Hat die Geschlechtsidentität eine Zusammenhang mit neuronalen Störungen?

Nein, das hat keinen Zusammenhang 55%
Ja, diese Menschen neigen eher dazu 30%
Andere Meinung (bitte näher erläutern) 15%

20 Stimmen

7 Antworten

Andere Meinung (bitte näher erläutern)

Die Sache ist die: Es gibt genügend Studien, die sagen, dass neurodiverse Menschen eher dazu neigen, sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht zu identifizieren, als neurotypische Menschen. Das stimmt. Also komplett zu sagen, dass das gar keinen Zusammenhang hat, ist falsch, denn wie solle man sich die Studien ansonsten erklären?

Langsam aber sicher bekomme ich ein bisschen den Anschein, einige Menschen würden denken, neurodivers/behindert zu sein, sei etwas Negatives, dass Autismus etc. Krankheiten wären, was sie faktisch gesehen nicht sind - Siehe Unterschiede zwischen Entwicklungsstörungen und Krankheiten. (Natürlich weiß ich bereits seit geraumer Zeit, dass viele generell so denken - Ich spreche hier speziell von der Neurodiversität-Geschlechtsidentität-Diskussion.) Diese schiere Sicherheit, mit der einige direkt "Nein!" "brüllen", lässt in mir das Gefühl aufkommen, manch einer möge denken, es wäre etwas Schlechtes, wenn Neurodiversität/Behinderungen/Entwicklungsstörungen mit Geschlechtsidentität und LGBTQ+ im Allgemeinen in Verbindung gebracht werden. Als würde man eine klare Grenze zwischen den beiden Dingen schaffen wollen, aus Angst, es könne - wie früher - als "krank" angesehen werden (Was es nicht ist, genauso wenig wie Neurodiversität). Das finde ich sehr fragwürdig, da es Neurodiversität etc. gewollt oder ungewollt weiterhin negativiert. Ich will nicht sagen, dass alle, die für "Nein" abgestimmt haben, so denken, aber das ist mir schon letztens aufgefallen. Ich finde nur jetzt erst die halbwegs passenden Worte, um meine Gedanken zu beschreiben.

Das heißt jedoch nicht, dass alle neurodiverse Menschen LGBTQ+ sind/sich nicht selber in ihrem Geburtsgeschlecht sehen. Ich bin ja selber Autistin und soweit ich das sagen kann, fühle ich mich sehr wohl in meinem biologischen Geschlecht, bin heterosexuell etc. pp. Und es heißt auch nicht, dass alle Menschen, die sich nicht ihrem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen, neurodivers sind, doch ich will hoffen, dass niemand denkt, das wäre, was ich damit ausdrücken wollte.

Es ist einfach schwierig, zu sagen, inwiefern da dein Autismus mitspielt. Du kannst deinen Autismus genauso wenig ablegen, wie du deine Geschlechtsidentität ablegen kannst. Also kannst du nicht wissen, ob du ohne deinen Autismus genauso empfinden würdest.

Ich könnte mir vorstellen, dass deine Neurodivergenz/Behinderung/Störung (Wie auch immer du's nennen möchtest) dich eher dazu verleiten kann, dich nicht mit deinem biologischen Geschlecht zu identifizieren, aber dass sie nicht der entscheidende Punkt ist, wenn du verstehst.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽

Laut einer Studie aus Großbritannien gibt es unter trans Personen mehr Autisten als in der Allgemeinbevölkerung. Sie schätzen zwischen 3.5% und 6.5%:

Scientists with the Autism Research Centre at University of Cambridge, using data from 600,000 adults in the UK, concluded in August 2020 that adults who were transgender or gender diverse were three to six times more likely to have an autistic diagnosis than those who were cisgender, and suggested that between 3.5 and 6.5% of transgender and gender diverse adults in the UK are autistic

https://en.wikipedia.org/wiki/Autism_and_LGBT_identities#Autistic_traits_in_gender_non-conforming_and_transgender_people

Die Ursache für diese Korrelation ist unbekannt.

Ob es einen Zusammenhang gibt, kann man nicht genau sagen. Eine australische Studie (Sociodemographic and Clinical Characteristics of Transgender Adults in Australia) zeigte, dass es mehr Transpersonen mit ADHS (4,3 %) und ADS (4,8 %) gibt, was beides über der durchschnittlichen Prävalenz der australischen Allgemeinbevölkerung liegt (ADHS und Transidentität).

Eine andere Studie, die sich mit der Erfahrung autistischer Transpersonen befasst (The lived experience of gender dysphoria in autistic adults: An interpretative phenomenological analysis), schreibt:

Autistic people are more likely to be transgender, which means having a gender identity different to one’s sex assigned at birth.

