Meinung des Tages: Strafverfolgung vs. Privatsphäre - wie bewertet Ihr das geplante Gesetz zur "Chatkontrolle"?
Am heutigen Donnerstag könnte der Europäische Rat die sog. "Chatkontrolle" auf den Weg bringen. Während Befürworter darin ein adäquates Mittel zur Bekämpfung von Kinderpornographie im Netz sehen, befürchten Kritiker ein mögliches Instrument zur Massenüberwachung...
Kinderpornographie im Netz als akutes Problem
Laut der EU-Innenkommissarin YIva Johansson hat die Verbreitung von kinderpornographischem Material im Internet ein inzwischen pandemisches Ausmaß angenommen. Laut einer Meldung des amerikanischen National Center For Missing And Exploited Children (NCMEC) haben sich die Meldungen über sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen binnen der letzten zwei Jahre verdoppelt. Das NCMEC bekommt von Facebook oder Instagram freiwillige Hinweise auf etwaigen sexuellen Missbrauch und leitet diese an die Behörden in den entsprechenden Ländern weiter.
Laut BKA hat die Organisation im Jahr 2022 136.437 mutmaßliche Fälle von Kindesmissbrauch mit deutschen Tatverdächtigen gemeldet. 89.844 davon haben sich als strafrechtlich relevant erwiesen. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Meldungen dem BKA zufolge auf 180.287 erhöht; die Zahl der strafrechtlich relevanten Fälle blieb dabei mit 89.336 - trotz vieler Falschmeldungen - weiterhin alamierend hoch.
Die Mechanismen des Internets mit seinen zahlreichen Plattformen, Messengern oder Filehostern haben die Verbreitung von kinderpornographischem Material in den letzten Jahren immens beschleunigt. Hinzu gesellt sich der kritische Umstand, dass entsprechendes Material inzwischen oft leichtfertig und unwissend auch von Jugendlichen und Kindern via Messenger geteilt wird. Um die Verbreitung im Internet künftig zu unterbinden, möchte der Europäische Rat ein neues Gesetz auf den Weg bringen...
Die Pläne der "Chatkontrolle"
Im Kern soll das geplante EU-Gesetz, das bereits seit mehreren Jahren in Brüssel diskutiert wird, Google, Meta und co. dazu verpflichten, Bild- und Videoinhalte mithilfe von KI-Tools automatisch mit einer Datenbank von bekanntem kinderpornographischem Material abzugleichen. Sofern es einen Treffer gibt, sind die Betreiber verpflichtet, den Fall an eine zuständige Behörde weiterzuleiten. Die KI soll ferner dazu eingesetzt werden, mögliches neues kinderpornographisches Material zu erkennen. Inwieweit die Technik zuverlässig funktioniert, ist bislang nicht bekannt.
Die Ratspräsidentschaft plant, das Durchsuchen nach möglichem Missbrauchsmaterial für alle Nutzer verpflichtend zu machen. Nutzer können dem zwar grundsätzlich widersprechen, sollen bei Ablehnung allerdings nicht mehr in der Lage sein, Bild- und Videomaterial zu versenden.
Zweifel & Kritik am Vorhaben
Insgesamt 36 Politiker aus Europa haben sich in einem offenen Brief an die EU-Mitgliedstaaten gewandt und dafür ausgesprochen, das Gesetz abzulehnen. Das Gesetz, so die Kritiker, sei nicht mit den europäischen Grundrechten und Normen vereinbar.
Auch FDP und Grüne lehnen das EU-Gesetz prinzipiell ab. Justizminister Marco Buschmann verwies u.a. auf unsere diktatorische Vergangenheit sowie die Wichtigkeit, dass die Privatsphäre bzw. die private Kommunikation von staatlicher Seite aus unbedingt zu schützen sei. Das Instrument würde ungerechtfertigter Überwachung am Ende des Tages Tür und Tor öffnen. Weiterhin seien die geplanten Maßnahmen nicht zielgenau und könnten zu falschen Verdächtigungen führen. Sinnvoller sei es, so die Gegner des Vorhabens, wesentlich mehr Ressourcen sowie eine bessere Koordination der Strafverfolgungsbehörden in Europa bereitzustellen.
Einige Anbieter wie die Betreiber der Nachrichtendienste Signal und Threema haben bereits angekündigt, die EU bei Inkrafttreten des Gesetzes verlassen zu wollen.
