Verknüpfst du eine abgeklärte, fast schon fatalistische Haltung mit reaktionärem Gedankengut?
17 Stimmen
7 Antworten
Die von dir benannte abgeklärte Haltung kann z.B. aus der Einsicht stammen, dass man in einer Gesellschaft lebt, die wenig Offenheit gegenüber einer seriösen vielstimmigen Diskussion zeigt. Wenn Menschen sich in ideologischen Blasen einigeln und darin mit einem relativen Absolutheitsanspruch agieren, sind sie kaum noch in der Lage gesellschaftspolitische Probleme konstruktiv weiterzuführen. Wenn jemand nun sehen muss, dass die Mehrzahl der möglichen Diskussionspartner in solchen ideologischen Blasen lebt, kann er sich komplett aus dem Gespräch verabschieden und wäre dann ein Beispiel für deinen "Abgeklärten mit fatalistischer Haltung", der es resignativ als nicht mehr lohnend betrachtet, hier immer noch aufklärend und zielorientiert weiter zu diskutieren.
Trotzdem kann er an einem nicht dem Mainstream entsprechenden Gedankengut festhalten und es immer dann in die Diskussion einbringen, wenn er zufällig einmal auf Leute trifft, die nicht ideologisch eingemauert mit Interesse auch neuen, abweichenden Ansichten zuhören wollen.
Eigentlich nicht, erst deine Frage ermuntert mich, darüber etwas näher nachzudenken.
Jacques aus "Jacques, der Fatalist und sein Herr" klingt, wenn ich mich recht erinnere tatsächlich öfter mal reaktionär, in seinem ausgeprägten Fatalismus. Allerdings untrennbar verbunden mit einem ebenso starken Widersprechen und revoulutionären Gedanken.
Mit (stark) reaktionären Gedankengut verbinde ich die Leugnung von Wissenschaft und den Ergebnissen der Aufklärung. Und gegen irrationale Gedanken kann man nicht argumentieren. Man muss solche Leute aus dem pluralistischen Diskurs ausschließen.
Wer aufgrund seiner Religion die Evolution nicht akzeptiert, kann auch nicht diskutieren.
Eine abgeklärte, fast schon fatalistische Haltung bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie mit reaktionärem Gedankengut verknüpft ist. Vielmehr kann sie Ausdruck einer realistischen Einschätzung der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen sein, die auf historischer und kultureller Erfahrung basiert. Reaktionäres Gedankengut hingegen wird oft mit einer bewussten Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Ordnungen verbunden, die als stabilisierender Gegenpol zu den destruktiven Tendenzen der Moderne dienen.
Wenn diese Haltung reaktionär erscheint, liegt das möglicherweise daran, dass sie nicht der allgemeinen Ideologie des Fortschrittsdenkens entspricht, die jeden Rückgriff auf bewährte Prinzipien als rückständig abtut. In Wahrheit kann eine solche Perspektive aber eine notwendige Korrektur sein, die dem Verlust von Identität, Gemeinschaft und kultureller Stabilität entgegenwirkt. Es geht nicht darum, fatalistisch zu resignieren, sondern aus dieser Abgeklärtheit heraus eine bewusste Haltung zu entwickeln, die eine Rückbesinnung auf das Wesentliche ermöglicht.
Hallo SchopinHauer!
Die Formulierung "abgeklärte, fast schon fatalistische Haltung" ist bei mir tatsächlich deutlich mit reaktionärem Denken konnotiert, da der Aspekt der Nicht-Veränderung dabei so betont wird. Die Zur-Kenntnisnahme von Widersprüchen (Lösung von Gegenwartsproblemen wie Ungleichgweicht der Vermögen, Klimawandel und seine immensen Folgen und fehlende Weitsicht, um dagegen anzugehen, Bildungsvielfalt versus bildungspolitischem Desaster) reicht mir meist nicht, ich habe das Bedürfnis sie aufzulösen. Die abgeklärte, fast schon fatalistische Haltung wirkt dann auf mich wie ein rotes Tuch, als sei sie das Haupthindernis im Bemühen um sinnvolle Veränderung. Eine subjektiv verzerrte Reaktion meinerseits.
LG
gufrastella