Eine Literaturanalyse (Autism Spectrum Disorder and Gender Dysphoria/Incongruence. A systematic Literature Review and Meta-Analysis) konkludierte:

We demonstrated that the chances that there is not a link between ASD and GD/GI are negligible, yet the size of it needs further investigation.

Die Wahrscheinlichkeit, es gibt keinen Zusammenhang zwischen ADS und Geschlechtsdysphorie/-inkongruenz ist also vernachlässigbar. Eine andere Studie (Gender Identity Disorder and Schizophrenia: Neurodevelopmental Disorders with Common Causal Mechanisms?) legt einen Zusammenhang zwischen Transgender und Schizophrenie nahe:

Clinical evidence suggests that schizophrenia occurs in patients with GID at rates higher than in the general population and that patients with GID may have schizophrenia-like personality traits. Conversely, patients with schizophrenia may experience alterations in gender identity and gender role perception.

Selbige Studie sagt:

Abnormalities in genes related to gonadal hormone synthesis and action have been found in these individuals, suggesting that GID/GD is a disorder of sexual brain differentiation caused by exposure to altered hormone levels during a sensitive period.

Was sich mit anderen Studien (z.B. A psycho-endocrinological overview of transsexualism oder From Mental Disorder to Iatrogenic Hypogonadism: Dilemmas in Conceptualizing Gender Identity Variants as Psychiatric Conditions) deckt. Allerdings erklärt das meines Erachtens nicht, wieso es Menschen gibt, bei denen die Geschlechtsdysphorie/-inkongruenz erst im späteren Verlauf des Lebens einsetzt, worauf auch eine andere Studie (Age of Onset and Sexual Orientation in Transsexual Males and Females) hinweist.

In einer 2008 erschienenden Studie (Psychiatric Diagnosis Of Patients Requesting Sex Reassignment Surgery), die jedoch nur 51 Patienten untersuchte, wurde festgestellt, dass 8 % der Untersuchten schizophren waren:

Most of the abnormalities in both groups were character disorders; eight percent of the patients, however, were schizophrenic.

Eine andere Studie (Gender Dysphoria – Prevalence and Co-Morbidities in an Irish Adult Population) zeigte, dass MtF (Male to Female) häufiger betroffen waren als FtM (Female to Male). Von 159 MtF-Personen waren acht schizophren (fünf Prozent), wohingegen es in der 59-Personen großen Kohorte der FtM-Personen keinen einzigen Betroffenen der Schizophrenie gab. Auffällig dabei ist auch, dass FtM-Personen häufiger rauchen, als MtF-Personen. 40/159 der MtF-Personen (25,2 %) rauchten, lediglich 17/59 der FtM-Personen (28,8 %).

Aber: ob es den klaren Zusammenhang gibt, weiß man nicht. Korrelation beweist keine Kausalität.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Bin selbst bi (aber kein Teil von LGBWTFQIA)
Andere Meinung (bitte näher erläutern)

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Geschlechtsinkongruenz

"Die Diagnose einer Geschlechtsdysphorie bei gleichzeitigem Vorliegen einer Autismus-Spektrum-Störung kann dadurch erschwert sein, dass für letztere konkretes und starres Denken über Geschlechterrollen und/oder ein schlechtes Verständnis von sozialen Zusammenhängen typisch ist.[15][17] Unter Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Geschlechtsdysphorie werden autistische Züge und Autismus-Spektrum-Störungen überhäufig beobachtet, zudem sind bei autistischen Menschen Geschlechtsdysphorie und nicht-geschlechtskonformes Verhalten wahrscheinlicher vorzufinden als im Bevölkerungsschnitt.[15][18]"

Laut Wikipedia gibt es diesen Zusammenhang tatsächlich (auch z.B. bei 20 % der Menschen mit Diagnose "Psychose / Schizophrenie").

Als Quellen werden folgende Schriften angegeben:

[15] Gender Dysphoria. In: American Psychiatric Association (Hrsg.): Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Fifth Edition, Text Revision. American Psychiatric Association, Washington, DC 2022, ISBN 978-0-89042-575-6, S. 511–520.

[18] Aimilia Kallitsounaki, David M. Williams: Autism Spectrum Disorder and Gender Dysphoria/Incongruence. A systematic Literature Review and Meta-Analysis. In: Journal of Autism and Developmental Disorders. 2022, doi:10.1007/s10803-022-05517-yPMID 35596023.

Woher ich das weiß:Recherche
Nein, das hat keinen Zusammenhang

Nein, ich denke eher, dass solche Leute nur offener damit umgehen. Vielleicht denken sie, wenn sie sich schon als queer geoutet haben können sie auch eher offener damit umgehen dass sie Neurodivers sind. Das machen viele nicht. Oder andersrum natürlich.