Unsere Fragen an Euch:
- Wie bewertet Ihr das geplante Gesetzesvorhaben?
- Sollte der Datenschutz bei der Strafverfolgung von möglichem kinderpornographischem Material evtl. zurückweichen?
- Wärt Ihr bereit, den Zugriff auf Eure versendeten Fotos & Videos im Sinne des EU-Vorhabens zu erlauben?
- Überwiegt für Euch der strafrechtliche Nutzen oder die Gefahr ungerechtfertigter Überwachung?
- Welche rechtlichen und technischen Alternativen zur Eindämmung der Verbreitung von kinderpornographischem Material wären Eurer Meinung nach denkbar?
Wir freuen uns auf Eure Antworten.
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/eu-gesetz-kindesmissbrauch-100.html
https://www.zeit.de/digital/2024-06/chatkontrolle-kindesmissbrauch-ablehnung-deutschland
Das Ergebnis basiert auf 239 Abstimmungen
52 Antworten
![](https://images.gutefrage.net/media/user/Ikbeneenappel/1720287263076_nmmslarge__98_98_1423_1423_094c12ca8fd25bb657c6aa1efb0eed17.jpg?v=1720287263000)
Ich sehe dieses Vorhaben als krankhaft und das Vorgehen ist absolut falsch. Die Bürger werden doch unter Generalverdacht gestellt und einfach nur noch kontrolliert.
Jede künstliche Intelligenz kann Fehler machen und etwas fälschlicherweise als Kinderpornografie erkennen.
Ich wäre absolut nicht bereit meine versendeten Medien für sowas freizugeben.
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Heyyy
Das Telekommunikationsgesetz (TKG) schreibt vor, dass bei der Eröffnung eines neuen Telekommunikationsvertrags die Identität des Kunden bestätigt werden muss. Dies erfolgt in der Regel durch Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses. Diese Regelung, die seit dem 1. Juli 2017 in Kraft ist, dient in erster Linie der Kontrolle und Überwachung aller Personen. Aber wo bleibt dabei die Privatsphäre?
Um Kinder vor Missbrauch zu schützen, schlage ich vor, dass Eltern darauf achten, ihren Kindern nicht zu früh ein Handy zu geben. Plattformen wie TikTok und Instagram sind voll von sehr jungen Nutzern. Es ist wichtig, dass Eltern die Nutzung dieser sozialen Medien durch ihre Kinder überwachen und regulieren.LG
![](https://images.gutefrage.net/media/default/user/15_nmmslarge.png?v=1551279448000)
Wieso Ältere? Junge Menschen nicht? Der missbrauch von Kindern ist Schei*e und kann leider nicht verhindert werden.
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"ich schlage vor, das eltern ihren Kindern nicht zu früh ein Handy geben" aber das löst doch nicht das Problem mit Kinderpornografie
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Durch den Uploadfilter wusste man bereits von der wahren Absicht dahinter: Es geht um absolute Kontrolle. Heute geht es um Kinderpornografie, morgen werden Chats wegen zu freier Meinungsäußerung verfolgt.
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Falls das Gesetz durchkommt. Werde in ganz Europa WhatsApp abgeschaltet, genauso wie Telegram und die anderen Nachrichtendienste. Das haben die Entwickler bereits bestätigt. Was verständlich ist, niemand möchte bei so eine Propaganda mitmachen.
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Zeig mal ne quelle bitte. Ich bezweifle stark, dass gerade WhatsApp die privatssphäre nicht komplett am arsch vorbei geht...
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Google selbst. Bei WhatsApp wurde das noch nicht bestätigt aber es ist wahrscheinlich
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![](https://images.gutefrage.net/media/default/user/9_nmmslarge.png?v=1551279448000)
![](https://images.gutefrage.net/media/default/user/13_nmmslarge.png?v=1551279448000)
Sehe ich kritisch, da der Einschnitt in die Privatsphäre doch ziemlich groß ist. Rein technisch bedeutet diese Neuerung ja, dass eine KI jedes Medium das du postest, prüft, also „mitliest“. Wenn das mal nicht missbraucht wird… Ich finde den Schutz des privaten Raumes wichtig. Die Verbreitung von Kinderpornographie zu stoppen ist zwar auch wichtig, da wäre man aber vielleicht besser beraten, andere Methoden anzuwenden, die nicht derart invasiv sind.
Aber es gibt doch ältere Menschen die Kinderpornos veröffentlichen und herumschicken?