Wieso übersetzt man im Lateinunterricht hauptsächlich nur Texte?
Hey,
ich habe mich schon seit längerem gefragt, weshalb man im Lateinunterricht eigentlich ausschließlich übersetzt, um die Sprache zu lernen, während man in modernen Fremdsprachen wie Englisch oder Französisch andere Herangehensweisen/Methoden.
Vor allem wenn man sich mit Texten auf den drei oben genannten Sprachen beschäftigt, ist Latein das einzige Fach, wo man die Texte immer Wort für Wort übersetzt, während man beim Lesen von englischen oder französischen Texten mehr Wert auf das Gesamtverständnis legt als auf die exakte Bedeutung jedes einzelnen Satzes. Wieso macht man das nicht auch in Latein so? Gibt es einen
4 Antworten
Latein ist eine präzise Sprache. Der Satzsinn ergibt sich aus Bezügen, die sich aus den Wortstämmen plus ihrem Aufbau mit grammatikalischen Prä- und Suffixen sowie der Abfolge innerhalb des Satzes ergibt. Eine kleine Verschiebung und nichts passt mehr - der Sinn ist ein anderer.
Ich habe in diesem Zusammenhang schon den Begriff 'Architektur' gehört! Ähnlich wie da, wird auch im Lateinischen nichts dem Zufall überlassen: jeder 'Baustein' muss präzise sitzen, damit der gewünschte Sinn gewährleistet ist.
Wenn dir das alleinige Text-Übersetzen zuwenig ist, schau dich doch mal nach möglichem Nutzen von Latein im Alltag um. Es gibt beispielsweise Stadtführungen auf Latein, die in manchen Städten angeboten werden, wie hier in Tübingen.
Auch gibt es Stadtführer (Bücher) in lateinischer Sprache, wie z. B. diesen von Aachen.
Spannend finde ich, Nachrichten auf Latein zu hören, wie z. B. hier auf Radio Bremen2, wo es zu jedem Monatsende einen solchen Nachrichtenüberblick gibt. Ich habe nach all den Jahren eine ganze Menge verstanden, trotz des Sprechtempos! Eine schöne Aufgabe für jemanden, der lateinbegeistert ist!
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Im Vergleich zum Französischen, das ja eine Weiterentwicklung der vulgärlateinischen Sprache von Cäsars Legionären ist, findet sich auch da die Präzision der abstrakten Wortstämme plus jeweils die strukturell und semantisch erforderlichen Anpassungen, die sofort die Bedeutung erkennen lassen, wenn man Latein kann. Trotzdem ist man bei Französisch freier in der Gestaltung.
Englisch bzw. das damalige Altenglisch bekam ja auch etwas von dieser Struktur vermittelt, als 1066 der Normanne Wilhelm der Eroberer den englischen Thron bestieg und Französisch sich als Sprache bei Hofe sowie in vielen Bereichen etablierte.
Daraufhin entstand eine Flexibilität, die ihresgleichen sucht: so lassen sich Sachverhalte mit germanischstämmigen Worten eher volkstümlich ausdrücken, jedoch auch eher gesetzt und förmlich in 'wissenschaftlichem Englisch' mit französischstämmigen Wurzeln. Wenn Englischsprecher sie verwenden, erkennt man sie akustisch nicht so leicht, da unsere Ohren eine andere Aussprache (näher am Französischen) erwarten würden. :-)
Es freut mich, wenn meine Antwort dir hilft. ◇♧◇
weils bei Latein darum geht Lateinische Worte in deine schon bekannte Sprache einzubinden, nicht komplett in Latein zu sprechen
wenn man es mit Englisch vergleichen will: ist das wie Denglisch lernen ;-)
Man kann es nicht mehr aktiv sprechen.
Salve :-)
Es ist in Latein extrem schwer bis unmöglich, wie in Englisch zu unterrichten. Die Formen sind viel zu vielfältig, miteinander zu kommunizieren ist da enorm zeitaufwendig und einfach viel zu schwer für Schüler!
Das erklärt auch, weshalb man nicht einfach einen Text zwei mal lesen kann und dann sagen kann, worüber es geht. Man muss jede Form genau angucken, sonst entstehen schnell falsche Zusammenhänge.
Meine Lateinlehrer sagen zudem oft, dass der Lateinunterricht schon viel attraktiver gemacht wurde, man lernt mittlerweile auch mehr über die Kultur.
Vale!
Das kannst du aber laut sagen! Vor 60 Jahren, als ich Latein gelernt habe, wurde nur übersetzt. Wir hatten lediglich einen Lateinlehrer, der versuchte, das Ganze etwas aufzulockern, indem er uns Zusatz-Infos über das gesellschaftliche Leben gab oder uns mit lateinischen Gesängen beglückte (Catulli carmina etc.). Ansonsten aber stures Übersetzen 7 Jahre lang!