Und genau deshalb sollten wir Russland China und USA als Verhandlungspartner begreifen und uns nicht einseitig auf die Seite der USA begeben. 2050 wird China die dominierende Weltmacht sein. Und da ist ein Verhalten einer Frau Baerbock nunmal unklug.Uiguren kümmern mich ebensowenig wie Ukrainer.

Altersweise  13.11.2024, 22:07
@vanOoijen

Wenn ich Schröder höre, muss ich immer an seine unheilige "Freundschaft" zu Wladimir Putin denken, und gerade in seiner Ära sind die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland - richtigerweise - auch ausgebaut worden, in der Folge aber bis in den Bereich der völligen Abhängigkeit von russischer Energie.

Wo genau jetzt die einzelnen Versäumnisse entstanden sind, Europa zu einer wirtschaftlichen Einheit zu formen, deren Folgen wir jetzt zu tragen haben, kann ich nur schlecht beurteilen. Ich stelle nur fest, dass die Bemühungen, Europa auf politisch breitere Füße zu stellen, auf der anderen Site die gemeinsame Wirtschaftspolitik eher auf das Verteilen von EU-Geldern reduziert hat. Heute wiederum schlagen so viele nationale Egoismen durch, dass weder eine politische noch eine wirtschaftliche Einheit oder Einheitsbemühung mehr zu erkennen ist.

Dadamien86908  14.11.2024, 06:24
@vanOoijen

Ich habe erhebliche Zweifel ob China 2050 die dominante Weltmacht sein könnte.

Deren demografischer Wandel ist der Wahnsinn und die Immobilienblase die denen da bald um die Ohren fliegt wird die Mutter aller Wirtschaftskrisen...

nobytree2  16.11.2024, 10:59
@vanOoijen
Dazu bedarf es der Vollendung der EU als Nationalstaat. 

Dafür bräuchte es gesunde, funktionierende Staaten als einzubringende Komponenten. Eine Schaar Kranker ergibt keinen Gesunden. Deutschland und viele andere europäischen Länder müssen erst so gut werden, dass sie Teil eines guten Europas sein können. Man kann keine gute Mahlzeit aus schlechten Zutaten basteln, dito für Europa.

Und wir brauchen keine Aufrüstung für den Frieden. Das ist der komplett falsche Weg. Russlands Militär ist nicht die rote Armee, sondern ein maroder Haufen Militärschrott. Lediglich die ABC-Waffen aus Russland bergen Gefahr, aber die Infrastruktur und Trägersysteme dafür ist inzwischen auch Schrott.

vanOoijen 
Beitragsersteller
 12.11.2024, 21:08

P.S. Mit den Existenzialisten bin ich noch nicht fertig.

Vor Sartre muss man sich mit Kierkegaard und Camus auseinandersetzen.

Mit Camus komme ich gut zurecht und Kierkegaard hat zuletzt mir Gott gedacht, ist trotzdem dem Existenzialismus zuzurechnen, wenn auch ein früher Vertreter dieser Strömung.

Es gibt eigentlich auch mit dem Klimawandel, mit den weltweiten Kriegen und den Fluchtbewegungen schon Gründe genug, das bisherige Denken und Handeln einer dringenden Überprüfung zu unterziehen.

Da Änderungen aber meist unbequem sind, wurstelt man lieber weiter so anstatt die Lebensgewohnheiten umzustellen.

Trump lässt halt für billiges Benzin neue Ölfelder in Naturschutzgebieten erschließen und wir sinnen uns immer neue bürokratische Monster aus, damit ja jedem einzelnen Sachverhalt Rechnung getragen werden kann.


vanOoijen 
Beitragsersteller
 12.11.2024, 20:59

Ich empfehle auch Dir die Lektüre meines Kommentars unter der Antwort von Dadamien und wäre erfreut über eine Rückmeldung entweder hier oder dort.

Meine Vision habe ich skizziert: Ein vereinigtes, fittes, Kerneuropa ohne Bindung an USA oder Brics, sondern als eigenständiger globaler Player.

Was sind Eure Gedanken zur aktuellen Lage der Welt und was sind Eure Strategien des Umgangs damit? Im Persönlichen oder als große Ideen kann beides Teil Eurer Antwort sein.

Ich brauche mich da nicht großartig umstellen: Donald Trumps Sieg war für mich keine große Überraschung, und das vorzeitige Ende der Ampel begrüße ich. Für mich ist es allerhöchstens eine Zeit der Ungewissheit. Allerdings befinde ich mich aufgrund privater Ereignisse bereits seit rund anderthalb Jahren in einer solchen, ich bin also inzwischen "geübt".

Wird Europa jetzt gezwungen sich im 21. Jahrhundert endlich wieder von den USA zu emanzipieren und was soll Europas Rolle in einer multipolaren Welt sein?

Da bin ich selbst eher ahnungslos. Trumps Sieg kann diesbezüglich der Anfang einer neuen Ära sein, muss es aber auch nicht unbedingt. Trump bleibt nicht für immer, und was nach ihm kommt, ist völlig offen.

Bezüglich einer "europäischen Emanzipation" bin ich ehrlich gesagt skeptisch. Europa ist viel zu gespalten, um auf der Weltbühne als starker Akteur auftreten zu können. Ich wage sogar, die Frage zu stellen, ob das überhaupt sinnvoll oder notwendig ist...

Welche Philosophen können uns auf dem Weg einer Neuerfindung Europas und seiner Rolle in der Welt behilflich sein?

Ich bezweifle, dass Philosophen da wirklich hilfreich sind. Da würde nur wieder riesiger Streit darüber ausbrechen, welcher Philosoph es denn nun sein sollte. In Osteuropa würde man vielleicht Platon mit seiner Demokratie-Kritik interessant finden.

Wenn ich selbst Europa nach meinem Gutdünken umgestalten könnte, dann vielleicht nach dem Konfuzianismus. Einige der Werte des Konfuzius fehlen uns heutzutage sehr. Das ginge aber nur per Diktatur - Konfuzius verträgt sich nicht mit dem europäischen Geist.

Nach welchen Philosophien lebt Ihr?

Ich bin zu inkonsequent, mich vollständig einer Philosophie zu widmen. Für mich ist vielleicht der Epikureismus die naheliegendste Philosophie: durch die (kontrollierte, nicht ausschweifende!) Befriedigung weltlicher Lüste und Bedürfnisse wird ein Zustand der inneren, seelischen Ausgeglichenheit angestrebt. Das klingt einleuchtend, ist nicht allzu tiefgründig und lässt sich tatsächlich praktisch umsetzen. Manche Philosophien erinnern im Vergleich eher an eine Form von Weltflucht.

Was gibt Euch Halt in dieser stürmischen Zeit des Umbruchs und der Auflösung alter Gewissheiten?

Mein stinknormaler, langweiliger Alltag. Meine Arbeit. Meine Haustiere. Diverse Arbeiten zu Hause, die ich seit Ewigkeiten auf ganz epikureische Art und Weise immer weiter hinausschiebe. Meine vielen spannenden Bücher, von denen ich immer mehr ansammle, ohne dass ich auch nur ansatzweise in der Lage wäre, sie alle in angemessenem Tempo zu lesen.

Ich habe kein sehr spannendes Leben, aber ich bin kein Mensch, der sich von politischer Ungewissheit allzu sehr beeinflussen lässt. Das sind Dinge, die ich nicht direkt beeinflussen kann. Warum sollte ich mir Sorgen darüber machen? Mein Leben beinhaltet genug Unsicherheiten, um die ich mich sorgen kann.

Die Ereignisse sollten uns zum Umdenken anregen, aber um ehrlich zu sein, geht es uns und mir zu gut, als dass wir wirklich zum Neudenken gezwungen sind.

Wir könnten noch so 20 Jahre weitermachen, ohne dass es uns direkt auf die Füße fällt.


vanOoijen 
Beitragsersteller
 12.11.2024, 00:13

Ich denke da definitiv anders. Direkt geht es mir nicht gut und an die geopolitische Rolle Europas am Ende des 21. Jahrhunderts, wenn ich längst tot bin, will ich gar nicht denken.

Carlbil  12.11.2024, 00:33
@vanOoijen

Geh bitte in die Politik, wenn du wirklich so denkst.

Keine Ironie oder so.